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Juni 2011 |
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Sponti-Hacking: LulzSec |
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Jetzt taucht ein neuer Name auf: LulzSec. Diese Gruppe ist erstmals in diesem Jahr in Erscheinung getreten und bislang ist unbekannt, wer sich hinter dem Namen verbirgt (3). Der Spiegel widmet ihr eigene Fotostrecken (4) und ein nettes Schaubild, das den Angriff gegen das Firmennetz von Sony verbildlicht (5). Schlag auf Schlag folgten weitere Angriffe
(6).
Christian Stöcker spricht völlig zu Recht davon, dass hier
strategisch operierende Angreifer zu Gange <seien>, die
Geduld haben, jede Menge Zeit und offenbar ausreichende Ressourcen, um
Sicherheitssysteme nach Schwachstellen abzusuchen
(7).
Sie passen nicht in das Bild vom lustigen Hacker, der doch nur spielen
will. Jedenfalls was die Angriffe gegen RSA
(8)
und Lockheed-Martin
(9)
betrifft, vermutet Stöcker
Profis am Werk, Fachleute für IT-Sicherheit, die methodisch und
organisiert vorgehen, um bestimmte Informationen in ihren Besitz zu
bringen. Bezahlte, womöglich festangestellte Cyber-Kriminelle,
vielleicht im Dienste eines ausländischen Geheimdienstes
(10). |
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gute Hacker, böse Hacker | ||||||||||||||||
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hacktivistische Kultur | ||||||||||||||||
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Der Chaos Computer Club - - und der Cult of the Dead Cow (17) liefern Beispiele dafür, dass aus der akademischen Hackerkultur immer wieder mutige - aber auch tollkühne - Aktivitäten entstanden sind, die an die Sponti-Aktionen aus den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erinnern. Sie richten sich gegen das Establishment, die politischen Eliten und staatlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen, die als Unterdrückungswerkzeuge verstanden werden. Besonders Anonymous zeigt dabei Rückgrat und Zielgenauigkeit, LulzSec eher Unverfrorenheit und dreisten, aber auch unbedachten Mut. Beide Gruppen zeigen spontaneistische Züge und tiefes professionelles Wissen. Ihre Politik ist libertär, aber nicht streng programmatisch und keineswegs unpolitisch. Sie leisten systematischen Vandalismus, also keinen Vandalismus im klassischen Sinne. Ihre Destruktion ist präzise und deshalb nicht mit dem klassischen Terrorismus vergleichbar. Sie sind moralisch selbstlegitimierte Hacktivisten in der Tradition der Spontibewegung. Aus dieser sind inzwischen anerkannte politische Parteien entstanden. Dabei dürfte der Begriff "Tradition" falsch gewählt sein. Vermutlich hat die neue Bewegung keine politische Erinnerung, die dreißig oder mehr Jahre zurückreicht, sondern ein selbstgestricktes, libertäres, frisches und jedenfalls von Selbstzweifeln freies Schwarz-Weiß-Bild von Gut und Böse. Solche politischen Vorstellungen sind nicht
ungefährlich, weil sie meistens wenig Reflexion und Selbstkritik
verheißen. Ihre Ziele lassen sich jedoch nachvollziehen, eine sachliche
Diskussion dürfte möglich sein und die gewählten Mittel könnten wohl
diskutiert werden. Gegenüber den Gefahren, die von skrupellosen
Kriminellen, Terroristen, Söldnern oder herrschaftlichen Dienern drohen,
dürften die Gefahren, die von Sponti-Hackern ausgehen, eher
gering sein. |
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Gegenkultur | ||||||||||||||||
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Bei allen Vorbehalten bin ich nicht unglücklich über die Sponti-Hacker. Die von ihnen verursachten Kollateralschäden halten sich bislang in Grenzen und ihre Aktionen fordern von der Zivilgesellschaft klare Bekenntnisse und Ausrichtungen, um mit der neuen Gegenkultur umzugehen. Sie übernehmen Verantwortung und fordern Beachtung. Besonders deutlich ist das im Zusammenhang mit den DDoS-Angriffen von Anonymous gegen Amazon und die Banken geworden, die den Hostspeicher für WikiLeaks und die Konten für Assange gesperrt hatten. Die Gegenkultur aus der Zivilgesellschaft hat ihnen demonstriert, dass sie eigene Normen durchzusetzen bereit ist. Das selbstgerechte Lavieren und obrigkeitliche Buckeln der New Economy hat jedenfalls von Anonymous einen herben Stich versetzt bekommen. Der Sponti-Hacktivismus liefert der Zivilgesellschaft eine Chance zu Neuorientierung und Rückbesinnung auf gesellschaftliche Verantwortung. Seine Akteure kommen nicht von außen, sondern sie sind Teil der existierenden Gesellschaften. Gleichzeitig sind sie Profis im technischen Sinne und sendungswillige Eiferer, die für ihre moralischen Vorstellungen einstehen - jedenfalls solange wie es darum geht, sich für sie einzusetzen. Sie werden sicherlich nicht reuemütig zu Kreuze kriechen, wenn es ihnen persönlich an den Kragen geht. Staaten, Gesellschaften und Wirtschaft werden
sich der Herausforderung stellen müssen. Ich glaube, das wird ihnen
deshalb guttun, weil erstmals wieder eine moralische, ganz und gar
unwirtschaftliche Dimension in die politische Debatte kommt. Man muss
sie nicht uneingeschränkt teilen, aber anerkennen, dass wirtschaftlicher
Wachstum, die Sicherung von Pfründen und Gewinn nicht alleinentscheidend
sind. |
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Unterstützung von Kriminalität? | ||||||||||||||||
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Nein! DDoS, Hacking und Datenklau sind Straftaten, die ich nicht kleinreden werde und nicht kleinreden will. Wenn es um politische Prozesse geht, dann ist aber auch eine gewisse Gelassenheit gefordert. Bei der Diskussion um den Hacktivismus geht es bislang nicht um Menschenopfer, Brandstiftung oder ganz schwere wirtschaftliche Schäden (die durch Prävention hätten begrenzt werden können). Es geht um eine selbstprovozierte Pleite (HB Gary Federal) und Rücktritte von Politikern (diplomatische Depeschen der USA auf WikiLeaks), fragwürdige staatliche Überwachungsmaßnahmen in den USA, die Unterstützung von Volksbewegungen in Nordafrika und dem Nahen Osten und wirtschaftliche Muskelspiele im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten. Den Nachweis der großartigen Gefährdung von Menschen durch WikiLeaks ist die US-Regierung bislang schuldig geblieben. Mit Verlaub: Die Entrüstung erinnert an das hohle Säbelgerassel zur Begründung des zweiten Irak-Krieges. Die seinerzeit präsentierten Beweise haben sich ganz überwiegend als übertrieben oder schlichte Lügen erwiesen. Anonymous und LulzSec müssen Grenzen gesetzt werden. Das geht aber nicht, indem der große Knüppel geschwungen wird, weil ihr moralischer Appell nicht von vornherein falsch ist. Ihre Aktivisten werden ihre gerechte Strafe bekommen müssen. Sie sind nur ein bisschen Helden nach Art von Robin Hood, in erster Linie aber Straftäter, die wissen, dass sie gegen Normen verstoßen und deswegen bestraft werden können, wenn sie erwischt werden.
Die
Diskussionen und Auseinandersetzungen um Kernkraft und Umweltschutz vor
30 Jahren sind zunächst fast wirkungslos an der etablierten Gesellschaft
vorbei gegangen. Das hat die Grünen nicht aufhalten und die
Piratenpartei nicht verhindern können. Beide sind nicht meine
politischen Heimaten. Dennoch wünsche ich mir, dass die Signale des
spontaneistischen Hacktivismus ankommen: Mehr Demokratie wagen (Willy
Brandt) und wirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen in Waage
halten. Das ist etwas in Vergessenheit geraten. |
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Anmerkungen | ||||||||||||||||
(2) Botnetze und Hacktivismus, 08.04.2011 (3) Susanne Kirchhoff, Erneuter Sony-Hack: Noch mehr Nutzerdaten veröffentlicht, mobil.teltarif.de 03.06.2011
(4)
Ole Reißmann, Hacker lieben Sony, spiegel.de
03.06.2011; (5) Intrusion route to the system, spiegel.de 03.06.2011
(6)
Hacker dringen in US-Sicherheitskreise vor, spiegel.de 06.06.2011; (7) Christian Stöcker, Auf dem Schlachtfeld der Cyber-Krieger, spiegel.de 09.06.2011 (9) Datendiebe greifen US-Rüstungskonzern an, spiegel.de 28.05.2011 (10) Ebenda (7). (11) Eskalationen. Mangelnde Entrüstung, 19.02.2011
(12)
Botnetz-Software und -Betreiber, 13.07.2008; (13) IT-Söldner im Kampfeinsatz, 15.02.2011 (14) Luigi, das kostet Dich etwas! 14.02.2011 (15) LulzSec hackt FBI-Liaison und Sicherheitsunternehmen, Heise online 04.06.2011 (16) Beides spiegelt sich in dieser Meldung wider: US-Sender wegen WikiLeaks-Bericht gehackt, Heise online 31.05.2011.
(16a)
Wegen der Quelle habe ich mich zunächst geirrt. Weitere Informationen: (17)
Eine kurze Geschichte der Cybercrime, 03.11.2010 |
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Cyberfahnder | ||||||||||||||||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |