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Mir sind
zwei alte Entscheidungen des BGH in Erinnerung, die die Verwertbarkeit
von Tagebuchaufzeichnungen betreffen, ohne dass ich die Quellen benennen
könnte. In dem einen Fall ging es um einen Fall aus dem Bereich der
mittleren Kriminalität, wobei die Beweisführung auch mit anderen
Beweismitteln möglich war. Hier hat das Gericht die Verwertung
untersagt.
Der andere Fall war im Bereich der
schweren
Kriminalität angesiedelt und zur Beweisführung standen keine anderen
Beweismittel zur Verfügung. Hier hat der BGH die Verwertung zugelassen.
Mein wichtigster Schluss aus diesen beiden Entscheidungen war, dass
Tagebücher und entsprechende digitale Aufzeichnungen grundsätzlich
beschlagnahmefähig sind (
§ 94 Abs. 1, Abs. 2 StPO), aber über ihre Verwertbarkeit als
Vollbeweis erst in der Hauptverhandlung entschieden wird. Den von
mir geschulten Polizeibeamten empfehle ich deshalb seit eh und je, wegen
streitiger Schriftstücke bei einer Durchsuchung nach
§
110 Abs. 2 StPO vorzugehen: Eintüten und versiegeln. Über die
Rechtsfragen kann im Nachhinein entschieden werden.
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Das BVerfG
hat mir mein Weltbild bewahrt und im letzten Jahr ebenfalls entschieden,
dass Tagebücher zwar dem Kernbereich der persönlichen Lebensführung
angehören können
(1).
Enthalten sie aber
Angaben
über ... Straftaten, stehen sie also in einem unmittelbaren Bezug zu
konkreten strafbaren Handlungen, so gehören sie dem unantastbaren
Bereich privater Lebensgestaltung nicht an.
Die genauen
Grenzen des unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung sind noch
längst nicht definiert. Ich weiß von Gesprächen von Zuhältern, die um
nichts anderes als praktizierten Sex ranken und dennoch rein
geschäftsmäßig sind, und von Frauen, die nacheinander alle ihre
Freundinnen anrufen, um über ihre Krankheiten zu berichten. Sie suchen
dabei eine begrenzte Öffentlichkeit und sind weit davon entfernt,
persönliche Informationen für sich behalten oder nur mit ganz vertrauten
Freunden besprechen zu wollen.
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b) Jedoch ist
ein letzter unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung
anzuerkennen, der der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen ist
(...). Selbst schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit können
Eingriffe in diesen Bereich nicht rechtfertigen; eine Abwägung nach
Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet nicht statt (...).
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Da der Mensch als Person, auch im Kern seiner Persönlichkeit, notwendig
in sozialen Bezügen existiert, hängt die Zuordnung eines Sachverhalts
zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung oder zu jenem
Bereich des privaten Lebens, der unter bestimmten Voraussetzungen dem
staatlichen Zugriff offen steht, nicht davon ab, ob eine soziale
Bedeutung oder Beziehung überhaupt besteht, sondern welcher Art und wie
intensiv sie ist. Dies lässt sich nicht abstrakt beschreiben; es kann
befriedigend nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen
Falls beantwortet werden (...). Im Rahmen eines Strafverfahrens hängt
der Umstand, ob ein Sachverhalt dem Kernbereich zugeordnet werden kann,
neben dem subjektiven Willen des Betroffenen zur Geheimhaltung davon ab,
ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in
welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder
die Belange der Gemeinschaft berührt (...).
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Daher gebietet es die Verfassung nicht, Tagebücher oder ähnliche
private Aufzeichnungen schlechthin von der Verwertung im Strafverfahren
auszunehmen. Allein die Aufnahme in ein Tagebuch entzieht Informationen
noch nicht dem staatlichen Zugriff. Vielmehr hängt die Verwertbarkeit
von Charakter und Bedeutung des Inhalts ab. Enthalten solche
Aufzeichnungen etwa Angaben über die Planung bevorstehender oder
Berichte über begangene Straftaten, stehen sie also in einem
unmittelbaren Bezug zu konkreten strafbaren Handlungen, so gehören sie
dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung nicht an (...).
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