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März 2010 |
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Straftaten mit der Informations- und Kommunikationstechnik |
Brauchen wir Spezialisten für die
Strafverfolgung im Bereich der IKT? |
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Ja, ist die klare Antwort auf die Frage, die falsch gestellt ist. Angesichts der fortschreitenden (Über-) Belastung der Strafverfolger wird jeder von ihnen die Einführung von IKT-Spezialisten befürworten, weil er sich davon verspricht, sich nicht selber damit belasten zu müssen und unangenehme Verfahren abgeben zu können. Mit mehr Differenzierung ist danach zu fragen, ob wir "Nur-Spezialisten" für IKT-Verfahren brauchen. Die Antwort darauf ist ein klares Jein. Als IKT-Straftaten bezeichne ich solche, die entweder die Informations- und Kommunikationstechnik zum Gegenstand haben, das sind die IT-Straftaten im engeren Sinne wie das Hacking, das Abfangen und Ausspähen von Daten und die Computersabotage, oder die im weiteren Sinne, die die IKT als Mittel für bekannte Kriminalitätsformen benutzen. IKT im weitesten Sinne ist der sprichwörtliche "eBay-Betrug", bei dem entweder der Anbieter von Waren oder Leistungen über deren Qualität lügt oder der Bieter über seine Zahlungsbereitschaft. Geschicktere Erscheinungsformen verwenden verdeckte Zahlungswege oder nutzen den Identitätsdiebstahl, womit wir näher an der richtigen IKT-Kriminalität sind.
Neue
Kriminalitätsfelder, das habe ich im Zusammenhang mit dem Skimming
erlebt, verlangen nach einer intensiven Einarbeitung. In Bezug auf die
IKT bedeutet das, sich in die technischen Hintergründe und die
rechtlichen Feinheiten einarbeiten zu müssen. Überall ist Neuland, das
aufwändig bearbeitet werden muss. Das geht nicht einfach 'mal so
nebenbei. |
Auf die IKT spezialisierte Polizisten und Staatsanwälte müssen damit rechnen, mit den unangenehmen Verfahren ihrer Kollegen vollgeschmissen zu werden. Sie werden großzügig mit Abwehrkämpfen befasst sein. Zudem werden die meisten dieser Verfahren "Punktesachen" sein, also Vorgänge mit vielen Einzelfällen und vergleichsweise kleinen Schäden im Einzelfall. Sie haben Brisanz wegen ihrer Häufung und sind extrem arbeitsaufwändig, weil jeder Furz in seinen groben Zügen aufgeklärt, dargestellt und schließlich in der gerichtlichen Hauptverhandlung nachgewiesen werden muss. Die Polizei wünscht sich für jede Erscheinungsform der Kriminalität einen versierten, engagierten und wohlwollenden Ansprechpartner bei der Staatsanwaltschaft. Dafür habe ich Verständnis. Größere Staatsanwaltschaften verfügen über ausgewiesene Fachleute für Wirtschafts-, Betäubungsmittel-, Umwelt- und diverse andere Sachen. Die Kehrseite davon ist, dass mit der Qualifikation einzelner Sachbearbeiter die Verdummung der anderen einhergeht. Gefragt ist deshalb eine Organisationsstrategie, die dort, wo es
Spezialisten bedarf, diese bereitstellt und fördert, und andererseits
ein breites Allgemeinwissen fördert, so dass eben nicht jedes
weithergeholtes Spezialistenwissen auf wenige Schultern verteilt wird. |
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Spezialisten für IKT | ||||
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Jeder Sachbearbeiter braucht Allgemeinwissen, das in groben Zügen Bremswege, Alkoholeinflüsse, Geldverkehr, Gewaltwirkungen und eben auch die Mechanismen der IKT umfasst. Nicht jeder kann Fachmann für alles sein, aber ein Basisverständnis ist von jedem zu erwarten. Daraus folgt zweierlei: Gesellschaftlich weit verbreitete Formen des Handelns müssen von jedem Strafverfolger erkannt und in seinen Grundzügen bewertet werden können. Das verlangt nach Grundbildung und die muss auch die Justiz durch Fortbildung zur Verfügung stellen. Andererseits: Ausfluss dieses Allgemeinwissens sind, bildhaft gesprochen, rote Lämpchen im Hinterkopf, die den Sachbearbeiter warnen, so dass er entscheiden kann, sich weiteres Wissen anzueignen oder Spezialisten zu Rate zu ziehen.
Da müssen
wir hinkommen: Wir brauchen IKT-Allgemeinwissen und IKT-Spezialisten.
Die Spezialisten müssen jedoch frei vom Tagesgeschäft sein, weil sie
sich ganz besonders auch um die eigene Fortbildung, die Fortbildung
ihrer Kollegen und um die Fragen der strategischen
Kriminalitätsbekämpfung kümmern müssen. Das können sie nur, wenn sie
auch praktische Erfahrungen sammeln. Darin dürfen sie aber nicht
ertrinken. |
Das hat wieder 'mal zwei Auswirkungen. Solche Spezialisten gibt es bereits aus eigenem Antrieb; nennen wir sie Hobbyoten. Sie sind selten, aber wertvoll. Daneben gibt es sicherlich latent Interessierte, die angeschoben und gefördert werden müssen. Wenn sie jedoch strukturelle Aufgaben wahrnehmen sollen, dann reicht es nicht, Aufgaben zu verschieben und Stellenanteile umzuschichten, sondern dann müssen mit politischem Willen Ressourcen für Personal und die sachliche Ausstattung bereit gestellt werden, damit IKT-Verantwortliche wirklich arbeiten können. Die zweite Auswirkung ist gleichermaßen banal: Wenn das Allgemeinwissen gefördert werden soll, dann müssen die Leute auch die Gelegenheit haben, es sich anzueignen und zu erproben. Das fordert weitere personelle und sachliche Ressourcen, weil dann noch weniger Zeit für die Sowieso-Aufgabenerledigung zur Verfügung steht.
Die
Diskussion um die Spezialisierung im Zusammenhang mit der IKT führt zur
Gretchenfrage in der Ausprägung, was Staat und Gesellschaft wollen und
was sie bereit sind, dafür zu leisten. Eine IKT-Spezialisierung zum
Nulltarif wird es jedenfalls nicht geben. |
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Cyberfahnder | ||||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |