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strafbare Bombenbau-Anleitungen
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Meldungen
Anleitung zu Straftaten
Gegenstand des § 130a StGB
  neutrale Schriften
  Sozialadäquanzklausel
Gefährdungsdelikte und ihr Tatort
Anleitung zu Straftaten als
   abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt

Schriften in nicht deutscher Sprache
geschlossene Benutzerkreise
Kritik und Ergebnisse
Strafverfolgung

Anmerkungen
 


Alle ernsthaften im Internet veröffentlichten Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen und zum Bau von Bomben stellen mit ihrer Veröffentlichung und Verfügbarkeit in Deutschland eine hier vollendete Straftat gemäß § 130a Abs. 1 StGB dar, zu deren Verfolgung die Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip ( § 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet ist. Der Ort, an dem der Täter wohnt, wo er gehandelt hat oder wo die Publikation physikalisch gespeichert ist, ist ebenso unerheblich wie die Sprache, in der die Schrift abgefasst ist. Entscheidend ist nur, dass die Anleitung dazu bestimmt oder geeignet ist, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine nach § 308 StGB strafbare Explosion auszulösen.
 

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Vor Allem gegen Ende des Jahres 2006 fand eine öffentliche Diskussion über Bombenbauanleitungen im Internet statt. Die Zahl der betreffenden Veröffentlichungen in deutscher Sprache soll seit März 2005 mit knapp 36.000 Webseiten bis Dezember 2006 auf etwa 208.000 angestiegen sein (1).

Unter allgemeinen strafrechtlichen Gesichtspunkten stellen die Veröffentlichungen solcher Bauanleitungen allenfalls Vorbereitungshandlungen dar, die noch nicht das Stadium eines strafbaren Versuchs oder einer Anstiftung erreichen, weil sie auf keine nach Ort, Zeit und Art bestimmte Straftat ausgerichtet sind.
 


Mit § 130a StGB hat der Gesetzgeber unter der Überschrift „Anleitung zu Straftaten“ die Verbreitung von Schriften unter Strafe gestellt, wenn sie sich mit der Ermöglichung besonders schwerwiegender Verbrechen befassen. Dazu verweist § 130a StGB auf den Straftatenkatalog in § 126 StGB, der auch das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gemäß § 308 StGB enthält, soweit es sich um keinen minder schweren Fall und um keine Fahrlässigkeitstat handelt ( § 308 Abs. 1 bis Abs. 3 StGB).

In der Kommentarliteratur wird der § 130a StGB mit vielen Hinweisen auf die rechtswissenschaftliche Lehre, aber ohne Verweise auf die Rechtsprechung behandelt.

Mit den „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“ im Internet setzt sich im Zusammenhang mit der Volksverhetzung gemäß  § 130 StGB ein Urteil des Bundesgerichtshofes auseinander ( Urteil vom 12.12.2000 – 1 StR 184/00 = BGHSt 46, 212), das in seinen wesentlichen Teilen auch auf die Anleitung zu Straftaten anzuwenden ist.
 

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Unter Verweis auf die Definition von Schriften in § 11 Abs. 3 StGB, die auch Datenspeicher in elektronischer Form umfassen, widmet sich § 130a StGB allen Schriften, die geeignet sind, zu einer in § 126 Abs. 1 StGB genannten rechtswidrigen Tat anzuleiten, und umfasst gleichermaßen jene, die dazu ausdrücklich bestimmt sind ( § 130a Abs. 1), als auch die „neutralen Schriften“ ( § 130a Abs. 2 Nr. 1), die ohne Aufforderungscharakter „geeignet“ sind, als Anleitung zu diesen Taten zu dienen. Die Veröffentlichung im Internet ist unter die Verbreitungsmerkmale „verbreiten“ als aktives Zusenden (z.B. als E-Mail oder Newsletter) oder „zugänglich machen“ als Bereithalten zum Abruf (z.B. auf einer Homepage) zu fassen (2).
 
Die Veröffentlichung muss geeignet sein, als Anleitung zu einer Katalogtat zu dienen. Als Anleitung wird eine unterrichtende Vermittlung von Kenntnissen verstanden, die die Katalogtat ermöglichen, ohne dass der Verfasser die Tat billigt oder zu ihrer Begehung auffordert. Geeignet ist die Publikation, wenn sie mehr als eine allgemeine Informationsquelle (Patentschriften, Lehrbücher usw.) konkrete Sachverhalte zum Gegenstand hat und vollständig behandelt (3). Tröndle/Fischer (4) vertreten die Auffassung, dass grundsätzlich auch wissenschaftliche Erläuterungen technischer Art „geeignet“ sind, wenn sie auch zur Begehung rechtswidriger Taten verwendet werden können, weil sie zum Beispiel die Herstellung von Waffen, von Sprengstoff oder deren Handhabung behandeln (5).
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  Eine wichtige Einschränkung und einen Tatbestandsausschluss stellt § 130a Abs. 3 StGB dar (Sozialadäquanzklausel), der auf § 86 Abs. 3 StGB verweist und damit künstlerische, wissenschaftliche und journalistische Schriften über die Geschichte und die Zeitgeschichte von der tatbestandlichen Strafbarkeit ausschließt. Die Klausel eröffnet jedoch einen offenen Widerspruch zwischen der Eignung technisch orientierter, neutraler Schriften ( § 130a Abs. 2 Nr. 1 StGB), die den Straftatbestand erfüllen, und privilegierten Schriften, deren Strafbarkeit tatbestandlich ausgeschlossen ist. Die Abgrenzung im Einzelfall bereitet Schwierigkeiten.

Tröndle/Fischer (6) vertreten dazu die Auffassung, dass das Kriterium der Eignung den Vorzug verdient, so dass auch neutrale, aber als Anleitung geeignete Schriften nicht dem Tatbestandsausschluss nach Abs. 3 unterliegen. Die Eignung ist jedoch in beiden Tatbestandsalternativen zur Verbreitung Voraussetzung der Strafbarkeit.
 
Folgt man den Kommentatoren, so könnten sich neutrale wissenschaftliche Schriften als strafbar und böswillige journalistische als nicht strafbar erweisen. Dieses Ergebnis kann weder vom Gesetzgeber noch von den Autoren des Grundgesetzes gewollt sein.

Im Interesse einer grundrechtskonformen Auslegung stellt die Sozialadäquanzklausel meines Erachtens die Eignung der Schrift als Anleitung grundsätzlich in Frage. Schriften aus dem Schutzbereich der Kunst, Wissenschaft und Lehre können deshalb nur ausnahmsweise als Anleitung geeignet sein. Im Hinblick auf die Meinungsfreiheit wird sich die Auslegung im Einzelfall an dessen Besonderheiten, an der Form und Wortwahl und im Hinblick auf § 130a Abs. 1 StGB vor Allem an der Intension des Verfassers und den Rechtsgütern orientieren müssen, die die Strafnorm besonders schützen will.
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Neben der Unterscheidung zwischen konkreten (z.B. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c StGB) und abstrakten Gefährdungsdelikten (z.B. Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB) hat der Bundesgerichtshof besonders die „abstraktkonkreten“ Gefährdungsdelikte mit der praktischen Konsequenz betrachtet, dass Volksverhetzungen und ihnen folgend Anleitungen zu Straftaten gemäß § 9 Abs. 1 StGB einen Erfolgsort in Deutschland haben, auch wenn der Täter Ausländer ist und im Ausland (in englischer Sprache) gehandelt hat (7).

Konkrete Gefährdungsdelikte haben ihren Erfolgsort dort, wo die Gefahr eintritt. Der inländische Erfolgsort führt gemäß § 9 Abs. 1 StGB unmittelbar zur Anwendung des deutschen Strafrechts. Wegen der abstrakten Gefährdungsdelikte ist es streitig, ob sie einen Erfolgsort haben, so dass der ausschließlich im Ausland handelnde Täter nicht dem deutschen Strafrecht unterliegt (8).
 

 
Die abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte (auch „potentielle“ Gefährdungsdelikte) begreift der BGH als eine Untergruppe der abstrakten, von denen sie sich dadurch unterscheiden, dass sie sich zur Störung des öffentlichen Friedens eignen, ohne dass eine bestimmte Gefahr durch sie eingetreten ist. Sie sind den konkreten Gefährdungsdelikten vergleichbar und haben einen inländischen Erfolgsort, wenn sie als Veröffentlichung im Internet jedem Nutzer in Deutschland „ohne weiteres zugänglich“ sind und „gerade deutsche Internet-Nutzer ... zum Adressatenkreis der Publikationen ... gehören sollen“ (9).

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  als abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt

Die hier behandelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes orientiert sich an dem Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Insoweit argumentiert der BGH damit, dass neben dem Inhalt der Schrift auch ihre Eignung geprüft werden muss, ob sie den öffentlichen Frieden gefährdet.

Denselben tatbestandlichen Aufbau hat der Gesetzgeber bei der Anleitung zu Straftaten gewählt, so dass auch dieser Tatbestand als ab-strakt-konkretes Gefährdungsdelikt anzusehen ist.

Für die Strafverfolgungspraxis hat das zur Folge, dass alle Bombenbauanleitungen, die in Deutschland prinzipiell erreichbar sind – und das sind alle, die öffentlich im Internet präsentiert werden – einen inländischen Erfolgsort haben und deshalb nach deutschem Strafrecht von den deutschen Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden müssen.
 
nicht deutscher Sprache

In dem vom BGH entschiedenen Fall zur Volksverhetzung handelte der Täter in Australien und verfasste die Schriften in englischer Sprache. Dessen ungeachtet geht der BGH davon aus, dass sich seine Schriften an das deutsche Internetpublikum richten, weil sie „einen nahezu ausschließlichen Bezug zu Deutschland“ haben (10).

Die Verwendung der deutschen Sprache ist somit ein starkes Indiz für den auf Deutschland gerichteten Bezug, aber kein Ausschlusskriterium. Auch für deutsche Internetnutzer wird wie für alle westlichen Teilnehmer gelten, dass Englisch die wohl am meisten verbreitete Umgangssprache im Internet ist.

Dasselbe dürfte für andere Fremdsprachen gelten, wenn mit ihnen besonders sprachliche Minderheiten oder Mehrsprachler angesprochen werden sollen. Unübliche Fremdsprachen dürften hingegen nicht zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet sein, insbesondere dann nicht, wenn sie im fernen Osten beheimatet sind und über besondere Schriftzeichen verfügen.
 
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Die Volksverhetzung und die Anleitung zu Straftaten heben das Verbreiten friedensstörender Inhalte hervor. Damit unterscheiden sie sich ganz besonders von dem Verbreiten gewalt-, tier- und kinderpornographischer Schriften ( §§ 184a, 184b StGB), deren Herstellung und wegen der kinderpornographischen Schriften auch deren Besitz strafbar ist. Ihre Verfolgung wurde außerdem dem Weltrechtsprinzip unterstellt ( § 6 Nr. 6 StGB).

Nach der breiten Anlage der tatbestandlichen Handlungen im Zusammenhang mit pornographischen Schriften muss sich deren Strafverfolgung nicht auf den öffentlichen Teil des Internets beschränken, sondern kann auch geschlossene Nutzergruppen mit besonderen Zugangssicherungen umfassen.
 

 
Nach ihrer Ausrichtung auf die Gefährdung des öffentlichen Friedens erfordern die Volksverhetzung und die Anleitung zu Straftaten ein Handeln in der Öffentlichkeit, so dass solche Schriften grundsätzlich ausgenommen sind, die nur den Teilnehmern einer geschlossenen Benutzergruppe zugänglich sind.

Der öffentliche Hinweis auf Schriften gegen den öffentlichen Frieden in geschlossenen Benutzergruppen dürfte jedenfalls nicht nach den §§ 130, 130a StGB strafbar sein. Insoweit können im Einzelfall nur die (konkrete) öffentliche Aufforderung zu (künftigen) Straftaten gemäß § 111 StGB und die Belohnung und Billigung von (geschehenen) Straftaten nach § 140 StGB erfüllt sein (ggf. auch § 86 StGB).
 

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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führt zu einer starken Ausweitung der deutschen Strafgewalt, indem er einen inländischen Erfolgsort bei abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten im Zusammenhang mit elektronischen Publikationen im Internet annimmt. Seine Ableitung und Auslegung sind stimmig und wissenschaftlich nicht zu beanstanden.

Das immanente Problem der Straftaten gegen den öffentlichen Frieden ist ihre Nähe zum Gesinnungsstrafrecht, indem sie als Gefährdungsdelikte formuliert sind und dem Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit entgegen wirken. Das rechtfertigt nur die besondere Gefährlichkeit für das gesellschaftliche Zusammenleben und die demokratische Ordnung, die von gemeingefährlichen und schweren Straftaten oder von der Förderung des Hasses und der Herabwürdigung von Bevölkerungsteilen ausgehen.
 


Allerdings lässt der BGH eine Auseinandersetzung mit der Sozialadäquanzklausel vermissen, die sowohl in § 130 Abs. 6 als auch in § 130 Abs. 3 StGB die Strafbarkeit einschränkt. Insoweit führt er nur aus, dass die fraglichen Schriften nicht der Wissenschaft, Forschung oder Lehre dienen und nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt seien.

Besonders die neutralen Anleitungen zum Bombenbau und zur Herstellung von Sprengstoffen werden die Rechtspraxis zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der Eignungs- und der Sozialadäquanzklausel zwingen. Ich bin insoweit der Meinung, dass sich auch die Eignungsklausel der Wertordnung der Grundrechte stellen muss und sie die strafrechtliche Eingriffstiefe in die Meinungsfreiheit, journalistische Berichterstattung und wissenschaftliche Auseinandersetzung beschränkt.

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Die Strafverfolgungspraxis wird sich den Bombenbauanleitungen im Internet stellen müssen. Sie eignen sich grundsätzlich als Anleitungen zur Ermöglichung eines Verbrechens nach § 308 StGB, so dass das Legalitätsprinzip zur Strafverfolgung zwingt ( § 152 Abs. 2 StPO). Auf diese Herausforderung haben Polizei und Staatsanwaltschaft bislang nicht reagiert.
 


Wie bei anderen Straftaten auch, die mit der Verbreitung im Internet zu tun haben (das gilt besonders für kinderpornographische Schriften), stellt sich das Problem der Masse von Verfahren. Legt man die journalistischen Daten zu Grunde, muss mit mindestens 200.000 Einzelverfahren gerechnet werden, die nur deutschsprachige Bombenbauanleitungen betreffen und prinzipiell überall in Deutschland ihren Erfolgsort haben. Das überfordert alle Ressourcen, die bei der Polizei, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten zur Verfügung stehen.
 

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(1) News-Report.de, Mehr als 200.000 gefährliche Anleitungen zum Bombenbau im Internet, 06.12.2006
Martin Fiutak, Internet macht Bombenbau zum Kinderspiel, ZDNet.de 06.12.2006

(2) siehe auch Tröndle/Fischer, § 184 StGB, Rn. 23 (Verbreiten in Datennetzen)

(3) z.B. Heeresvorschrift zum „Brückensprengen im Verteidigungsfall“, Tröndle/Fischer, § 130a StGB, Rn. 8 unter Verweis auf BT-Drs. 10/6286

(4) ebenda, Rn. 9

(5) z.B. Gebrauchsanweisungen für Zielfernrohre und Nachtsichtgeräte, in denen die erreichbare hohe Treffergenauigkeit hervorgehoben wird, ebenda

(6) § 130a StGB, Rn. 22
 


(7) Urteil vom 12.12.2000 – 1 StR 184/00 = BGHSt 46, 212

(8) wenn keine ausdrückliche Auslandstat gemäß §§ 4 bis 7 StGB vorliegt; das ist z.B. beim Verbreiten von Kinderpornographie der Fall: § 6 Nr. 6 StGB

(9) ebenda

(10) ebenda

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018