Cybercrime | Ermittlungen | TK & Internet | Literatur | intern | Impressum |
Fingerabdruck | ||
Zwangsweise Abnahme von Fingerabdrücken beim Dritten | ||
|
|
Der zugrunde liegende Vermerk datiert vom 27.06.2000. Der Sachverhalt wurde für diese Fassung gekürzt und anonymisiert. |
Ausgangsfrage | ||
ob und unter welchen Voraussetzungen Nichtbeschuldigte dazu gezwungen
werden können, Fingerabdrücke zu Vergleichszwecken aufnehmen zu lassen. |
Hätte ich mir die Frage so (wie hier) gestellt, wäre mir die
Antwort leichter gefallen. Dennoch bin ich zu der richtigen Antwort
gelangt. |
|
Sachverhalt | ||
|
|
|
Anzuwendende Vorschriften | ||
Eine negative Abgrenzung zu den Duldungspflichten des Nichtbeschuldigten
im Sinne von
§ 103 StPO unternimmt Senge
(5): Die körperliche
Untersuchung gemäß der
§§ 81a,
81c StPO betreffe den
unbekleideten
Körper. |
Der "Duldungsmaßstab" für den Fall der Aufnahme von Fingerabdrücken lässt sich damit nicht sicher bestimmen. Für einen Anwendungsfall des § 103 StPO spräche, dass die körperliche Durchsuchung neben der Kleidung auch die bloßen Körperteile umfassen dürfte (Kopf und Hände, ggf. auch Arme, Füße, Beine und Oberkörper). Diese Körperteile sind damit Spurenträger und für die Sicherstellung von Beweisgegenständen zugänglich - soweit sich Beweisgegenstände im Sinne von § 94 Abs. 1 StPO am Körper versteckt oder auf ihm haftend befinden. Für den Beschuldigten hat der Gesetzgeber hingegen eine besondere Vorschrift für die Aufnahme von Fingerabdrücken mit dem § 81b StPO geschaffen und somit diese Maßnahme den körperlichen Untersuchungen zur Seite gestellt oder untergeordnet. Dies spricht dafür, dass er die Aufnahme von Fingerabdrücken des Nichtbeschuldigten ebenfalls als Fall der körperlichen Untersuchung verstanden haben will. Für diese systematische Auslegung spricht weiterhin, dass die "Aufnahme" von Fingerabdrücken tiefer in Persönlichkeitsrechte eingreift als die Suche nach Beweisgegenständen gemäß § 103 StPO mit dem Ziel ihrer Sicherstellung ( § 94 Abs. 1 StPO). Danach kommt eine zwangsweise Aufnahme von Fingerabdrücken des Nichtbeschuldigten nur unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81c StPO in Betracht. |
|
Tatbestandliche Voraussetzungen und Verfahren | ||
|
Der Spurengrundsatz, wie ihn die Kommentarliteratur beschreibt, schränkt
den Gesetzeswortlaut zu stark ein. Aus den gesetzessystematischen
Erwägungen, die oben dargelegt sind, muss dieser Spurenbegriff dem
Wortlaut des
§ 81c StPO wieder angepasst werden. |
|
Wenn aus der Systematik der §§ 81a und 81b StPO zu schließen ist, dass auch die Aufnahme von Fingerabdrücken des Nichtbeschuldigten Gegenstand der körperlichen Untersuchung nach § 81c StPO sein soll, so müssen auch die Spureneigenschaften des Körpers dem Spurengrundsatz unterliegen, soweit sie von § 81b StPO benannt werden: Lichtbilder und Fingerabdrücke. Eine andere Auffassung würde keine vernünftige Erklärung dafür liefern
können, warum der Nichtbeschuldigte einerseits gemäß
§ 103 StPO
körperlich durchsucht und seine Kleidung sichergestellt oder als
Sicherstellungssurrogat fotografiert werden kann und andererseits gemäß
§ 81c StPO in tief schamverletzender Weise seine natürlichen
Körperöffnungen nach Tatspuren untersucht werden dürfen, aber die nur
geringfügig in Persönlichkeitsrechte eingreifende Aufnahme von
Fingerabdrücken nicht als Spurensicherstellung möglich sein soll. |
Bei der Entscheidung im Einzelfall sind hohe Anforderungen an die
Verhältnismäßigkeit zu stellen ( § 81c Abs. 4 StPO), wobei das bei der
Bedeutung der Strafsache bestehende Aufklärungsinteresse und das
Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gegeneinander abgewogen werden
müssen. |
|
Anmerkung: Methodik | ||
Es geht um die Methodik. Also um die Frage, wie ich einen Sachverhalt, also ein tatsächliches Geschehen, - darauf reduziere, welche Fakten bedeutend und als sicher (oder beweisbar) vorausgesetzt werden können, - wie ich die Regeln des Gesetzgebers bestimme, die er auf diese oder vergleichbare Konstellationen angewandt wissen will (Gesetze, Verordnungen usw.), - und wie ich das Recht im Einzelfall anzuwenden habe. In den allermeisten Fällen ergeben sich die wichtigsten Hinweise
darauf, wie das Recht anzuwenden ist, aus dem Wortlaut des Gesetzes und
der Systematik, also aus dem Zusammenspiel verschiedener gesetzlicher
Regelungen. |
Nur wenn das Bundesverfassungsgericht über die verfassungsrechtliche Wirksamkeit von Gesetzen entscheidet ( Normenkontrolle, § 13 Nr. 6 bis 8, 10, 11, 12, 14 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG), hat es eine allgemeine Wirkung auf das Recht insgesamt. Im übrigen entscheidet auch das BVerfG wie alle anderen Gerichte im Einzelfall und die weitere Rechts- und Spruchpraxis muss zeigen, ob und wie die gefundene Lösung in anderen Fällen anzuwenden ist. So hat auch das BVerfG mit seinen Allgemeinaussagen schon einmal
neben der Sache entschieden (Verbindungsdaten im Mobiltelefon,
Beschluss vom 04.02.2005 - 2 BvR 308/04) und sich nach heftiger
Kritik später korrigiert (
Urteil vom 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04). Das zeugt von
Professionalität und Größe. |
|
Anmerkung: Fingerabdrücke | ||
|
Fingerabdruck rehabilitiert, Heise online 08.04.2002
Florian Rötzer, Vergleich von Fingerabdrücken kein
wissenschaftliches Verfahren, Telepolis 15.01.2002 |
|
Anmerkungen | ||
(2)
Vergl. LR-Hans Dahs, § 81c StPO, Rn. 2 (24. Aufl.).
(3)
Vergl. z. B. die Zusammenfassung bei Roxin, Strafverfahrensrecht,
München 1998, § 33 A III. (S. 275 f.).
(4) Vergl. z.B. LR-Gerhard Schäfer, § 103 StPO, Rn. 13 (24. Aufl.). |
(6)
LR-Hans Dahs, § 81c StPO, Rn. 12; KMR, § 81c
StPO, Rn. 12 (Stand 1998).
(7)
Einhellige Kommentarmeinung:
Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 81c StPO, Rn. 12 (44. Aufl.); LR-Hans Dahs,
§ 81c StPO, Rn. 14 u.v.a.m. |
|
Cyberfahnder | ||
|
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |