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September 2008
06.09.2008 Vorratsdatenhaltung
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Verlängerung der Aussetzung des Vollzuges
   
BVerfG, Beschluss vom 01.09.2008 - 1 BvR 256/08:
 
1. Die einstweilige Anordnung vom 11. März 2008 (...) wird für die Dauer von sechs Monaten, längstens jedoch bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, wiederholt ( § 32 Abs. 6 S. 2 BVerfGG).
 
2. Die Bundesregierung hat dem Bundesverfassungsgericht für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 1. Februar 2009 zum 1. März 2009 nach Maßgabe der Gründe des Beschlusses über den Erlass der einstweiligen Anordnung vom 11. März 2008 erneut über die praktischen Auswirkungen der in § 113a des Telekommunikationsgesetzes vorgesehenen Datenspeicherungen und der einstweiligen Anordnung zu berichten. Die Länder und der Generalbundesanwalt haben der Bundesregierung die für den Bericht erforderlichen Informationen zu übermitteln.

Gründe:

Die Verlängerung der einstweiligen Anordnung beruht auf denselben Gründen wie die Anordnung vom 11. März 2008. Eine Änderung oder Ergänzung der Entscheidung im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern mit einem erneuten Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG geltend gemachten neuen Gesichtspunkte, insbesondere auf Nachteile in Folge der insoweit prüfungsbedürftigen neuen Zugriffsmöglichkeiten des Bayerischen Rechts, bleibt nach Ablauf einer Frist zur Stellungnahme vorbehalten. Entsprechendes gilt für etwaige Änderungen in Folge der Ergebnisse des Berichts der Bundesregierung zu den bisherigen praktischen Auswirkungen der in § 113a des Telekommunikationsgesetzes vorgesehenen Datenspeicherungen und der einstweiligen Anordnung vom 11. März 2008.
 

 
Mit der einstweiligen Anordnung vom 11.03.2008 (1) hat das BVerfG den Vollzug des § 113a TKG über die Speicherungspflichten bei Vorratsdaten (Verkehrsdaten) insoweit ausgesetzt, so dass die Zugangsprovider zwar den Speicherungspflichten unterliegen, wegen der Herausgabe dieser Daten jedoch vorerst Beschränkungen unterliegen.

Verkehrsdaten darf der Zugangsprovider vorerst auf der Grundlage eines Beschlusses oder einer Eilentscheidung bei Gefahr im Verzug gemäß § 100g StPO nur dann an die Strafverfolgungsbehörden übermitteln, wenn sie für ein Ermittlungsverfahren bestimmt sind, das wegen besonders schwerer Straftaten aus dem Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO geführt wird.

Die Verkehrsdaten, die für Ermittlungszwecke im übrigen erfordert werden, also
wegen anderer schwerer Straftaten oder
wegen Straftaten vermittels eines TK-Endgerätes,
müssen vom Provider zwar gespeichert werden, dürfen aber bis zur abschließenden Entscheidung des BVerfG über die anhängige Verfassungsbeschwerde nicht herausgegeben werden (Freeze-Verfahren).

Mit Beschluss vom 01.09.2008 - 1 BvR 256/08 - hat das BVerfG jetzt die Fortdauer der Aussetzung des Gesetzesvollzuges angeordnet und der Bundesregierung erneut umfassende Berichtspflichten aufgegeben [Text siehe links; (2)].

 
Mit Schreiben vom 26.08.2008 hat die Bundesregierung dem BVerfG über die angeordnete Sondererhebung für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.07.2008 berichtet (3) . Darin heißt es u.a.:

Es ist von einigen Ländern darauf hingewiesen worden, dass die Zahlen insbesondere deshalb kein vollständiges Bild ergeben, da in der Praxis aus Gründen der Verfahrensökonomie teilweise auf Anträge nach § 100g StPO verzichtet worden ist, wenn absehbar war, dass die Abfrage erfolglos sein würde ... Im übrigen wurden die Anordnungen nicht vollständig erfasst, die im staatsanwaltschaftlichen Eildienst erfolgten.

Nach der Anlage zu dem Schreiben meldeten die Bundesländer und der Generalbundesanwalt insgesamt 2.186 Ermittlungsverfahren, in denen Anordnungen über Verkehrsdaten erfolgten, darunter führend Baden-Württemberg (359) und Bayern (358) sowie Nordrhein-Westfalen (306). In 934 Verfahren wurden dabei ausschließlich auf rückwirkende Vorratsdaten Zugriff genommen. Ein oberflächlicher Blick auf die Zahlen im übrigen zeigt, dass ganz überwiegend besonders schwere Straftaten aus dem Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO Veranlassung zur Verkehrsdatenabfrage geboten haben (4).

Aufgrund der erneuten Berichtsauflage wird zunächst die Bundesregierung die Länder und diese werden die Strafverfolgungsbehörden zu einer weiteren Sondererhebung verpflichten, die personelle Kapazitäten binden wird. Deren Ergebnis wird wahrscheinlich nicht viel anders aussehen, als das der abgeschlossenen.

Am 31.12.2008 endet die Übergangsfrist für die Speicherung der Vorratsdaten. Aufgrund der Frist für den Bericht der Bundesregierung zum 01.03.2009 ist mit einer abschließenden Entscheidung des BVerfG vorerst nicht zu rechnen.
 

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(1) BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 BvR 256/08 -

(2) Der Beschluss wurde noch nicht offiziell vom BVerfG veröffentlicht, sondern bislang nur auf der Homepage von RA Starostik. Deshalb wird der Text hier auch im Wortlaut wieder gegeben.
 

 
(3) Bundesregierung legt erste Zahlen zur Nutzung der TK-Vorratsdaten vor, Heise online 03.09.2008

(4) siehe auch Bundesverfassungsgericht verlängert Schranken bei Vorratsdatenspeicherung, Heise online 04.09.2008
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018