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November 2010 |
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Verständigung #2 | Hose runter ! |
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Verständigung darf nicht als fauler Kompromiss und willkürlicher Deal angesehen werden, deren Vorbilder gerne in amerikanischen Spielfilmen zu sehen wären. Es darf keine "Punktstrafe" ausgehandelt werden, sondern nur eine Ober- und Untergrenze für die Strafe, also ein Strafrahmen (3). Die Strafe muss schuldangemessen sein ( § 257c Abs. 4 StPO). Rechtsfragen sind einer Verständigung nicht zugänglich. Das gilt etwa für die Frage der bevorzugten Anrechnung von Auslieferungshaft (4), für Vollstreckungsabschläge wegen menschenunrechtswürdiger Verfahrensverzögerungen (5) oder wegen Zusagen zur Strafvollstreckung (6), besonders zum Absehen der Vollstreckung wegen Abschiebung oder Auslieferung ( § 456a StPO). Auch nicht verhandlungsfähig sind die Voraussetzungen des materiellen Strafrechts für Strafrahmenverschiebungen. Das gilt zum Beispiel für den Täter-Opfer-Ausgleich ( § 46a StGB). Das ernsthafte Bemühen des Täters um Schadenswiedergutmachung kann das Gericht damit belohnen, dass es nach Maßgabe des § 49 StGB den Strafrahmen mildert.
Das gilt
auch für die wieder eingeführte Kronzeugenregelung (
§ 46b StGB), das heißt für die freimütige Äußerung über nicht nur
die eigenen Straftaten, sondern auch die Aufklärung der Beteiligungen
anderer. |
Mit § 46b Abs. 3 StGB begrenzt der Gesetzgeber die zeitliche Dimension des Entgegenkommens: Der Täter muss sich schnell entscheiden. Die Wohltat steht ihm nur zu, wenn er sich bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht nur taktisch (7), sondern umfassend äußert, also auch zu den Mittätern und Hinterleuten. Der Gesetzgeber hat damit eine vernünftige Linie auch für die Verständigung in der Hauptverhandlung gezogen: Nach den verfahrensrechtlichen Formalitäten ( § 243 StPO) hat der Angeklagte das Wort ( §§ 243 Abs. 5 S. 2, 244 Abs. 1 StPO). Das ist für ihn die Gelegenheit, seine Leistung für die Wohltaten einer Verständigung zu erbringen. Äußert er sich erst später und vor Allem taktisch nach dem Motto, "ich gestehe alles, was man mir nachweisen kann", dann reduziert sich das Entgegenkommen immer mehr; faktisch bis auf Null oder nahe dem. Jedes Geständnis muss bei der Strafzumessung gewürdigt werden. Welche Auswirkungen es hat, ist eine andere Frage und davon abhängig, wann es erfolgt, welche Klarheiten es schafft (wobei danach gefragt wird, welche Beweiserhebungen dadurch vermieden werden) und wie sehr es das Umfeld der Straftat aufhellt.
Anbiederungen des Gerichts hat der BGH deutliche Absagen erteilt
(8).
Sie sind unwürdig und unprofessionell. |
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Anmerkungen | |||
(2) BGH, Beschluss vom 05.10.2010 - 3 StR 287/10, S. 5 (3) BGH-Rundschau, 26.11.2010 (4) Ist der Täter aus dem Ausland ausgeliefert worden, so muss das Gericht über den Maßstab der Anrechnung der Auslieferungshaft entscheiden. Er lautet in aller Regel auf 1:1, das heißt, dass ein Tag in Auslieferungshaft als ein Tag der Strafe angerechnet wird. Eine Anrechnung im Sinne von 1:1,5 bedeutet, dass 2 Tage Auslieferungshaft wie 3 Tage Freiheitsstrafe anzurechnen sind. Die im Inland erlittene Untersuchungshaft wird hingegen von Gesetzes wegen im Verhältnis 1:1 angerechnet ( § 51 Abs. 1 StGB). (6) BGH-Rundschau, 26.11.2010 (7) BGH-Rundschau, 26.11.2010 |
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Cyberfahnder | |||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |