Cybercrime | Ermittlungen | TK & Internet | Literatur | intern | Impressum |
August 2009 |
|
|
||||||
zweifelhafte Besetzung |
|
§ 76 Abs. 1 GVG stellt als Leitbild auf, dass die großen Strafkammern des Landgerichts mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern besetzt sind. Hinzu kommen zwei Laienrichter ( Schöffen). Sie müssen in der Hauptverhandlung ununterbrochen anwesend sein ( § 226 Abs. 1 StPO). Die Vorschrift spricht von zwei weiteren Funktionsstellen: Ein Protokollführer und die Staatsanwaltschaft müssen ebenfalls ständig anwesend sein. Ihre Aufgaben können jedoch von wechselnden Personen wahrgenommen werden. Erkrankt eine Gerichtsperson, dann kann die Hauptverhandlung in Umfangssachen länger unterbrochen werden ( § 229 Abs. 3 StPO). Nach der üblichen Arbeitsteilung in einer großen Strafkammer kommt dem Vorsitzenden die Aufgabe der Verhandlungsleitung zu. Noch tiefer in den Prozessstoff muss der zweite Berufsrichter eingearbeitet sein. Er ist nicht nur "Beisitzer", sondern auch der Berichterstatter, der die Hauptverhandlung wegen aller Rechts- und Sachfragen vorbereitet und am Ende den Entwurf des Urteils schreiben muss. Dem dritten Berufsrichter kommt in aller Regel eine rein beobachtende Rolle zu; nur selten findet eine Arbeitsteilung zwischen den beisitzenden Berufsrichtern in derselben Strafsache statt. Böswillige Zungen sprechen deshalb gelegentlich vom dritten Berufsrichter als den "Beischläfer".
§ 76 Abs. 2 GVG stellt sich dem allgemeinen Leitbild entgegen und
bestimmt, dass die "normale" große Strafkammer mit 2 Berufsrichtern
besetzt sein muss. |
Die Folge davon ist, dass die Dreierbesetzung zum Regelfall wird, ohne dass davon erkennbare Vorteile zu erwarten sind. Nur für das Schwurgericht, das für die Verhandlung über äußerst schwere Verbrechen zuständig ist ( § 74 Abs. 2 GVG), ist die Dreierbesetzung ohne Ausnahme vorgeschrieben ( § 76 Abs. 2 GVG). An der Beratung nehmen die Berufsrichter und Schöffen mit gleicher Stimme teil ( § 196 GVG). Von ihr ausgeschlossen sind auch die Ergänzungsrichter und -schöffen. Sie spielen eine besondere Rolle ( § 192 Abs. 2, 3 GVG) und dienen der Verfahrenssicherung in unwägbaren Umfangsverfahren. Sie müssen während der ganzen Hauptverhandlung anwesend sein, sind aber von den Beratungen und Entscheidungen des Gerichts ausgeschlossen. Nur dann, wenn ein Berufsrichter oder ein Schöffe wegen Krankheit oder aus anderen Gründen ausfällt ( §§ 22 ff. StPO) und dadurch die weitere Hauptverhandlung gefährdet wird, rücken sie in den Spruchkörper nach und werden zu seinem stimmberechtigten Vollmitglied.
Im
Zusammenhang mit der hier besprochenen BGH-Entscheidung wäre es deshalb
näher liegend, die Verfahrenssicherung durch Ergänzungsrichter als durch
beisitzende Vollmitglieder des Spruchkörpers zu diskutieren. Aber das
ist vielleicht zu profan und praxisnah. |
||||
Anmerkungen | ||||||
|
||||||
Cyberfahnder | ||||||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |