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April 2010
02.04.2010 wissenschaftliche Themenhefte
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Neues aus den Quantenwelten

 

 
 
 

 
Im Mai des letzten Jahre habe ich einen Überblick über wissenschaftliche Themenhefte gegeben. Ihre Themen haben sich immer weiter von den astronomischen Beobachtungen und technischen Spekulationen entfernt und physikalische Grundfragen aufgenommen, die vor allem die Vereinheitlichung der Weltbilder von Einsteins Relativitätstheorie und der Quantentheorie, die Vorstellungen von vielen Welten und schließlich von der Zeit vor der Zeit aufgenommen haben.

Die aufgeworfenen Kernfragen sind noch immer nicht gelöst.

Über einen neuen und interessanten Ansatz berichtet Martin Bojowald im Zusammenhang mit der Schleifenquantengravitation  (1), auch wenn er am Ende ziemlich im Vagen bleibt.

Bojowald macht auch den Auftakt im aktuellen Spektrum-Dossier "Reise durch das Quantenuniversum" (Spektrum 2010) und schreibt anschaulich, aber immer noch recht spekulativ (2). Die Themen im Übrigen greifen die bekannten Fragen nach den Singularitäten, der dunklen Materie und den spukhaften Fernwirkungen auf, gegen die sich Einstein zeit seines Lebens gewandt hat.

David Z. Albert und Rivka Galchen werfen dabei die Frage auf, ob die inzwischen bewiesene Quantenverschränkung Einsteins spezielle Relativitätstheorie (3) in Frage stellt (4). Ihre Antwort lautet: Vielleicht. Sie würdigen Einsteins Genie und verweisen darauf, dass sich die Forscher erst jetzt - nach 100 Jahren - ernsthaft mit der von ihm aufgeworfenen Kritik an der Quantentheorie beschäftigen.
 

 
Einer der deutlichsten Bewunderer von Einstein ist Anton Zeilinger. Zugleich ist er einer derjenigen, die am nachhaltigsten an Einsteins theoretischen Stuhlbeinen sägt.

Seine und die Forschungen seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter scheinen zu belegen, dass miteinander verschränkte Quantenteilchen über Entfernungen unmittelbar miteinander verbunden sind, die mit der begrenzten Lichtgeschwindigkeit nicht zu bewältigen wären. Während Einstein eine "lokale" Welt zugrunde legt, in der sich Materie und materialisierte Information höchsten mit der Lichtgeschwindigkeit bewegen können, haben Zeilinger und andere nachgewiesen, dass das für die Quantenwelt nicht gilt. Die Messung an einem Teilchen führt augenblicklich dazu, dass das "Schwesterteilchen" ebenfalls den durch die Messung verursachten Zustand annimmt. Seine Welt ist "nicht lokal" (5).

Dass Zeilinger schreiben kann, beweist er auch bei Spektrum. Anschaulich beschreibt er seine Forschungsergebnisse und stellt seine Überlegungen zum Informationsaustausch per Quantenverschränkungen und zum Quantencomputer vor. Sicher, es handelt sich um Spekulationen und Visionen. Sie sind aber nicht so abgedreht wie die, die er noch 2006 über das " richtige Beamen" angestellt hat (6).

Das neue Dossier von Spektrum belegt den langsamen Fortschritt der physikalischen Grundlagenforschung. Ihre einst getrennten Disziplinen der Beobachtung (Astronomie), der beobachteten Welt (Relativitätstheorie) und der Quantenwelt sind längst zusammengewachsen und liefern sich gegenseitig Prüfsteine, an denen sie sich messen müssen.

Auch insoweit bleibt es spannend.
 

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 Wie alles unterliegen auch Zeit und Raum den Quanteneffekten. Was im Durchschnitt und aus der Distanz so glatt aussieht wie die Wasseroberfläche eines Teichs bei Windstille, ist auf kleinsten Skalen in Wirklichkeit voller "Wellen", "unscharf", "schaumartig" - ein fluktuierendes Gewirr von geometrischen und topologischen Variationen. Zu diesem Quantenschaum der Raumzeit gehören auch mikroskopische Wurmlöcher. Wie winzige Tunnel oder henkelförmige Röhren verbinden sie für Momente unterschiedliche Regionen miteinander und verschwinden sofort wieder. Doch die Phantomenergie wird auch die Wurmlöcher ins Gigantische vergrößern uns so die Kontinuität der Raumzeit zerbrechen, ergeben die Analysen des AsconOp. ... (Irgendwann) bläht sich sich der erste Wurmlochschlund so weit auf, dass er alle anderen zusammen mit dem umgebenden Raum in sich hineinsaugt. "The winner takes it all!" Das ganze Universum wird sich selbst verschlingen. (12)
 

 
Unter der Überschrift "Kosmologie" fragt das neue Telepolis special vor Allem nach außerirdischen Zivilisationen und den bisherigen Misserfolgen der SETI (7).

Damit nimmt Telepolis die Fäden wieder auf, die bereits 2005 erörtert wurden ( Telepolis. Aliens). Das gilt besonders für die Überlegungen, wo und wie nach den Signalen der Fremden gesucht werden sollte (8).

Die regelmäßigen Telepolis-Autoren werden ergänzt von den Altmeistern Isaac Asimov und Stephen W. Hawking (9) sowie von drei gekürzten Aufsätzen, die ursprünglich bei Spektrum erschienen sind (10).

Ihre Auswahl und ihre Präsenz zeigen die Anerkennung im Wissenschaftsgeschäft, die Telepolis nicht zuletzt dadurch erlangt hat, dass hier regelmäßig Harald Zaun und Harald Lesch zu Wort kommen.

Das Themenheft ist wieder eine gelungene Mischung aus Wissenschaft und Literatur geworden.

Dafür sorgen zunächst die deutschsprachigen Altmeister der SF-Literatur Herbert W. Franke und Wolfgang Jeschke (11).
 

 
Überrascht hat mich Rüdiger Vaas (12). Die gängigen Annahmen gehen davon aus, dass sich die Expansion des Universums entweder verlangsamt, zum Stillstand kommt und schließlich die ganze Welt wieder in sich zusammenfällt, wobei noch unklar ist, ob daraus eine Singularität entsteht (ein Punkt mit unendlicher Dichte) oder sich das Ganze zu einem neuen Universum umstülpt, wie es die Theorie zur Quantenschleifengravitation nahelegt (siehe oben). Die jetzt favorisierte Alternative ist die, dass sich das Universum unendlich ausdehnt, verdünnt, seine Materie zerfällt und schließlich sich auch infolge der Hawking-Strahlung alle schwarzen Löcher auflösen. Am Ende bestände nur noch ein (fast) unendlich großes, kaltes Nichts mit einzelnen, weit verstreuten Energiequanten.

Vaas referiert eine Variante der ewigen Ausdehnung in seinem fiktiven Bericht über das vereinigte universelle Leben am Ende der baryonischen Welt. Die Phantomenergie im Vakuum kann abstoßende Wirkungen haben (13). Sie könnte bei stetiger Ausdehnung und Verdünnung dazu führen, dass sich (eigentlich) mikroskopische Schwarze Löcher extrem ausdehnen und die Raumzeit verschlingen. Sie könnten letztlich das ganze verbliebene Universum in sich stülpen und zu einem neuen Anfang führen.

Diese Idee hat Vaas zur Grundlage einer weiteren Kurzgeschichte gemacht (14).

Tolle Lektüre.
 

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(1) Schleifen und Quanten;
Martin Bojowald, Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums, S. Fischer 2009
Bestellung bei

(2) Martin Bojowald, Der Ursprung des Alls, Spektrum 2010 (S. 6)

(3) Relativitätstheorie

(4) David Z. Albert, Rivka Galchen, Bedroht die Quantenverschränkung Einsteins Theorie? Spektrum 2010 (S. 22)

(5) sehr anschaulich und ansprechend geschrieben:
Anton Zeilinger, Einsteins Spuk. Teleportation und weitere Mysterien der Quantenphysik, Goldmann 2007
Bestellung bei

(6) Anton Zeilinger, Quanten-Teleportation, Spektrum 2006 (Vom Quant zum Kosmos), S. 22

(7) Search for Extraterrestrial Intelligence - SETI;
Leben im All
 

 
(8) Harald Zaun, Interstellare Zeitmarker (S. 68); Jürgen Rink, Jenseits von Licht- und Radiowellen (S. 124)

(9) Isaac Asimov, Langlebigkeit von Intelligenz (S. 51); Stephen W. Hawking, Lebewesen im All (S. 13)

(10) Max Tegmark, Jenseits aller kosmischen Horizonte (S. 20; Spektrum 8/2003); Lawrence H. Ford, Thomas A. Roman, Per Wurmloch durchs Multiversum (S. 28; Spektrum 3/2000); Ian Crawford, Ist da draußen wer? (S. 34; Spektrum 11/2000).

(11) Herbert W. Franke, Damals vor Millionen Jahren (S. 130); Wolfgang Jeschke, Die Kosmo-Telepathen (S. 122)

(12) Ich bin nicht in der Lage, diese Aussage knapp und verständlich zusammen zu fassen. Deshalb muss ich sie wörtlich zitieren: Rüdiger Vaas, Im Anfang ... war das Ende (S. 110, 113)

(13) Harald Zaun, Big Rip statt Big Crunch, Telepolis 10.03.2003

(14) Rüdiger Vaas, Ein Universum nebenan (S. 124)
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018