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Bundesgerichtshof
Fazit
Leitsätze des EGMR
Leitsätze des BGH
Anmerkungen
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Der
HRR-Newsletter
(1)
vom 23.04.2009 weist auf das Urteil der Großen Kammer des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte vom 21.01.2009 hin
(2),
dessen wesentlichen Aussagen Karsten Gaede
(3)
für HRR in
Leitsätze gefasst hat.
In dem Newsletter heißt es dazu:
Die
Entscheidung konkretisiert zum einen die Reichweite des
europarechtlichen Schutzes gegen „Hörfallen“. Zum anderen befasst sie
sich mit dem seit langem auch im EGMR selbst streitigen Problem der
Verwertung menschenrechtswidrig erlangter Beweismittel ... Die
Entscheidung zeigt, dass auch im EGMR die Stimmen lauter werden, die ein
Verwertungsverbot für menschenrechtswidrig erlangte Beweismittel
befürworten. Im konkreten Fall bewirkt sie indes eine eher
einschränkende Interpretation insbesondere des mit der Allan-Rechtsprechung
... verbundenen Verwertungsverbotes.
Das Urteil
berührt den seltenen Fall, dass ein
Verdeckter Ermittler, also ein unter einer Legende (
§ 110c StPO) eingesetzter Mitarbeiter der Polizei, unmittelbar auf
einen Beschuldigten angesetzt ist. Dieser Einsatz bedarf gemäß
§ 110b Abs. 2 StPO einer gerichtlichen Zustimmung und ist nur zur
Bekämpfung eines Teilbereiches der
besonders schweren Kriminalität zulässig (
§ 110a Abs. 1 StPO).
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Hinzu kommt, dass der Verdeckte Ermittler mit einer Lauschvorrichtung
ausgestattet ist, also mit einem Aufzeichnungs- oder Funkgerät, um das
gesprochene Wort bei seinem Einsatz aufzeichnen oder mithören zu können.
Der Einsatz solcher technischer Mittel erfolgt entweder in der
Öffentlichkeit, dann ist für die strafprozessuale Verwertbarkeit
§
100f StPO einschlägig (
kleiner
Lauschangriff), oder in Wohnungen, so dass
§
100c StPO greift (
großer
Lauschangriff).
Die Ausstattung mit Aufzeichnungstechnik kann aus Gründen der
Eigensicherung
(4)
auch polizeirechtlich begründet werden. Für die dabei gewonnenen
Erkenntnisse gilt
§ 161 Abs. 2 StPO und damit der Grundsatz der
Schwellengleichheit, wonach aus anderen Verfahrensordnungen nur
solche Beweismittel übernommen werden dürfen, deren Erhebung auch nach
Maßgabe der StPO zulässig gewesen wäre.
Soweit
Hörfallen
angesprochen werden, geht es darum, dass eine Privatperson in Anwesenheit
eines Polizeibeamten ein Gespräch mit dem Verdächtigen führt, dessen
Inhalt gegen ihn verwendet werden soll. Die gefestigte Rechtsprechung
(5)
betrachtet Hörfallen dann als zulässig, wenn es
um die
Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht und die
Erforschung des Sachverhalts unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden
erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert gewesen
wäre.
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Bundesgerichtshof |
Fazit |
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Im
Gleichklang mit dem EGMR hat auch der BGH entschieden
(6),
dass der Verdeckte Ermittler keinen Druck auf den Verdächtigen ausüben darf (
Leitsatz 1). Ein Verstoß dagegen führt nach dem Grundsatz, dass sich
niemand selbst einer Straftat bezichtigen muss ( §§ 136 Abs. 1 S. 2,
55 StPO),
zu einem Verwertungsverbot.
Mit dem
Leitsatz 3 geht der BGH auf eine revisionsrechtliche Besonderheit
ein. Ein Urteil darf nur dann von ihm aufgehoben werden, wenn ein
beanstandeter Rechtsfehler dazu führt, dass die angefochtene
Entscheidung auf ihn beruht
(
§ 337 Abs. 1 StPO).
Danach kann das Verwertungsverbot wieder entfallen, wenn der
Beschuldigte die Erkenntnisse des Verdeckten Ermittlers vor dem
Haftrichter oder in der Beweisaufnahme selber wiederholt.
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Der
Einfluss der neuen Entscheidung des EGMR auf die Rechtsprechung
deutscher Obergerichte ist nur schwer abzuschätzen, zumal auch der EGMR
einschränkend ausführt:
Der
Gebrauch eines rechtswidrig unter Verletzung anderer Menschenrechte ...
erlangten Beweismittels macht ein Verfahren nicht stets unfair (
Leitsatz 2.). Das gelte besonders dann, wenn sich der V-Mann passiv
verhalte, eher wie ein reiner Beobachter, und keinen Druck auf den
Verdächtigen ausübe (
Leitsatz 3.). Ganz ähnlich hat das Gericht
verdeckte Ermittlungen als solche betrachtet
(7).
Damit unterscheidet es sich grundsätzlich nicht von der Rechtsprechung
des BVerfG, wie sie zum Beispiel im Zusammenhang mit der
Onlinedurchsuchung ausgeführt wurde
(8)
und zu der des BGH (
siehe links).
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Leitsätze des
Europ. Gerichtshofes für Menschenrechte |
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1. Der
Einsatz eines technischen Abhör- und Aufzeichnungshilfsmittels
in einem privaten Umfeld (hier: der Wohnung eines Beschuldigten)
durch einen V-Mann der Ermittlungsbehörden erfordert eine
gesetzliche Grundlage, die spezifische und detaillierte
Anforderungen an die Zulässigkeit dieser heimlichen
Ermittlungsmaßnahme stellt und damit einen hinreichenden Schutz
gegen Willkür bietet. Dies gilt auch dann, wenn der V-Mann das
aufgezeichnete Gespräch (den Zugang zur Wohnung) mit der
Zustimmung des Beschuldigten erlangt, der über die Aufzeichnung
nicht informiert ist. Die Prinzipien, die nach der
Rechtsprechung des EGMR insbesondere für die heimliche
Telekommunikationsüberwachung gelten, gelten analog auch beim
Gebrauch von technischen Hilfsmitteln zur Aufzeichnung des
vertraulich gesprochenen Wortes außerhalb der Telekommunikation.
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2. Der
Gebrauch eines rechtswidrig unter Verletzung anderer
Menschenrechte (hier:
Art. 8 EMRK) erlangten Beweismittels macht ein Verfahren
nicht stets unfair (entschieden mit elf zu sechs Stimmen). Die
Entscheidung, ob die Verwertung rechtswidrig erlangter
Beweismittel das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, hängt
insbesondere von der Beachtung der übrigen Verteidigungsrechte,
von einer Prüfung der rechtswidrigen Erlangung, von der
Beweiskraft und Verlässlichkeit des Beweismittels sowie von der
Natur der Verletzung eines anderweitigen Rechts der
EMRK ab.
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3. Die
Grundsätze der Allan-Entscheidung
(9)
zum Schutz der Selbstbelastungsfreiheit in funktionalen
Vernehmungen sind nicht gleichermaßen anwendbar, wenn der
Beschuldigte noch nicht inhaftiert ist, auf ihn nicht in
Vernehmungen Druck hin zu einer Aussage ausgeübt worden ist und
er seinen Willen noch nicht geäußert hat, schweigen zu wollen.
Jedenfalls dann, wenn der Beschuldigte durch die Umstände eines
V-Mann-Einsatzes unter keinen Druck gerät, mit dem V-Mann zu
sprechen und sich selbst zu belasten, und wenn selbstbelastende
Gesprächsaufnahmen zu frei entstandenen Gesprächen nicht
unvermittelt als (eine Art) Geständnis zur Urteilsgrundlage
gemacht werden, liegt keine Verletzung der
Selbstbelastungsfreiheit vor.
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Leitsätze des Bundesgerichtshofes |
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1. Zwar sind
die von einem Verdeckten Ermittler gewonnenen Erkenntnisse im Grundsatz
verwertbar, wenn die Voraussetzungen für seinen Einsatz und die hierfür
erforderliche richterliche Zustimmung (
§§ 110a Abs. 1 Satz 4,
110b
Abs. 2 Nr. 2 StPO)
vorlagen (vgl. BGHSt 52, 11, 14 f.
(8)). Ein Verdeckter Ermittler darf aber
einen Beschuldigten, der sich auf sein Schweigerecht berufen hat, nicht
unter Ausnutzung eines geschaffenen Vertrauensverhältnisses beharrlich
zu einer Aussage drängen und ihm in einer vernehmungsähnlichen Befragung
Äußerungen zum Tatgeschehen entlocken. Eine solche Beweisgewinnung
verstößt gegen den Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst
zu belasten, und hat regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot zur Folge
...
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2. Ein
Verdeckter Ermittler nutzt nicht lediglich ein zwischen ihm und der
Angeklagten bestehendes Vertrauensverhältnis aus, um Informationen
aufzunehmen, die ihm die Angeklagte von sich aus gegeben hat, wenn er
das Vertrauensverhältnis von sich aus aufbaut und er in Kombination mit
weiteren, druckerhöhenden offenen Ermittlungsmaßnahmen auf die
Angeklagte mit dem Ziel einwirkt, sie zu solchen Angaben zu veranlassen.
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3. Das
Beruhen kann aber zu verneinen sein, wenn die Angeklagte in späteren
(ordnungsgemäßen) polizeilichen Vernehmungen und in einer Vernehmung
durch den Haftrichter ihre Angaben wiederholt und diese der Verurteilung
zugrunde liegen.
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Anmerkungen |
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(1)
Höchstrichterliche Rechtsprechung in Strafsachen,
hrr-strafrecht.de
(2)
EGMR Nr. 4378/02 - Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2009 (Bykov
v. Russland)
(3)
Verweis bei HRR auf Gaede, Fairness als Teilhabe, 2007, S. 800 ff.
(4)
Thomas
Mentzel, Isabel Schmitt-Falckenberg,
Kirsten Wischnewski, Eigensicherung und Recht,
Luchterhand 2003;
Schriftenreihe des Bundeskriminalamts
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(5)
Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 13.05.1996 - GSSt 1/96
(6)
BGH, Beschluss vom 27.01.2009 - 4 StR 296/08
(7)
Grenzziehung vom EuGH
(8)
BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 595/07
(9)
EGMR Nr. 48539/99 - Urteil v. 05.11.2002 (Allan v. Großbritannien)
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |