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September 2010
04.09.2010 10-09-04 Absprachen
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Rechtsmittel nach einer Verständigung im Strafverfahren

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist weder rechtsmissbräuchlich erhoben noch verstößt dessen Einlegung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gegen das Gebot eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt die Befugnis der Verfahrensbeteiligten, nach einer vorausgegangenen Verständigung das Rechtsmittel der Revision einzulegen, keinen Einschränkungen ( BGH, Urteil vom 28. August 1997 - 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195; BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04, BGHSt 50, 40). Dies gilt nicht nur für die Rechtsmittelbefugnis des Angeklagten, sondern uneingeschränkt auch für diejenige anderer Verfahrens-beteiligter (...). Das nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (...) hat an dieser Rechtslage nichts geändert. (1)
 


 
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern ( § 257b StPO). Dabei dürfen sich die Verfahrensbeteiligten auch über die Gegenstände der Beweisaufnahme und über das Strafmaß verständigen ( § 257c StPO). Das sind die zentralen Vorschriften, die seit 2009 den "Deal" in der gerichtlichen Hauptverhandlung regeln [ (2) Einzelheiten siehe rechts]. Ausgeschlossen ist es hingegen, dass der Angeklagte nach einer Verständigung auf sein zulässiges Rechtsmittel verzichtet.

Man kann bezweifeln, ob die seit einem Jahr geltenden Regeln die Strafverfahren erleichtert haben. Sie haben jedenfalls durch ihre Formenstrenge neue Fehlerquellen geschaffen.

Die Stellung des Angeklagten haben sie deutlich gestärkt und - böswillig formuliert - zu folgender Verteidigungsstrategie geführt:

zunächst wird das Gericht an eine ausgehandelte Höchststrafe gebunden

dann wird an der geständigen Einlassung des Angeklagten so gefeilt, dass das Gericht nicht umhin kommt, unterhalb der Höchststrafe zu bleiben

die Einlassung erfolgt dann in Form einer Prozesserklärung seines Verteidigers (3), der sich der Angeklagte kopfnickend anschließt

dadurch hat das Gericht nur wenig Substanz für das schriftliche Urteil

das rächt sich dann, wenn der Angeklagte gegen das Urteil Rechtsmittel einlegt
 

 
Änderungen durch das VerstStVfÄndG
Rechtsmittelbefugnis § 35a S. 3 StPO
Verständigung unter Leitung der Staatsanwaltschaft § 160b StPO
Verständigung im Zwischenverfahren § 202a StPO;
§ 212 StPO
Mitteilung in der Hauptverhandlung über eine Verständigung § 243 Abs. 4 StPO
Gesprächsbefugnis des Gerichts § 257b StPO
Gegenstand und Grenzen der Verständigung § 257c StPO
Urteilsgründe § 267 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 2 StPO
Protokoll § 273 Abs. 1a StPO
Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts § 302 Abs. 1 S. 2 StPO
 

Das Verzichtsverbot ist bereits seit Jahren vom BGH gefordert und durchgesetzt worden. Unlängst hat er bestätigt, dass auch die Staatsanwaltschaft nach einer Verständigung Rechtsmittel einlegen kann [ (1); siehe links oben].

Man kann sich natürlich fragen, was eine Verständigung soll, wenn sich die Beteiligten nicht an ihr Wort halten müssen. Oder anders ausgedrückt: Mit unzuverlässigen Partnern gibt es künftig keine Verständigung; das muss sich nur rumsprechen.
 

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(1) BGH, Urteil vom 10.06.2010 - 4 StR 73/10, Rn. 13.

(2) Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren - VerstStVfÄndG, buzer.de

(3) Prozesserklärung unbeachtlich, 05.09.2007
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018