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Juni 2011
11.06.2011 Vorratsdaten
     
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Quick freeze und Augenwischerei

Vollmundig hat das BMJ den Gesetzentwurf zur Neufassung der Vorratsdatenspeicherung vorgelegt, der unter anderem die Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften verspricht (1). Dazu sollen die Zugangsprovider die Verkehrsdaten sieben Tage lang speichern.

Damit ist allenfalls den rührigen Abmahnern geholfen, die die FileSharing-Dienste beobachten, nicht aber dem Normalbürger, der erst deutlich später bemerkt, dass er das Opfer einer Straftat oder einer anderen Verletzung im Internet geworden ist (2).
Die rückwirkende Aufklärung von Straftaten kann das neue Gesetz nicht garantieren. Dazu bedürfte es einer deutlich längeren Speicherdauer.

Sollbruchstellen
Überraschend ist, dass der Entwurf des neuen § 100j StPO keine Beschränkungen wegen der vorausgesetzten Schwere der Kriminalität bestimmt. Das verlangt hingegen das BVerfG beim unmittelbaren Zugriff auf Verkehrsdaten (3). Ein Richtervorbehalt ist ebenfalls nicht vorgesehen.

Stellt man außerdem in Rechnung, dass eine Spreicherfrist von nur 7 Tagen ungeeignet ist, schwerwiegende Straftaten aus der nahen Vergangenheit aufzuklären, so findet die in der Speicherpflicht bestehende Grundrechtseinschränkung keine Entsprechung in der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsstaatsgewährung. Das dürfte das BVerfG bei einer neuen Überprüfung nicht mitmachen.

Schüsse nach hinten
Mit dem Gesetzentwurf wird genau das erstrebt, was ich befürchtet habe (4). Die Strafverfolgungsbehörden werden unter einen ganz erheblichen Entscheidungsdruck gesetzt. Er führt im Zweifel dazu, dass sie vorschnell Bestands- und Verkehrsdaten sichern und erheben müssen, bevor durch andere Ermittlungen geklärt ist, ob sie überhaupt erforderlich sind. Der Grund dafür sind die klaren Anweisungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit "verderblichen" Beweismitteln: Die Staatsanwaltschaft hat für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist ( § 160 Abs. 2 StPO), und selbst der unzuständige Staatsanwalt muss innerhalb seines Bezirks alle Amtshandlungen ausüben, bei denen Gefahr im Verzug ist ( § 143 Abs. 2 GVG) (5).

In Bezug auf die Auskunftspflichten für die Zukunft ist eine absolute Beschränkung auf 2 Monate vorgesehen. Das ist strenger als beim großen Lauschangriff

Daneben wartet der Entwurf mit kleinen Gehässigkeiten auf. Während das BVerfG keinen grundrechtsrelevanten Eingriff in einer Bestandsdatenauskunft sieht, verlangt der Entwurf in § 100k StPO jetzt einen Jahresbericht wegen der Bestandsauskünfte im Zusammenhang mit Internetadressen. Die damit verbundenen Kosten im Vollzugsaufwand werden verschwiegen. Dagegen werden die Kostenansprüche zugunsten der auskunftspflichtigen Provider recht zuvorkommend gestaltet. Von ihrer Seite aus sind keine Klagen zu befürchten.

Fazit
Der Entwurf nutzt den Abmahnern und den auskunftspflichtigen Providern, die bereits jetzt monatlich rund 300.000 Bestandsdatenauskünfte zur Verfolgung gewerblicher Schutzrechte erteilen (6). Die rechtstaatliche Gewährung der Strafverfolgung wird im Hinblick auf die  mehr als 7 Tage zurückliegenden Kriminalität ausgeschlossen und auch in Bezug auf die Zukunft stark eingeschränkt. Man könnte den Eindruck bekommen, dass er von einem starken Misstrauen gegen die Strafverfolgung geprägt ist, die mit starken Formvorschriften gegängelt und von ihrer Kernaufgabe abgehalten werden soll.
 

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(1) Gesetz zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet, Stand: 07.06.2011

(2) Siehe Bestandsdatenauskünfte und Rechtsschutzverweigerung, 06.03.2011

(3) BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08, Leitsatz 5.

(4) Wirre Vorstellungen, 06.03.2011

(5) Ebenda.

(6) Provider geben monatlich Nutzerdaten zu 300.000 Verbindungen heraus, Heise online 31.05.2011
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018