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August 2010
08.08.2010 10-08-07 Informationsfreiheit
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Kampf ums Internet
  Kampf um Rechte, Geld und Freizügigkeit im Internet
Lobbyblower
(1), Verwertungsrechte, Textschnipsel, Zitate
Urheberrechte versus Informationsrecht

 

Heimlichkeiten

Das Internet ist zu einem Bestandteil des öffentlichen Lebens geworden. Seine Attraktivität zeigt sich besonders darin, dass es Informationsquellen birgt, die so einfach, schnell und grenzüberschreitend bislang nicht erreichbar waren.

Die heutige Bedeutung des Netzes hängt zunächst von der technischen Infrastruktur ab, die das Netz und seine Verfügbarkeit überhaupt erst ermöglicht. Ohne die Menschen und Einrichtungen, die sich in ihm äußern und es zur Verbreitung von Informationen nutzen, bliebe die Infrastruktur aber öde und leer.

Das Internet lebt durch die Anbieter von Informationen. Sie bewegen sich in keinem rechtsfreien Raum und je weiter die kommerzielle Nutzung des Netzes voranschreitet, desto härter werden auch die Auseinandersetzungen um Freiräume, Interessenausgleiche und Beschränkungen.

Die Forderungen der Zeitschriftenverlage ( Freiheit für Snippets) zeigen die eine Seite des Konflikts zwischen Marktchancen einerseits und Informationsfreiheit andererseits. Sie fordern eigene Leistungsschutzrechte, um von Google und Co. Geld dafür zu bekommen, dass sie ihre Veröffentlichungen im Wortlaut publik machen. Sie denken genauso kurz wie der Kläger, der erfolglos gegen Vorschaubilder geklagt hat ( Zitat und Vorschaubild).

Das ist der gelebte Widerspruch: Ohne Suchmaschinen und ohne Links blieben die meisten Informationsquellen unerkannt. Darauf wollen die Eiferer auch nicht verzichten, schließlich wollen sie sich nur neue und exklusive Erwerbsquellen erschließen. Das erinnert an Trittbrettfahrerei und ist widersprüchliches Verhalten, das der BGH zu recht auflaufen ließ ( wasch mich ...).
  

Freiheit für Snippets
Qualitätsjournalismus
Zitat und Vorschaubild
wasch mich, aber mach mich nicht nass
Trittbrettfahrer
alles ist frei?
Heimlichkeiten
sichere Häfen
Netzpolitik
Lobbyblower abblitzen lassen

Die extreme Gegenposition praktiziert Wikileaks ( Heimlichkeiten) und veröffentlicht zeitgeschichtlich bedeutende Dokumente, die deren Urheber nicht veröffentlicht sehen möchten.

In diesem Umfeld beginnt erneut eine breitere Diskussion um die Netzpolitik, die auch dringend nötig ist, um das Internet als eine Umgebung für verschiedene Prozesse zu begreifen, die verschiedene Umgebungsvariablen möglich machen. Das Internet als solches gibt es nicht mehr. Es ist zum Universalnetz geworden, das verschiedenen Formen der Privatheit Rechnung tragen muss und dazu verschiedene Regelwerke benötigt. In ihm tummeln sich eben nicht nur Gutmenschen und Schlechtmenschen, sondern alle.

Der erste Schritt zur Lösung wäre tatsächlich ein allgemeingültiges Manifest zur Netzpolitik, das das Gemeininteresse in den Vordergrund stellt und partikularen Interessen eine Absage erteilt. Das gilt besonders für die, die die Entwicklungen verschlafen haben und jetzt den Lauten machen.
 

zurück zum Verweis Freiheit für Snippets Qualitätsjournalismus
 
Eine moderne Gesellschaft basiert ganz wesentlich auf journalistischen Medien. Sie sollen die Fliehkräfte bändigen, Kompliziertes verstehbar machen, zu Übersicht und Integration beitragen – und als eine Art Frühwarnsystem rechtzeitig auf Krisen aufmerksam machen. Und: Sie sollen Journalistinnen und Journalisten beschäftigen, denen wir vertrauen können, weil sie kompetent und unabhängig sind. (2)
 

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Ins Visir der Zeitschriftenverlage sind vor allem die großen Suchmaschinen geraten, die die Veröffentlichungen der Verlage nicht nur indizieren, sondern als Suchergebnisse samt Überschrift und Textauszug präsentieren. Nicht um das zu verhindern, sondern um dafür Geld zu bekommen, verlangen sie nach einem eigenen Leistungsschutzrecht.

Damit setzt sich Jörg Heidrich in der auseinander (3) und lässt die Vertreter des Für und Widers zu Wort kommen (4). Die Verlage beklagen Umsatzrückgänge bei den Printausgaben und zu geringe Werbeeinnahmen aus dem Onlinegeschäft. Ein Verlagssterben sei zwar noch nicht eingetreten, aber ebenso vorhersehbar wie Einbußen beim Qualitätsjournalismus.

Die Wiedergaben von Überschriften und Textauszügen werden "Snippets" genannt. Sie unterscheiden sich von Zitaten dadurch, dass sie ungezielt und ohne journalistische Bearbeitung erfolgen. Dabei darf man die technischen Finessen nicht unterschätzen, die die Suchmaschinenbetreiber einsetzen, um Suchergebnisse zu optimieren und unter Relevanzgesichtspunkten hervorzuheben. Ihnen kommt dabei das journalistische Handwerkszeug entgegen, wonach in aller Regel die Kernaussagen eines Textes in der Überschrift und in der ersten Textpassage zum Tragen kommen.

Snippets sind nach geltendem Recht in aller Regel frei von vergütungspflichtigen Verwertungsrechten, weil das Urheberrecht nur Werke mit einer gewissen „Schöpfungshöhe“ <schützt>, unter die kurze Texte nur ausnahmsweise eingeordnet werden können. Das Urheberrecht schützt zunächst die geistige Leistung des Schaffenden. Die Verwertungsrechte der Verlage sind daraus abgeleitet und im Ergebnis gewerbliche Schutzrechte, die nur mittelbar den Schaffenden zugute kommen.
  

 
Deshalb wird von der Lobby auch nicht der Profit hervorgehoben, sondern das Gespenst vom Tod des Qualitätsjournalismus. Dieser Begriff wird bislang aber mehr qualitativ als hehrer Anspruch als quantitativ und prüfbar definiert. Zu seiner Erforschung hat die Uni Hamburg einen eigenen Lehrstuhl eingerichtet (5).

Streckenweise ist der anspruchsvolle Journalismus dank eigener Anstrengungen der Online-Journale auf der Strecke geblieben, wie der instinktorientierte Balz-Journalismus zeigt (6).

Damit stellt sich die Frage nach der Qualität von Informationen und dem Wandel, den das Internet bewirkt hat. Das klassische Wissen ist ganz überwiegend durch die Wikipedia und andere Quellen frei zugänglich. Dasselbe gilt etwa für die Gesetzestexte und die Rechtsprechung (7), für Wörterbücher und Übersetzungshilfen. In diesen Bereichen des kognitiven Wissens ist der Markt für Printwerke sicherlich geschmolzen.

Das hat eine positive, demokratische Kehrseite: Wissen ist frei zugänglich und verfügbar geworden.

Die intellektuelle Leistung ist dann konkurrenzfähig und hat die Chance, sich zu verkaufen, wenn sie Exklusivwissen anbietet, das auf Recherche und Bewertung beruht, oder Wissen kombiniert und bearbeitet, also es auf Zusammenhänge und vergleichbare Erscheinungen anwendet (Transfer).

Der Kritiker Kreutzer befürchtet von dem Vorstoß der Verlage eine Einschränkung der Kommunikationsfreiheit, weil sie auch banale Wortreihen monopolisieren wollen. Das geltende Recht sieht er nicht als Schutzlücke, sondern als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Meinungsfreiheit an, deren Grundlage der Zugang zu Informationen ist.
 

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Für den Zitatzweck ist es erforderlich, dass eine innere Verbindung zwischen den verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird (...). Zitate sollen als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen (...). Es genügt daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Werks nur zum Ziel hat, dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder sich selbst eigene Ausführungen zu ersparen (...). (8)
 

 
Ein ganzer Abschnitt mit 33 Paragraphen des Urhebergesetzes beschäftigt sich heute mit den Schranken des Urheberrechts. Darunter sind auch die Berichterstattung über Tagesereignisse ( § 50 UrhG) und die Zitate im Rahmen des durch den Zweck gebotenen Umfangs freigestellt ( § 51 UrhG). Der Umfang allein dieses Abschnitts zeigt das mehr oder weniger verzweifelte Bemühen des Gesetzgebers um einen Interessenausgleich zwischen Urheber und Öffentlichkeit.

Das Zitatrecht hat der BGH jüngst bestätigt und klargestellt, dass das Zitat nur als Belegstelle und als Erörterungsgrundlage zulässig ist. Das Zugänglichmachen der Quelle allein ist kein zulässiges Motiv für den Erlaubnistatbestand (8).

Diese Frage ist von besonderer Bedeutung wegen der Vorschaubilder, die zum Beispiel bei der Bildersuche anzeigt werden. Dabei wird nicht nur der Link zur Quelle präsentiert, sondern auch eine verkleinerte Version des Bildes, die z.B. von Google selber hergestellt und gespeichert wird. Das ist, so der BGH, eine eigene Nutzungshandlung ( § 19a UrhG), keine freie Bearbeitung im Sinne von § 3 UrhG und auch kein Zitat. Denn das Vorschaubild dient dazu, das Werk um seiner selbst willen als Vorschaubild der Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen. Vorschaubilder werden in einem automatisierten Verfahren in die Trefferliste eingefügt, ohne dass dieser Vorgang als solcher der geistigen Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen soll (9).

Der BGH sieht aber eine  schlichte Einwilligung in die Urheberrechtsverletzung darin, dass der Urheberrechtsinhaber seine Werke im Internet veröffentlicht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen (10).
 

 
 Diese Wendung ist genial und zweischneidig zugleich. Jeder Urheber darf über seine Verwertungsrechte frei entscheiden. Das Recht zwingt ihn nicht, seine Werke frei zugänglich im Internet zu veröffentlichen, wo sie Crawlern (11) ausgesetzt sind. Im Übrigen steht es ihm frei, technische Sicherungsmaßnahmen einzusetzen. Davon gibt es mindestens vier:

Der Befehl "noindex" im Header einer Datei soll Suchmaschinen davon abhalten, diese Datei zu indizieren. Die meisten halten sich auch daran. Die blöde Folge ist nur, dass dann die Seite als Ganze nicht indiziert und von der Suchmaschine nicht ausgewiesen wird. Aber das wollen ja gerade die meisten gewerblichen Anbieter erreichen und setzen alles daran, ihre Seiten dafür zu optimieren.

Der Befehl "nofollow" im Header einer Datei soll Suchmaschinen daran hindern, zu verlinkten Seiten und Objekten zu wechseln. Die blöde Folge ist nur, dass dann die Suchmaschine das zum Kauf angebotene Werk gar nicht als Grafik erkennt und es in der Bildersuche nicht erscheint.

Man kann seine Werke auch in geschützten Benutzergruppen ablegen, deren Zugang nach einer Autorisierung verlangt. Das blöde ist nur ... wie gehabt, man bleibt damit potenziellen Käufern gegenüber unsichtbar.

Man kann - jedenfalls dynamisch generierte - Webseiten vor dem Zugriff von Crawlern aktiv schützen und sogar steuern, wer zum Seitenaufruf berechtigt ist und was er tatsächlich zu sehen bekommt. Das ist nicht nur aufwändig, sondern auch blöd ...

 Der BGH wendet sich gegen widersprüchliches Verhalten, das einerseits das Internet und seine Dienste verkaufsfördernd nutzen will und andererseits die Mimose herauskehrt, wenn dabei eigene Befindlichkeiten betroffen werden. Das kann man auch böse ausdrücken: Der Anbieter will einerseits kostenlose Popularität bekommen und andererseits jeden Furz zu Geld machen. Rücksichtsnahme, Interessenausgleich und Fairness schwinden dabei zu unbekannten Begriffen.
 

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Wer sind die Trittbrettfahrer?

Die Suchmaschinenbetreiber, die krakengleich das Internet nach Informationen abgrasen, sammeln, speichern, auswerten und wieder präsentieren?
Ja! Sie machen ihr Geschäft unbefragt, geben aber auch wieder etwas zurück, ohne dem das Internet nicht seine heutige Qualität hätte (12).

Die privaten, in aller Regel altruistischen Anbieter von Inhalten, Wörtern und Bildern?
Nein! Sie verfolgen in aller Regel kein Geschäft, zahlen mehr als sie als Partner großer Veranstalter einnehmen und stecken unbezahlte Arbeitskraft und -zeit in ihr Hobby. Sie sind das begehrte Futter für die Haie in der Internetkultur, die Abmahner, die wegen vermeintlicher oder kleiner Regelverletzungen entrüstet tuenden Anwaltsmanufakturen mit angeschlossenen Recherche- und Inkassowerkbänken. Sie geben der Internetkultur nichts und tun alles, um Profit zu saugen: Money for nothing (13).

Die im Internet aktiven Verlage?
Nein! Sie tragen zur Qualität des Internets bei und stellen Dienste zur Verfügung, die es sonst nicht gäbe. Das beste Beispiel dafür ist der Heise-Verlag; er muss Einnahmen und Profit machen, weil er qualifizierte Leute beschäftigt. Dennoch verbreitet er über seinen Ticker und mehrere Themensparten kostenfreie Informationen, die nebenbei auch auf kostenpflichtige Angebote verweisen.

Die verschlafenen Verlage?
Ja! Für sie gilt dasselbe wie für die Musikindustrie, die sich auf ihren Tonträgern und GEMA-Gebühren ausgeruht hat. Plötzlich tun sie entrüstet, wollen jeden Mist vergütet bekommen und verweigern sich jeder Qualitätskontrolle, also dem Markt, der die dumme Eigenschaft hat, überflüssige oder schlechte Produkte durch mangelnde Nachfrage abzustrafen.
  

 
Nein!

Meinungsfreiheit und Streit müssen in einer demokratischen Umgebung möglich und straflos sein! Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit fremden Inhalten und Äußerungen. Damit ist die Forderung nach einer gewissen Gelassenheit verbunden, wenn eine Äußerung die gebotene Toleranz überschreitet oder eine Aktion lästig wird. Ich halte mich dabei an die alte Dame Rosa Luxemburg: Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

Wegen der Schutzrechte gilt dasselbe. Eine Marke lebt davon, dass sie in vieler Munde ist. Wer als Autor totgeschwiegen wird, ist als Autor tot. Wer aus der öffentlichen Aufmerksamkeit seinen Profit oder seinen Selbstwert zieht, darf sich nicht entrüsten, wenn ihm aus dieser Öffentlichkeit heraus der Spiegel vorgehalten wird und nicht alles so glänzt, wie es der Protagonist gerne hätte.

Die Grenzen sind auch klar: Man darf sich nicht mit fremden Federn schmücken. Das gilt gleichermaßen für Wörter, Bilder und transferierte Zusammenhänge.

Meine Konsequenz daraus ist: Lauterkeit.

Wo ich Bezug auf fremde Inhalte nehme, muss ich zitieren - und dazu reicht ein einfacher Link auf die Quelle im Internet. Der BGH lehrt uns, dass jeder, der sich im Internet öffentlich tummelt, sein grundsätzliches Einverständnis dazu gibt, zitiert zu werden. Das Zitatrecht ist jedenfalls dann überschritten, wenn fremde Texte als Ganzes und ohne Zusammenhang und ohne intellektuelle  Auseinandersetzung veröffentlicht werden. Das ist Schmarotzerei und der Piraterie in Bezug auf hochwertige Software und Vorpremierenfilmen jedenfalls ähnlich.
 

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WikiLeaks ist eine Internet-Plattform, auf der anonym Dokumente veröffentlicht werden können, bei denen ein öffentliches Interesse angenommen wird. (14)
 

 
Am 04.03.2005 wurde die italienische Journalistin Guiliana Sgrena von ihren Entführern im Irak freigelassen (15). Auf der Fahrt zum Flughafen wurden sie und ihre Begleiter von einer US-Streife beschossen, wobei Nicola Calipari erschossen wurde.

Zwei Monate später veröffentlichte das Pentagon einen Untersuchungsbericht, der vor allem Schwärzungen enthielt. Das peinliche PDF-Dokument ist noch heute im Archiv der italienischen Tageszeitung Corriere della sera verfügbar (16).

Peinlich ist das Dokument deshalb, weil die Schwärzungen nur oberflächlich sind. Im eingebetteten Rohtext sind alle Namen und geheimhaltungswürdigen Fakten erhalten (17). Wenn man den Text markiert und in einen Editor kopiert, wird alles lesbar ( Großansicht).

Wikileaks hingegen überlässt die Veröffentlichung von Peinlichkeiten nicht dem Zufall oder der Dummheit der Urheber. Der Plattform geht es nicht um die Themen der Regenbogenpresse, sondern um solche Dokumente, die von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind. Zuletzt machte sie mit der Veröffentlichung von fast 92.000 meist geheimen Dokumente des US-Militärs über die Situation in Afghanistan Furore (18).

Knapp 100 Beiträge in Wikileaks beschäftigen sich mit deutschen Themen. Dort sind keine Journalisten tätig, sondern die "Gemeinde" kann alle Dokumente einspeisen, ohne Strafverfolgung oder andere Sanktionen befürchten zu müssen. Möglich machen das Anonymisierer und ein sicherer Serverstandort in Schweden (19).
 

 
Das US-Militär fordert die Löschung und Herausgabe der Afghanistan-Dokumente und versteigt sich zu der Behauptung, sie seien trotz ihrer Veröffentlichung immer noch geheim (20). Der Tonfall lässt erwarten, das Commodore Matthew Perry alsbald vor schwedischen Küsten kreuzt (21).

Wikileaks ist ein Whistleblower (22), der bei unredlichem Verhalten laut gibt.

Seine Veröffentlichungspraxis ist gefährlich für seine Betreiber. Auch der deutsche Gesetzgeber spricht insoweit nicht etwa von Investigativem Journalismus (23), sondern von Landesverrat.

Wikileaks zeigt, dass bestimmte brisante Informationen nur dann im Internet veröffentlicht werden können, wenn gleichzeitig die Technik und die Mitarbeiter vor obrigkeitlichen Zugriffen abgeschottet werden. Darin - und nur darin - ist Wikileaks den sicheren Häfen der Schurkenprovider vergleichbar (24).

Wikileaks ist ein politisches Projekt, das sich der Aufklärung verpflichtet sieht. Es verdient Respekt, auch wenn der schale Geschmack bleibt, dass nicht alle Veröffentlichungen allein deshalb berechtigt und gut sind, weil sie erfolgen. Andererseits bildet Wikileaks eine Gegenöffentlichkeit, die sich gegen Geheimnistuerei und Verschleierungen gegenüber der Öffentlichkeit wendet und das vor Allem in totalitären Regimen. Die Region China ist immerhin mit 215 Seiten vertreten.
 

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Unterschiedlicher können sie nicht sein, die netzpolitischen Thesen des Bundesinnenministers (25) mit ihrer Tendenz zur Regulierung und Verrechtlichung des Internets und des Chaos Computer Clubs - (26) - mit der strikten Forderung nach Freiheit und Eierkuchen.

Der Aufforderung de Maizières zur Diskussion der Thesen sind bahnbrechende 220 Leute gefolgt (27) und sie wenden sich mehrheitlich gegen mehr rechtliche Bindungen, für Anonymität und eine benutzerfreundliche Technik (28). Blamabel!

Die Beispiele zeigen, dass der Kampf ums Internet im vollen Gange ist. In ihm stoßen wirtschaftliche Interessen, Profiteure, Freiheitskämpfer und bemühte Regulatoren aufeinander mit Wertvorstellungen, die nur wenige Gemeinsamkeiten und viele Antagonismen, also unauflösbare Widersprüche haben.

Bemerkenswert ist, dass dabei vermehrt auch Stimmen laut werden, die die bürgerlichen Freiheiten ermahnen. Auch dahinter steckt gelegentlich das Motiv, das Internet als sanktionslosen Freiraum zu erhalten. Das ist es schon längst nicht mehr, wie die technisch aufgerüsteten Abmahner zeigen. In ihre Fänge geraten aber nur die Unbedarften und die, die keine Vorkehrungen vor ihrer Enttarnung treffen.

Wikileaks und die Cybercrime - so verschieden sie auch aufgestellt sind - zeigen eine gefährliche Tendenz zur Teilung des Internets in eine saubere Oberstadt, in der Regeln gelten und durchgesetzt werden, und eine abgeschottete Unterstadt, die frei, tendenziell anarchisch und ein Bisschen schmuddelig ist.
 

 
Deshalb ist die Diskussion um die Netzpolitik wichtig und sinnvoll. Dabei sind de Maizières und die Beiträge des erheblich wichtiger (29) als die der Lobbyisten, denen die Unehrlichkeit in aller Regel auf die Stirn geschrieben ist.

Manche Widersprüche könnten sich bei einer differenzierten Betrachtung vermeiden und auflösen lassen, wenn das Internet endlich nicht als einheitliches Ganzes begriffen wird, sondern als Umgebung für verschiedene Aktivitäten, für die auch verschiedene Regeln gelten können.

Das kommerzielle Netz braucht tatsächlich gesicherte Umgebungsvariablen. Es kann im Zusammenhang mit Alltagsgeschäften mit der Anonymität leben, wenn die Tauschprozesse abgesichert sind. Wenn ich im Supermarkt einkaufe, dann muss ich nicht auch gleich meinen Ausweis zücken und meinen Datenschatten zur freien Verfügung stellen. Erst bei wirklich werthaltigen Geschäften oder Informationstauschen müssen die Partner die Identität und Berechtigung des jeweils anderen kennen und prüfen.

Anders sieht es hingegen aus, wenn es um die Meinungsfreiheit und den Streit um inhaltliche Fragen geht. Weder Staat noch Wirtschaft haben insoweit ein berechtigtes Interesse daran, dass sich alle Beteiligten mit Namenskärtchen und persönlichem Profil vorstellen. Spätestens dann, wenn es um politische Mehrheiten und Überzeugungsbildung geht, müssen sich die Beteiligten sowieso offenbaren.

Grundsätzlich will niemand, dass das Internet zu Straftaten und zum Schaden anderer missbraucht wird. An dieser Stelle ist tatsächlich die Politik gefragt, die auch Überzeugungsbildung betreiben muss. Das verlangt in erster Linie nach politischem Selbstbewusstsein und einer klaren Vorstellung davon, welche und wessen Interessen vor- und nachrangig sind. Das hilft auch gegen Lobbyblower und ist längst überfällig.
 

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(1) "Lobbyblower" ist eine Wortschöpfung von mir, die an den Whistleblower [ (22)] angelehnt ist. Es handelt sich um die lauten "Bläser", die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die Interessen ihrer Auftraggeber in den Vordergrund spielen, ohne sich einen Deut um die Interessen anderer zu kümmern. Bei Google sind bislang nur Quellen bekannt, in denen zwei voneinander getrennte Wörter verwendet werden.

(2) Siegfried Weischenberg, Qualitätsjournalismus ist ein Kulturgut, DieGesellschafter.de 19.05.2009

(3) Joerg Heidrich, Kulturkampf. Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010

(4) ebenda:
Christoph Fiedler, Pro Leistungsschutzrecht
Till Kreutzer, Kontra Leistungsschutzrecht

(5) Volker Lilienthal

(6) anspruchslose Entlohnung, 21.03.2009

(7) die wichtigsten Adressen im Internet, 31.07.2010

(8) BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 69/08, Rn 26.

(9) (8), Rn. 27.

(10) (8), Rn. 36.

(11) Spionage-Krabbeler, 20.10.2009

(12) Nicht alles, was Google macht, ist deshalb schon gut und richtig. Nicht richtig finde ich die ungefragte Indixierung ganzer Bücher und ihre Veröffentlichung als Faksimile. Das ist jedoch eine andere Geschichte.

(13) Ein plastisches Abrechnungsbeispiel wird bei wikileaks präsentiert: DRS Praesentation zur Gewinnverbesserung durch Abmahnungverfahren, 02 February 2009.
Von 450 € Abmahngebühr bekommt der Rechteinhaber 90 € und der Rest entfällt auf die Technik- und Rechtsverfolgungskosten. Da jubelt auch der Rechteinhaber, weil er durch verfolgte illegale Downloads den 150-fachen Preis als auf dem legalen Markt erlöst.
Das ist kein Einzelfall: Unanständiges Geschäftsmodell.
 

 
(14) WikiLeaks

(15) Giuliana Sgrena. Entführung ...

(16) Background ...

(17) Pentagon blamiert sich mit geschwärztem PDF-Dokument, Heise online 02.05.2005

(18) Florian Rötzer, NFI. 56 Killed None(None) Insurgent, Telepolis 26.07.2010;
David Talbot, Wo ist das Leck in Wikileaks? Technology Review 02.08.2010

(19) Künftig könnte Wikileaks auf Island angesiedelt sein: Isländisches Parlament macht sich für Medien- und Datenfreihafen stark, Heise online 17.06.2010.

(20) Pentagon verbietet US-Soldaten den Zugriff auf die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente, Telepolis 07.08.2010

(21) Kanonenbootpolitik. Japan 1853

(22) Whistleblower

(23) Investigativer Journalismus

(24) Rogue Provider, 13.07.2008

(25) Thomas de Maizière, 14 Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft, BMI 22.06.2010

(26) CCC, Forderungen für ein lebenswertes Netz, CCC 19.07.2010

(27) Auswertung der E-Konsultation zu de Maizières netzpolitischen Thesen veröffentlicht, Heise online 05.08.2010

(28) BMI, Dialog beendet - die Bewertungen zu den Thesen!

(29) Das gilt auch für die Forderungen des DBK zur Bekämpfung der Cybercrime: Internet-Reset.
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018