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Februar 2009 |
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Posttraumatische Belastungsstörung |
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Mit der PTB, ihren Ursachen, Wirkungen und Folgen habe ich mich erstmals im vergangenen Jahr auseinandersetzen müssen. Ich bin weder Psychiater noch Psychologe und habe nur einen oberflächlichen Eindruck gewinnen können, der den Anschein einer noch strittigen Forschungsrichtung vermittelt. Wie lassen sich die außergewöhnlichen und irrational wirkenden Reaktionen von Opfern von Naturkatastrophen oder Gewaltaktionen erklären, die unter äußerem Druck angepasst, zustimmend und persönlichkeitsfremd agieren? Warum äußern sich manche Zeugen objektiv unglaubhaft und scheint ihre innere Wahrnehmung undifferenziert und borniert zu sein? In Deutschland kam diese Frage meiner Erinnerung nach erstmals 1973 im Zusammenhang mit dem Stockholm-Syndrom auf (3), weil sich einzelne Opfer einer Geiselnahme mit ihren Geiselnehmern verbündeten und sie unterstützten.
Wurde dabei ein archaischer Alter Ego
(4)
oder ein Mister Hyde
(5)
aktiviert? Wenn das so wäre, dann könnte dem Verursacher kein Vorwurf
gemacht werden. Ups, ist halt passiert. |
Was PTB-Opfer machen, machen sie besonders gut - ist mir die Äußerung eines sachverständigen Zeugen noch gut in Erinnerung. Der Auslöser einer PTB ist ein als lebensbedrohlich empfundenes Ereignis oder eine zeitlich gestreckte Gewaltsituation. In Betracht kommen Naturkatastrophen, Unfälle, Kriegserfahrungen, Vergewaltigungen, gewaltsame Gefangenschaften und vergleichbare, jedenfalls außergewöhnliche Erfahrungen (6). Sie führen zu einer Verhaltensblockade. Das PTB-Opfer funktioniert nach dem "Willen" einer natürlichen Extremsituation oder eines Schergen und ist nicht in der Lage, seine gewohnten Verhaltensweisen, Moralvorstellungen und Tagesabläufe zu leben. Es funktioniert. Dahinter mag eine natürliche und archaische Überlebensstrategie
stecken, die es Lebewesen und schließlich auch Menschen ermöglicht,
selbst in Extremsituationen zu überleben, indem sie einfach
funktionieren und das gewohnte, übliche und umweltkritische Verhalten abgeschaltet wird, um zunächst einmal weiter zu leben. Also eine Art
"Superstress", der im Kopf passiert und über die einfachen biochemischen
Ausschüttungen von Zucker und Adrenalin hinaus geht. |
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Das führt dazu, dass PTB-Opfer auf Dauer Erinnerungsfehler und Flashbacks haben, wobei sie auf äußere Signale unerwartet und wie unter der ursprünglichen Stresssituation reagieren. Eine Therapie dagegen ist langfristig und nur begrenzt Erfolg versprechend. Wenn das so stimmen würde, dann könnte eine PTB diagnostisch mit chemischen oder physikalischen Methoden nachgewiesen werden.
Dem
widerspricht ein anderer, der wohl herrschende Erklärungsansatz. Er ist
auch neurologisch, aber nicht streng biochemisch, und diagnostiziert die PTB
nur anhand von psychiatrischen und psychotherapeutischen Untersuchungen.
Auch er verspricht nur eine langfristige und nicht immer erfolgreiche
Therapie. |
Die PTB-Forschung setzte erst bei den Veteranen des Vietnam-Krieges ein und konnte dabei auf alte Studien nach dem Korea-Krieg aufbauen. Ich vermute, dass die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges und der Vertreibung dieselben Symptome gezeigt haben - ältere Ereignisse dürften dasselbe Potential gehabt haben. Die strafrechtliche Schuldfrage bei PTB-Opfern ist interessant. Mehrere Sachverständige vertreten die Auffassung, dass PTB-Opfer zwar nicht in ihrer Einsichtsfähigkeit eingeschränkt sind, sie wissen also, dass sie normativ falsch handeln, aber nicht nach dieser Einsicht handeln können. Sie sind in ihrer Steuerungsfähigkeit mehr oder weniger eingeschränkt.
Mein Fazit:
Ungewöhnliche, sprunghafte und borniert wirkende Zeugenaussagen können
die Auswirkung einer krankhaften Erlebnisverarbeitung infolge einer PTB
sein. Wenn der Zeuge nicht lügt, auch das ist möglich, so sind seine
Erinnerungsbilder richtig, aber falsch zeitlich und situativ zugeordnet.
Sie klumpen sozusagen um besondere Ereignisse herum. Das Ereignis wirkt
wie ein Magnet und verhindert eine intellektuelle raumzeitliche
Differenzierung. |
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Telepolis zitiert den PR-Chef einer Veteranenorganisation: "Man muss sein Blut vergossen haben durch ein Kriegsgerät in den Händen eines Feindes der Vereinigten Staaten. Vergossenes Blut ist das Kriterium." Einfach nur "Macke" reicht ihm nicht. In Großbritannien besteht ein Zehntel der Häftlingen aus Soldaten, die im Irak oder in Afghanistan im Einsatz waren (10). Nach einer hier zitierten Studie sollen viele der Kriegsheimkehrer unter einer PTB leiden. Eine PTB kann nach meinem Eindruck kriminelles Verhalten aber nur
dann fördern, wenn eine äußere Einwirkung ein Verhaltensziel formuliert
und die Umsetzung verlangt. Ich vermute eine andere Ursache: PTB-Opfer
benötigen eine behutsame soziale und psychotherapeutische
Wiedereingliederung. Dort, wo sie fehlt und die Folgen der PTB die
normale Leistungsfähigkeit im Arbeitsleben behindert, können die Opfer
wirtschaftliche und andere Misserfolge erleben, die ihrerseits
abweichendes Verhalten unterstützen könnten. Kriminelles Verhalten wäre
dann keine unmittelbare Folge der Krankheit, sondern eine mittelbare,
die aus der Desintegration des Erkrankten stammt. |
Die Tiefe und Wirkungen einer PTB sind unterschiedlich, wie ich jetzt weiß. Mit einer guten psychotherapeutischen Betreuung lässt sie sich behandeln und die überwiegenden Fälle, vor allem die schwächeren Traumata, dürften sich auch heilen lassen. Schwer traumatisierte PTB-Opfer können stabilisiert und das Krankheitsbild gelindert werden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung könnten sie langfristig oder sogar ein Leben lang unter ihren Folgen leiden. Ich befürchte, dass die PTB vorübergehend zu einem Modebegriff für jedwede Befindlichkeitsstörung wird. Das ist schade und das wird sie als definiertes und abgrenzbares Krankheitsbild überstehen. Solche Moden haben auch ihr Gutes, weil sie eine bislang wenig bekannte Erkrankung zu einer allgemeinen Bekanntheit verhelfen. Der Weg, den die Bundestagsinitiative geht, ist ungewöhnlich
vorausschauend, leise und sensibel. Das ist man von der Politik kaum
noch gewohnt. |
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Anmerkungen | |||
(2) Posttraumatische Belastungsstörung (5) Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde
(6)
Die [
(2)] verweist auch auf die "Kriegszitterer", deutsche Überlebene des
Ersten Weltkrieges, und das Post Vietnam Syndrome - PVS. |
(9) Thomas Pany, Neue Kriege, neue Verletzungen, neue Orden? Telepolis 09.01.2009 (10) Florian Rötzer, Fast ein Zehntel der Häftlinge in britischen Gefängnissen sind ehemalige Soldaten, Telepolis 31.08.2008 (11) Friedrich Kuhn, Rund 500 Soldaten kehren traumatisiert zurück, mz-web.de 03.02.2009
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Cyberfahnder | |||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |