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Juli 2009
18.07.2009 Justizvollzug
     
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Offenkundig legen auch die Ergebnisse dieser Studie nahe, nach mehr Haftraumkapazitäten und nach mehr Einzelunterbringungsmöglichkeiten zu rufen. Beides wird die Gewalt in den Hafträumen reduzieren helfen, aber nicht die Schlägereien und Körperverletzungen an anderen Orten und außerdem würde das Selbstmordrisiko bei einer undifferenzierten Einzelunterbringung steigen. (3)
 
 

 
Für Gewaltexzesse und Bandenbildung unter Häftlingen macht Peter Mühlbauer in besonders das sozialillusorische Wohngruppenkonzept aus den 1970er Jahren verantwortlich (1). Dabei wirkt er so hilflos, wie die Studie, auf die er sich beruft (2). Die fordert jedenfalls eine differenzierte Behandlung: Identifikation und Isolation von gefährlichen Gewalttätern und Nutzung aller Lockerungen und sozialtherapeutischen Maßnahmen für die Straftäter, die sich für eine Wiedereingliederung eignen.

Auch Mühlbauer spricht von Soziopathen und gerichtlich zertifizierte Gewaltexperten ..., die in Milieus wie Gefängnissen oder dem Militär durchaus bestimmendere Rollen einnehmen können.

Die Probleme, denen sich der Justizvollzug ausgesetzt sieht, sind vielfältig und sie werden sich nicht mit einfachen Maßnahmen lösen lassen. Die Schlaglichter deuten das an:

Gefangene bilden bereits für sich eine besondere Bevölkerungsgruppe, weil nicht jeder dazu wird. Bevor gegen einen Täter Freiheitsstrafe vollstreckt wird, muss er schon einige oder sehr schwere Taten begangen haben. Anders gesagt: Es sind nicht die freundlichsten und friedlichsten Menschen, die zu Gefangenen werden.

Sie sind ganz überwiegend männlich. Ihr Bildungs- und Sprachniveau ist im Allgemeinen unterdurchschnittlich.

Es gibt einen großen Anteil kranker und sozial auffälliger Gefangener mit besonderen Karrieren als Opfer, Abhängiger oder Verlierer.

Gemeinsame soziale, kulturelle und sprachliche Herkünfte begünstigen Gruppenbildungen und Rivalitäten.

Und nicht zuletzt: Knast ist eine Ausnahmesituation und geprägt von Unterwerfung, Anpassung und Trennung von der gewohnten Lebensumgebung.
 

 
Es wäre ein Irrglaube, anzunehmen, der Justizvollzug würde bessere Menschen aus den Gefangenen machen. Er kann ihnen nur neue Perspektiven, Herangehensweisen und durch Fortbildung neue Chancen verschaffen. Ändern können sich die Gefangenen nur selber, wenn sie dazu bereit sind.

Mitarbeiter einer JVA suchten vor etlichen Jahren nach einem Leitbild für den Vollzug, bis einer der Mitarbeiter einfach nur sagte: Es wäre doch schön, wenn es bei uns nicht immer so stinken würde.

Daraus wurde eine besondere Knastphilosophie, die auf der einen Seite an Schweinchen Dick erinnert: ... und immer schön sauber bleiben!

Sie verlangt von den Gefangenen die strikte Einhaltung von Regeln, zu denen auch Pünktlichkeit, Sauberkeit und Ordnung in den Zellen gehört.

Das mag sehr bürgerlich und altbacken klingen und ist knallhart, hat aber auch eine positive Kehrseite:

Jeder Gefangene bekommt zunächst alle Vergünstigungen, die das Vollzugsrecht zulässt. Mit jedem Regelverstoß werden die Vergünstigungen gekürzt und der Gefangene muss sich durch sein regelrechtes Verhalten die Vergünstigung erst wieder erarbeiten. Er erfährt dabei am eigenen Leibe, was er an Freiheit verliert, so dass bereits kleine Kürzungen unmittelbar gespürt werden.

Diese Strategie ist kein Allheilmittel und sie ist allein deshalb kein dauerhaftes Modell, weil die Welt draußen so nur funktioniert, wenn es um Fragen der Wirtschaftlichkeit geht. Sie ist jedoch eine konsequente Umsetzung des pädagogischen Grundsatzes, niemals mit einer Konsequenz zu drohen, die man hinterher nicht umsetzt. Diese Konsequenz würde ich mir angesichts wortgewaltiger Drohungen von Richtern und anderen Entscheidungsträgern wünschen, die sich im Nachhinein als leere Sprechblasen erweisen. Die Adressaten ziehen ihre eigenen Schlüsse daraus: Es geht doch!
  

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(1) Peter Mühlbauer, Sozialpädagogische Menschenrechtsverletzungen, Telepolis 17.07.2009

(2) Wolfgang Wirth, Gewalt unter Gefangenen. Kernbefunde einer empirischen Studie im Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen, KrimD 22.12.2006

(3) (2), S. 23
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018