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Januar 2010
31.01.2010 Vermögensstrafrecht
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Schaden und schadensgleiche Vermögensgefährdung
 

 

 
Der Vermögensnachteil ist durch einen Vergleich des Vermögens, das der Geschädigte vor der Untreuehandlung hatte, mit dem Vermögen, über das er infolge der Untreuehandlung verfügt, festzustellen. Zum Vermögen gehört dabei nach der hierfür maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise alles, was in Geldwert messbar ist. Bleibt danach der Vermögensstand nach der treuwidrigen Handlung hinter dem ursprünglichen Vermögensstand zurück, so liegt ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB vor. Nach allgemeiner Meinung entspricht der Begriff des Nachteils in § 266 StGB dem des Schadens in § 263 StGB (...). (2)

 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB auch dann vorliegen, wenn Vermögenswerte konkret gefährdet sind, so dass nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage eingetreten ist (...). Zum Betrugstatbestand des § 263 StGB wurde zuerst nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein Vermögensschaden nicht nur im tatsächlichen Verlust eines Vermögenswertes, sondern schon in der konkreten Gefährdung vermögenswerter Positionen gesehen (...). Der Gefährdungsschaden wird dem endgültigen Schaden in § 266 Abs. 1 StGB wie in § 263 StGB grundsätzlich gleichgestellt (...). (3)
 

 

 
Die beiden zentralen Vorschriften des Vermögensstrafrechts sind die des Betruges ( § 263 StGB) und der Untreue ( § 266 StGB). Beim Betrug geht es um den Schutz vor Vermögenseinbußen durch Lug und Trug eines böswilligen Geschäftspartners und bei der Untreue um den Schutz vor böswilligen Handlungen eines Vermögensbetreuers. Die beiden Strafnormen unterscheiden sich in einem ganz wesentlichen Punkt: Der Betrug kennt die Strafbarkeit des Versuchs ( § 263 Abs. 2 StGB), die Untreue kennt ihn nicht (1).

Die Begriffe des Vermögens und des Vermögensschadens sind in beiden Strafvorschriften gleich (siehe links, BVerfG 2009 (2) ). Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Betrachtung des wirtschaftlichen Vermögenswertes vor und nach dem strafrechtlichen Ereignis erforderlich. Hat sich die Summe des Vermögens dadurch verringert, ist ein entsprechender Vermögensschaden eingetreten.

Gefordert wird eine konkrete Vermögenseinbuße. Dabei ist das Vermögen als Ganzes zu betrachten, wobei Aktivtausche (5) summenneutral bleiben. So kann durch eine Zahlung zwar das Geldguthaben verringert sein, aber durch eine wertgleiche Forderung ausgeglichen werden.

Forderungen unterliegen jedoch einem Realisierungsrisiko, so dass sich besonders in den Fällen des Eingehungsbetruges (6), bei dem der Täter über seine Leistungsbereitschaft oder -fähigkeit täuscht, und der Vergabe risikobehafteter Darlehn die Frage nach nach einer Wertberichtigung (Abschreibung (7)) stellt. Sie verringert das Vermögen in seiner Summe.

Unter dem Begriff des Gefährdungsschadens (siehe links) hat die Rechtsprechung auch gefährdete Vermögenswerte in den Schadensbegriff einbezogen. Allein durch die Vermögensgefährdung wird die Tat vollendet, obwohl sie sich erst durch ein späteres Ereignis zum wirtschaftlichen Schaden vertieft (bei Fälligkeit ausbleibende Zahlungen, Insolvenz usw.).
 

 


Die Rechtsprechung hat entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben Kriterien zur Abgrenzung zwischen einer bloß abstrakten Gefährdungslage und einer konkreten, schadensgleichen Vermögensgefährdung entwickelt, um zu bestimmen, wann eine Gefahrensituation eine solche Intensität erreicht hat, dass sie einer endgültigen Vermögenseinbuße gleichgestellt werden kann. Die erforderliche "Konkretheit" der Gefahr wird in mehrerer Hinsicht präzisiert. In zeitlicher Hinsicht muss mit dem alsbaldigen Eintritt eines entsprechenden endgültigen Schaden zu rechnen sein (...). Ein weiteres Kriterium setzt an der Vermeidemacht des potentiell Geschädigten an. Es muss eine vom Berechtigten nicht mehr zu kontrollierende und nur noch im Belieben des Täters stehende Möglichkeit des endgültigen Vermögensverlustes bestehen (...). Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung kann auch nur dann bejaht werden, wenn die sie begründenden Tatsachen feststehen, nicht aber schon dann, wenn sie nur wahrscheinlich oder gar möglicherweise vorliegen (...). (4)

Mit diesen fachgerichtlichen Konstruktionen hat sich Anfang 2009 das BVerfG auseinander gesetzt (siehe oben) (8) und aus verfassungsrechtlicher Sicht keinen Grund zur Beanstandung gesehen.

Dabei ist die schadensgleiche Vermögensgefährdung nicht unproblematisch, weil sie die konkreten Gefährdungen, die dem Vermögensstrafrecht inne sind, in die Nähe abstrakter Gefahren rückt. Die Grenzen, die die Rechtsprechung dazu entwickelt hat, betrachtet das BVerfG jedenfalls als ausreichend.




 

zurück zum Verweis Beeinträchtigung und Verlust Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit
 

 
 
Beim betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts - mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr - ist zur Feststellung des Schadens auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Geschädigten ein-getretenen Vermögensnachteil abzustellen. Allein hierauf muss sich das voluntative Element des Vorsatzes beim Täter beziehen. Auf die Billigung eines eventuellen Endschadens kommt es insoweit nicht an. (11)
 
 
Der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden ist durch das Verlustrisiko zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt. Dies stellt hinsichtlich des Straftatbestands einen endgültigen Schaden dar und nicht nur eine (schadensgleiche) Vermögensgefährdung. Die Höhe des Vermögensnachteils zum Zeitpunkt der Verfügung ist nach wirtschaftlichen Maßstäben zu bewerten. Ist eine genaue Feststellung zur Schadenshöhe nicht möglich, sind hierzu Mindestfeststellungen zu treffen. Dies kann durch Schätzung geschehen. Dem Tatrichter steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu.  (12)
 


So sieht jedenfalls der 1. Strafsenat des BGH die Gefahr der Überdehnung des Betrugstatbestands hin zum Gefährdungsdelikt durch Einbeziehung tatsächlich nur abstrakter Risiken in sich (9). Er hält den Begriff der konkreten Vermögensgefährdung [für] entbehrlich, weil zwischen Schaden (Verlust) und Gefährdung (Beeinträchtigung) ... bei wirtschaftlicher Betrachtung kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied bestehe (10).

So gesehen muss die Vermögensgefährdung einen bezifferbaren, aber eben nur kleinen Schaden auslösen. Er muss betriebswirtschaftlich (sachverständig) belegt oder geschätzt werden. Damit stellt sich immer auch die Frage nach der Geringwertigkeit ( §§ 263 Abs. 4, 266 Abs. 2, jeweils in Verbindung mit § 248a StGB), die nicht nur nach Strafanträgen verlangt, sondern auch besonders schwere Fälle ausschließt.

Der 3. Strafsenat scheint sich dem anzuschließen (siehe unten und (13)) und die schadensgleiche Vermögensgefährdung auch im Hinblick auf die Untreue aufzugeben. Bereits einen Tag später hat auch er sich mit dem Eingehungsbetrug auseinander gesetzt (14), ohne auf die Frage nach der Vermögensgefährdung einzugehen: Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. (15)
 


Dazu führt der 3. Strafsenat aus, dass die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht (16) war, weil die Täter bereits bei den Vertragsabschlüssen von Lebensversicherungen die Absicht verfolgten, mit gefälschten Todesbescheinigungen die Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Diese unlautere Absicht führe dazu, die Kalkulationsgrundlagen für das Versicherungsrisiko zu unterlaufen, so dass die Einnahmen von Versicherungsprämien kein angemessenes wirtschaftliches Verhältnis zu den Versicherungsleistungen boten.

Im Ergebnis verlagert der BGH damit den Schadenseintritt in die Vergangenheit, so dass Thielmann und Groß-Bölting (17) mit einiger Berechtigung eine Verschärfung der Rechtsprechung erwarten.

Ihr Aufsatz ist auch deshalb lesenswert, weil er sich ausgiebig mit der älteren Rechtsprechung auseinander setzt, in der die schadensgleiche Vermögensgefährdung entwickelt wurde.

zum Fazit
 

zurück zum Verweis missverständlich und entbehrlich
 



Für die Frage vorsätzlichen Handelns bei der Untreue durch eine pflichtwidrige Kreditvergabe gilt im Grundsatz Folgendes: (18)
 
  Kennt der Täter bei einer Kreditgewährung die Pflichtwidrigkeit seines Handelns sowie die den Minderwert des Rückzahlungsanspruchs begründenden Umstände und weiß er, dass dieser nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben als minderwertig angesehen wird, mag er sie selbst auch anders bewerten, liegt direkter Vorsatz vor (...). Rechnet er mit Umständen, die eine Pflichtwidrigkeit seines Tuns und eine Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs begründen, und nimmt er diese billigend in Kauf, ist bedingter Vorsatz gegeben. In beiden Fällen spielt es keine Rolle, wenn der Täter glaubt oder hofft, dass der Kredit letztlich dennoch zurückgeführt werden wird (...). Die spätere Schadensentwicklung ist nur noch für die Strafzumessung von Bedeutung. (19)
 
 

 

Soweit in derartigen Fällen bisher ein Vermögensnachteil in der Form einer "schadensgleichen Vermögensgefährdung" angenommen wurde, erscheint dies dem Senat zumindest missverständlich. Gefährdet ist allenfalls die Darlehensrückzahlung. Dagegen ist durch die Auszahlung des Kredites das Vermögen des Darlehensgebers unmittelbar in Höhe des Betrages vermindert, nicht etwa schadensgleich gefährdet. Es stellt sich allein die Frage, ob hierdurch ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB deshalb nicht eintritt, weil dieser Vermögensminderung ein gleichwertiger Anspruch auf Darlehensrückzahlung oder zumindest eine vom Kreditgeber ohne Schwierigkeiten verwertbare, die Darlehenssumme abdeckende Sicherheit für den Fall der Nichtrückführung des Kredits als ausgleichende Vermögensmehrung gegenübersteht.
 
 

 

 Fehlt es hieran, so ist - wenn eine Tilgung des Kredits überhaupt nicht zu erwarten steht und verwertbare Sicherheiten nicht gegeben wurden - ein Vermögensverlust in Höhe der gesamten ausgekehrten Darlehensvaluta entstanden; andernfalls - im Falle teilweiser Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs oder einer Sicherheit - ist der Vermögensverlust um den entsprechenden Wert reduziert. Vor diesem Hintergrund ist die in jüngster Zeit streitig gewordene Frage, ob im Rahmen der §§ 263, 266 StGB der bedingte Vorsatz hinsichtlich des Eintritts einer Vermögensgefährdung ausreicht (...) oder ob zusätzlich zu fordern ist, dass der Täter die konkrete Gefahr des endgültigen Vermögensverlustes sieht und auch deren Realisierung billigt (...), für die hier in Rede stehende Fallkonstellation ohne Bedeutung. (20)
 
 

zurück zum Verweis Fazit Schaden beim Skimming
 

 
Die Entscheidungen des 1. und 3. Senates des BGH zeigen die Tendenz, den Begriff der schadensgleichen Vermögensgefährdung aus dem rechtswissenschaftlichen Repertoire zu streichen. Gleichzeitig wandeln sie auch den Schadensbegriff als solchen, indem sie bereits dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip ( § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) geschuldete Bewertungen, Abschreibungen und Rückstellungen ( § 249 Abs. 1 HGB) als handfeste Schäden begreifen. Diesen Mut hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht aufgebracht.

Es sind aber erst zwei Senate, die diese Linie fahren. Eine ständige Rechtsprechung kann erst noch entstehen, wenn sich dem die anderen Senate anschließen oder der Große Senat ein Machtwort spricht ( § 132 GVG).

Die neue Rechtsprechung hat keine Auswirkungen auf meine rechtlichen Ausführungen zum Skimming. Dort vertrete ich die Ansicht, dass in dem Moment, in dem das Rechenzentrum der kartenausgebenden Bank nach dem Einsatz einer gefälschten Zahlungskarte mit Garantiefunktion den Genehmigungscode "0" sendet und den vom Geldautomaten geforderten Betrag - Auszahlungsbetrag und Gebühr - gegen das bankeneigene cpd-Konto bucht, sei eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zulasten der Bank eingetreten (21). Das ist bedeutsam wegen des mit dem Cashing auch verbundenen Computerbetruges gemäß § 263a StGB, der mit dem Schadenseintritt vollendet wird.
 

 
Zur Deckung für die zunächst bankinterne Buchung dient das laufende Konto des Kunden. Mit der Forderung der Bank droht dem Kunden eine Verringerung seines Vermögens in gleicher Höhe. Allein das reicht nach der neuen Rechtsprechung dazu aus, einen Schaden als solchen zulasten des Bankkunden anzunehmen.

Die heute praktizierte Schadensabwicklung, die die Bankkunden faktisch von den Schäden freistellt und sie zwischen den beteiligten Banken und ihren Verbünden verteilt, ist davon unabhängig, weil es sich dabei um eine Art Versicherungssystem handelt, das den Risikoausgleich vornimmt. Mit den ausgespähten Daten werden jedoch die betroffenen Kunden unmittelbar angegriffen. Würde das System der Schadensabwicklung fehlen, dann blieben ihre Vermögen vom Cashing belastet und die Finanzwirtschaft hätte ein handfestes und existenzielles Vertrauensproblem.

Die Schadensabwicklung führt auch nicht dazu, dass im Saldo der Bankkunde nicht geschädigt wäre. Abzustellen ist mit dem 3. Strafsenat des BGH auf den Zeitpunkt des Ereignisses und das ist die Genehmigung der Auszahlung, von der an die Belastung des Kundenkontos droht, und spätestens die Realisierung des Schadens, die im Zuge des Clearingverfahrens mit der Buchung gegen das Konto des Kunden erfolgt. Spätestens damit ist der handfeste Schaden beim Kunden eingetreten. Alles Nachfolgende ist vertrauensbildende Kompensation.
 

zurück zum Verweis Anmerkungen
 


(1) § 266 Abs. 2 StGB bezieht zwar die besonders schweren Fälle des Betruges ( § 263 Abs. 3 StGB) mit ein, nicht aber den selbständigen Verbrechenstatbestand des § 263 Abs. 5 StGB, der allein schon wegen seiner Qualifikation als Verbrechen zur Strafbarkeit des Versuchs führt ( § 23 Abs. 1 StGB).

(2) BVerfG, Beschluss vom 10.03.2009 - 2 BvR 1980/07, Leitsatz 4

(3) ebenda (2), Leitsatz 5

(4) ebenda (2), Leitsatz 6

(5) Aktivtausch

(6) Eingehungsbetrug

(7) Abschreibung

(8) (2)

(9) BGH, Beschluss vom 18.02.2009 - 1 StR 731/08, Rn 14

(10) ebenda (9), Rn 12, Zitat mit Nachweis

(11) ebenda (9), Leitsatz 1

(12) ebenda (9), Leitsatz 2
 

 
(13) BGH, Urteil vom 13.08.2009 - 3 StR 576/08

(14) BGH, Urteil vom 14.08.2009 - 3 StR 552/08

(15) ebenda (14), Rn 144.
Diesen Teil der Entscheidung hat das BVerfG als tatbestandsausweitende Überdehnung der Strafbarkeit kassiert: BVerfG, Beschluss vom 07.11.2011 - 2 BvR 2500/09, 1857/10, Rn 162 ff

(16) ebenda (14), Rn 155

(17) Jochen Thielmann, Andrea Groß-Bölting, Die "signifikante Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit" als Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB, hrr-strafrecht Januar 2010

(18) ebenda (13), Rn 23

(19) ebenda (13), Rn 24

(20) ebenda (13), Rn 25

(21) Kochheim, Skimming, 12/2009, Seite 13, 14, 17

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018