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November 2008
22.11.2008 Mehrheiten
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Zunächst wollte ich schreiben: Demokratische Entrüstung. Das wäre aber falsch gewesen.

Der Bundesinnenminister hat eine Grundgesetzänderung verlangt, die bei Abstimmungen in den Bundesgremien dazu führen soll, dass anstelle der absoluten Mehrheit die einfache Mehrheit für die Zustimmung zu einem Gesetzgebungsvorhaben ausreichen soll.

Dagegen stürmt die Entrüstung (1).

Warum eigentlich?

Es gibt eine immer 'mal wieder an der 5-Prozent-Hürde scheiternde Partei, die es häufig schafft, als Koalitionspartner Regierungsmehrheiten zu verschaffen. Mit ihren Partnern vereinbart sie grundlegende Weichenstellungen, die sie nicht mittragen will und die deshalb auch die betreffende (Landes-) Regierung nicht unterstützen darf.

Soweit ist nichts zu beanstanden.

Die Folge davon ist, dass sich die betreffenden Landesregierungen im Bundesrat bei den Gesetzgebungsvorhaben, die der kleinen Partei nicht passen, der Stimme enthalten. Im System der absoluten Mehrheit (bei knappen Mehrheiten) führt das dazu, dass die Enthaltungen jeweils wie ein "Nein" wirken.
 

 
Der Enthaltungsstrategie bei Entscheidungen, die der absoluten Mehrheit bedürfen, kann man auch eine tief undemokratische Grundhaltung vorwerfen. Die Enthaltung enthält nämlich die Ansage: "Ich will keine Verantwortung übernehmen. Macht Ihr 'mal!" Wenn diese Verweigerung wie ein ernsthaftes "Nein" wirkt, dann ist sie unernst und einer Demokratie unwürdig.

Es gibt Grundsatzentscheidungen, die den Bestand der Grundordnung selber betreffen und die deshalb mit vollem Recht einer qualifizierten Mehrheit unterworfen sind ( Art 79 Abs. 2 GG, Art 81 Abs. 4 GG).

Art 121 GG definiert die verfassungsrechtliche Mehrheit anhand der Zahl der zur Entscheidung berufenen Gremienmitglieder. Diese Vorschrift verhindert, dass Minderheitsvertreter verfolgt und dadurch an ihrer Stimmabgabe gehindert werden können. Die Enthaltung ist jedoch etwas anderes. Sie ist eine Verweigerung, die die Demokratie nicht hinnehmen muss.

Selten bin ich mit dem Bundesinnenminister Schäuble einer Meinung. In dieser Sache: Ja!
 

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(1) Florian Rötzer, Machtpolitische Erosion des Grundgesetzes, Telepolis 22.11.2008

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018