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Juli 2010 |
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kommunizierende Schwärme und zugeneigte Banden |
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Kommunizierenden Schwärme sind keine klassischen Banden unter Anführung eines Räuberhauptmanns, sondern tatgeneigte Neigungsgruppen mit einer kulturellen, sprachlichen oder fachlichen Identität. Auch sie kennen Führungspersonen und charismatische Förderer. Insgesamt bilden sie Subkulturen und abgeschottete Normensysteme, wobei sie sich durch ihre Gruppenidentität und Bereitschaft auszeichnen, äußere Norm- und Rechtsordnungen zu ignorieren. Mit anderen Worten: Die Schwarmbeteiligten betrachten sich und ihre Identitätsgruppe als unabhängig von der Außenwelt und sind in Bezug auf kriminelle Aktivitäten grundsätzlich tatgeneigt. In den Fällen, in denen das Gesetz Straftaten zu Bandendelikten
qualifiziert, handeln nach meiner Überzeugung die "kommunizierenden
Schwärmer" als Bandentäter. |
Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich alle Bandenmitglieder persönlich miteinander verabreden oder einander kennen (4). Allein die nicht im Einzelnen belegte „Kooperation“ zweier Gruppen lässt
der BGH hingegen nicht genügen und fragt nach den Einzelheiten der
gegenseitigen Unterstützung bei im Übrigen selbständigen Gruppen
(5).
Andererseits hat das Gericht die vorbereitende Beschaffung eines
Firmenmantels, unter dessen Struktur die Komplizen selbständig
betrügerische Geschäfte begehen
(6), und spontan wirkende Zusammenschlüsse
als qualifizierte Bandentaten angesehen, wenn sie gleichartige
Straftaten einer umgrenzbaren Tätergruppe sind
(7). |
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Neuere Erscheinungsformen arbeitsteiliger Tätergruppen pflegen intensive Kommunikationsbeziehungen innerhalb einer abgrenzbaren Gruppe, deren Beteiligte nach Maßgabe eines Grundkonsenses handeln: Keiner muss zur Begehung von Straftaten überredet werden, sie sind durchweg tatgeneigt und zur kriminellen Zusammenarbeit in wechselnden Konstellationen bereit. Dabei binden sie sich in aller Regel nicht über den einzelnen Vorgang hinaus, bleiben aber kontinuierlich in Kontakt zueinander und finden sich immer wieder zur gemeinsamen Begehung verschiedener Taten zusammen. Sie verbindet miteinander, dass sie einen Beuteanteil aus dem einzelnen „Geschäft“ erzielen oder durch ihre Beteiligung bereits bestehende Schulden getilgt haben wollen. Der Grundkonsens ist leitend für die Tatausführung im Einzelnen. Jedenfalls dann, wenn die Schwarmtäter mindestens zweimal gemeinsame Taten ausführen, muss davon ausgegangen werden, dass sie von dem beschriebenen Grundkonsens motiviert sind und bandenmäßig handeln. Das ist der Fall, wenn die Tätergruppe eingrenzbar ist und intensive Kommunikationsbeziehungen pflegt, die Beteiligten tatgeneigt sind, so dass sie im Einzelfall nicht zur Beteiligung an Straftaten überredet werden müssen, mindestens drei Täter wiederholt und in wechselnder Zusammensetzung bei der Tatplanung oder -ausführung zusammen arbeiten und
die Zusammenarbeit Delikte der gleichen Art betreffen. |
Wenn sie Anstifter zum Beschaffungsdelikt sind oder an ihm als Gehilfe teilnehmen, dann können sie sich gesondert auch als Hehler oder Absatzhelfer strafbar machen. Sind sie Mittäter beim Beschaffungsdelikt, dann können sie nicht auch Hehler oder Absatzhelfer sein. In allen Fällen wird mit gefälschten Personal- und Fahrzeugpapieren gehandelt, so dass das einigende Band aus Urkundenfälschungen besteht. Mit Ausnahme der Unterschlagung kennen alle Deliktstypen die Qualifikation als Bande. Dasselbe gilt für die Mitglieder in kriminell ausgerichteten Hackerboards. Auch hier wird man dumme Mitläufer und Neugierige finden, vor allem aber bedenkenlose Schwärmer im Gefühl eigener Omnipotenz und Unangreifbarkeit.
Die
Bandenmäßigkeit ist ein Qualifikationsmerkmal für im Übrigen vollendete
Taten. Dort, wo der Gesetzgeber eine besondere Gefahr bei Banden sieht,
werden wir verstärkt auch auf kommunizierende Schwärme achten müssen. |
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Anmerkungen | |||
(2) BGH, Beschluss vom 22.03.2001 – GGSt 1/00 (3) BGH, Urteil vom 16.06.2005 – 3 StR 492/04, S. 5.
(4)
BGH, Beschluss vom 16.03.2010 – 4 StR 497/09, Rn 3; (5) BGH, Beschluss vom 16.03.2010 – 4 StR 497/09, Rn 4. |
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Cyberfahnder | |||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |