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Juli 2010
02.07.2010 10-07-02 faires Verfahren
02.07.2010 10-07-03 Skimming
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Das Vorgehen verstieß nämlich gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren ( Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 MRK) unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes, dass niemand verpflichtet ist, zu seiner eigenen Überführung beizutragen, insbesondere sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare). Dabei schließt sich der Senat ... an (...). Da der Beamte sogar eindeutig die Kompetenzen überschritten hat, die einem Verdeckten Ermittler zugestanden hätten, stünden einem noch nicht formal als unzulässig bewerteten entsprechenden Vorgehen als nicht offen ermittelnder Polizeibeamter identische durchgreifende Bedenken – erst recht – entgegen (1).
 

 
Der BGH betrachtet den heimlichen Mitschnitt des Verhörs durch einen verdeckt handelnden Polizeibeamten als unzulässig unter dem Gesichtspunkt, dass niemand verpflichtet ist, zu seiner eigenen Überführung beizutragen (1). Hier sei der Beschuldigte von einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten gedrängt, also Zwang gegen ihn ausgeübt worden. Daraus folge im Ergebnis ein Verwertungsverbot in der Hauptverhandlung.

Interessant ist die Entscheidung wegen der Ausführungen, warum die Maßnahme unter vielerlei strafverfahrensrechtlichen und grundgesetzlichen Gesichtspunkten gerade nicht unzulässig ist: Die kriminalistische List ist zulässig, der Besucherraum einer JVA ist keine Wohnung und bei verdeckten Ermittlungen darf auf förmliche Belehrungen verzichtet werden. Erst das Drängen unter dem Eindruck der Unfreiheit im Strafvollzug begründet den Zwang und die Unzulässigkeit.
 

 
Der vierte Strafsenat des BGH ist bestrebt, die Rechtsprechung des Gerichts dahin zu ändern, dass das Auslesen der Magnetstreifen von Zahlungs- und anderen Identifikationskarten dann kein Ausspähen von Daten im Sinne von § 202a Abs. 1 StGB ist, wenn sie über keine besondere Zugangssicherung verfügen (2).

Dem hat sich der erste Strafsenat des BGH angeschlossen, allerdings mit einer Einschränkung (3): Allerdings ist der Senat der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 202a StGB ... dann nicht gegeben sind, wenn die zum Auslesen benutzte Software auch im regulären Handel erhältlich ist.

Wenn handelsübliche Geräte oder Programme zum Einsatz kommen, soll die Strafbarkeit nicht greifen. Wenn jedoch besondere Geräte oder Programme eingesetzt werden, ohne die die Magnetstreifen oder Teile ihrer Informationen nicht lesbar sind, und solche nur im überprüften Fachhandel oder auf dem Schwarzmarkt zu bekommen sind, soll das Ausspähen wieder strafbar sein. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Wenn Dual Use-Produkte bei kriminellen Zwecken versagen, dann muss ein Schutzmechanismus vorhanden sein. Genau den hatte der anfragende Senat vermisst und den Gesetzeswortlaut ernst genommen.
 

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(1) BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 5 StR 51/10
 

 
(2)  Ausspähen von Daten und das Skimming, 14.05.2010;
BGH, Beschluss vom 18.03.2010 - 4 StR 555/09

(3) BGH, Beschluss vom 19.05.2010 - 1 ARs 6/10
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018