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strafbare Bombenbau-Anleitungen | ||
strafbare Bombenbau-Anleitungen im Internet | ||
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Meldungen | Anleitung zu Straftaten | |
Unter allgemeinen strafrechtlichen Gesichtspunkten stellen die
Veröffentlichungen solcher Bauanleitungen allenfalls
Vorbereitungshandlungen dar, die noch nicht das Stadium eines strafbaren
Versuchs oder einer Anstiftung erreichen, weil sie auf keine nach Ort,
Zeit und Art bestimmte Straftat ausgerichtet sind. |
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Gegenstand des § 130a StGB | ||
Unter Verweis auf die Definition von Schriften in § 11 Abs. 3 StGB, die auch Datenspeicher in elektronischer Form umfassen, widmet sich § 130a StGB allen Schriften, die geeignet sind, zu einer in § 126 Abs. 1 StGB genannten rechtswidrigen Tat anzuleiten, und umfasst gleichermaßen jene, die dazu ausdrücklich bestimmt sind ( § 130a Abs. 1), als auch die „neutralen Schriften“ ( § 130a Abs. 2 Nr. 1), die ohne Aufforderungscharakter „geeignet“ sind, als Anleitung zu diesen Taten zu dienen. Die Veröffentlichung im Internet ist unter die Verbreitungsmerkmale „verbreiten“ als aktives Zusenden (z.B. als E-Mail oder Newsletter) oder „zugänglich machen“ als Bereithalten zum Abruf (z.B. auf einer Homepage) zu fassen (2). |
Die Veröffentlichung muss geeignet sein, als Anleitung zu einer Katalogtat zu dienen. Als Anleitung wird eine unterrichtende Vermittlung von Kenntnissen verstanden, die die Katalogtat ermöglichen, ohne dass der Verfasser die Tat billigt oder zu ihrer Begehung auffordert. Geeignet ist die Publikation, wenn sie mehr als eine allgemeine Informationsquelle (Patentschriften, Lehrbücher usw.) konkrete Sachverhalte zum Gegenstand hat und vollständig behandelt (3). Tröndle/Fischer (4) vertreten die Auffassung, dass grundsätzlich auch wissenschaftliche Erläuterungen technischer Art „geeignet“ sind, wenn sie auch zur Begehung rechtswidriger Taten verwendet werden können, weil sie zum Beispiel die Herstellung von Waffen, von Sprengstoff oder deren Handhabung behandeln (5). |
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Eine wichtige Einschränkung und einen Tatbestandsausschluss stellt
§
130a Abs. 3 StGB dar (Sozialadäquanzklausel), der auf
§ 86 Abs. 3 StGB
verweist und damit künstlerische, wissenschaftliche und journalistische
Schriften über die Geschichte und die Zeitgeschichte von der
tatbestandlichen Strafbarkeit ausschließt. Die Klausel eröffnet jedoch
einen offenen Widerspruch zwischen der Eignung technisch orientierter,
neutraler Schriften ( § 130a Abs. 2 Nr. 1 StGB), die den Straftatbestand
erfüllen, und privilegierten Schriften, deren Strafbarkeit
tatbestandlich ausgeschlossen ist. Die Abgrenzung im Einzelfall bereitet
Schwierigkeiten. Tröndle/Fischer (6) vertreten dazu die Auffassung, dass das Kriterium der Eignung den Vorzug verdient, so dass auch neutrale, aber als Anleitung geeignete Schriften nicht dem Tatbestandsausschluss nach Abs. 3 unterliegen. Die Eignung ist jedoch in beiden Tatbestandsalternativen zur Verbreitung Voraussetzung der Strafbarkeit. |
Folgt man den Kommentatoren, so könnten sich neutrale
wissenschaftliche Schriften als strafbar und böswillige journalistische
als nicht strafbar erweisen. Dieses Ergebnis kann weder vom Gesetzgeber
noch von den Autoren des Grundgesetzes gewollt sein. Im Interesse einer grundrechtskonformen Auslegung stellt die Sozialadäquanzklausel meines Erachtens die Eignung der Schrift als Anleitung grundsätzlich in Frage. Schriften aus dem Schutzbereich der Kunst, Wissenschaft und Lehre können deshalb nur ausnahmsweise als Anleitung geeignet sein. Im Hinblick auf die Meinungsfreiheit wird sich die Auslegung im Einzelfall an dessen Besonderheiten, an der Form und Wortwahl und im Hinblick auf § 130a Abs. 1 StGB vor Allem an der Intension des Verfassers und den Rechtsgütern orientieren müssen, die die Strafnorm besonders schützen will. |
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Gefährdungsdelikte und ihr Tatort | ||
Konkrete Gefährdungsdelikte haben ihren Erfolgsort dort, wo die Gefahr
eintritt. Der inländische Erfolgsort führt gemäß
§ 9 Abs. 1 StGB
unmittelbar zur Anwendung des deutschen Strafrechts. Wegen der
abstrakten Gefährdungsdelikte ist es streitig, ob sie einen Erfolgsort
haben, so dass der ausschließlich im Ausland handelnde Täter nicht dem
deutschen Strafrecht unterliegt
(8). |
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Anleitung zu Straftaten | Schriften in | |
als abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt Die hier behandelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes orientiert sich an dem Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Insoweit argumentiert der BGH damit, dass neben dem Inhalt der Schrift auch ihre Eignung geprüft werden muss, ob sie den öffentlichen Frieden gefährdet. Denselben tatbestandlichen Aufbau hat der Gesetzgeber bei der Anleitung zu Straftaten gewählt, so dass auch dieser Tatbestand als ab-strakt-konkretes Gefährdungsdelikt anzusehen ist. Für die Strafverfolgungspraxis hat das zur Folge, dass alle Bombenbauanleitungen, die in Deutschland prinzipiell erreichbar sind – und das sind alle, die öffentlich im Internet präsentiert werden – einen inländischen Erfolgsort haben und deshalb nach deutschem Strafrecht von den deutschen Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden müssen. |
nicht deutscher Sprache In dem vom BGH entschiedenen Fall zur Volksverhetzung handelte der Täter in Australien und verfasste die Schriften in englischer Sprache. Dessen ungeachtet geht der BGH davon aus, dass sich seine Schriften an das deutsche Internetpublikum richten, weil sie „einen nahezu ausschließlichen Bezug zu Deutschland“ haben (10). Die Verwendung der deutschen Sprache ist somit ein starkes Indiz für den auf Deutschland gerichteten Bezug, aber kein Ausschlusskriterium. Auch für deutsche Internetnutzer wird wie für alle westlichen Teilnehmer gelten, dass Englisch die wohl am meisten verbreitete Umgangssprache im Internet ist. Dasselbe dürfte für andere Fremdsprachen gelten, wenn mit ihnen besonders sprachliche Minderheiten oder Mehrsprachler angesprochen werden sollen. Unübliche Fremdsprachen dürften hingegen nicht zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet sein, insbesondere dann nicht, wenn sie im fernen Osten beheimatet sind und über besondere Schriftzeichen verfügen. |
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Geschlossene Benutzerkreise | ||
Nach der breiten Anlage der tatbestandlichen Handlungen im Zusammenhang
mit pornographischen Schriften muss sich deren Strafverfolgung nicht auf
den öffentlichen Teil des Internets beschränken, sondern kann auch
geschlossene Nutzergruppen mit besonderen Zugangssicherungen umfassen. |
Der öffentliche Hinweis auf Schriften gegen den öffentlichen Frieden in
geschlossenen Benutzergruppen dürfte jedenfalls nicht nach den
§§ 130,
130a StGB strafbar sein. Insoweit können im Einzelfall nur die (konkrete)
öffentliche Aufforderung zu (künftigen) Straftaten gemäß
§ 111 StGB und
die Belohnung und Billigung von (geschehenen) Straftaten nach
§ 140 StGB
erfüllt sein (ggf. auch
§ 86 StGB). |
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Kritik und Ergebnisse | ||
Das immanente Problem der Straftaten gegen den öffentlichen Frieden ist
ihre Nähe zum Gesinnungsstrafrecht, indem sie als Gefährdungsdelikte
formuliert sind und dem Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit
entgegen wirken. Das rechtfertigt nur die besondere Gefährlichkeit für
das gesellschaftliche Zusammenleben und die demokratische Ordnung, die
von gemeingefährlichen und schweren Straftaten oder von der Förderung
des Hasses und der Herabwürdigung von Bevölkerungsteilen ausgehen. |
Besonders die neutralen Anleitungen zum Bombenbau und zur Herstellung von Sprengstoffen werden die Rechtspraxis zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der Eignungs- und der Sozialadäquanzklausel zwingen. Ich bin insoweit der Meinung, dass sich auch die Eignungsklausel der Wertordnung der Grundrechte stellen muss und sie die strafrechtliche Eingriffstiefe in die Meinungsfreiheit, journalistische Berichterstattung und wissenschaftliche Auseinandersetzung beschränkt. |
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Strafverfolgung | ||
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Anmerkungen | ||
(2) siehe auch Tröndle/Fischer, § 184 StGB, Rn. 23 (Verbreiten in Datennetzen) (3) z.B. Heeresvorschrift zum „Brückensprengen im Verteidigungsfall“, Tröndle/Fischer, § 130a StGB, Rn. 8 unter Verweis auf BT-Drs. 10/6286 (4) ebenda, Rn. 9 (5) z.B. Gebrauchsanweisungen für Zielfernrohre und Nachtsichtgeräte, in denen die erreichbare hohe Treffergenauigkeit hervorgehoben wird, ebenda
(6) § 130a StGB, Rn.
22 |
(8) wenn keine ausdrückliche Auslandstat gemäß §§ 4 bis 7 StGB vorliegt; das ist z.B. beim Verbreiten von Kinderpornographie der Fall: § 6 Nr. 6 StGB (9) ebenda (10) ebenda |
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Cyberfahnder | ||
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© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |