|  
 | 11-02-31 
  Die 
		einschlägige Rechtsprechung ist jetzt zwei Jahre alt und das ist genug 
		Zeit, dass neue Mythen entstehen konnten. Mythos 1: Ungelesene E-Mails können nur nach 
		Maßgabe der strengen Anforderungen für die TKÜ beschlagnahmt werden. 
		 Als erster 
		hat sich seinerzeit der BGH geäußert  (1) 
		und die Beschlagnahme von E-Mails beim Provider als zulässig betrachtet 
		und das unabhängig davon, ob sie bereits vom Empfänger gelesen wurden 
		oder nicht. Einschlägig ist danach das "normale" Beschlagnahmerecht der  §§ 94 ff. StPO. Das bedeutet zunächst, dass die Maßnahme durch 
		keinen Straftatenkatalog eingeschränkt ist, sondern nur dadurch, dass 
		die Beschlagnahme  unter den Voraussetzungen des  § 99 StPO erfolgen muss. Daraus ergeben sich zwei 
		Einschränkungen: 
		 Die 
		Anordnung darf nur im förmlichen Ermittlungsverfahren getroffen werden 
		und nicht schon im  Vorermittlungsverfahren, weil sie sich ausdrücklich gegen einen - 
		auch noch unbenannten - Beschuldigten richten muss. 
		 Besonders wichtig ist dem BGH die richterliche Kontrolle, so dass er 
		ausdrücklich auf die Anordnungskompetenz in  § 100 StPO verweist. 
		 Allein 
		schon die systematische Zuordnung zum "einfachen" Beschlagnahmerecht 
		schließt weitere Beschränkungen im Hinblick auf  § 100a StPO aus. Das sagt der BGH auch ausdrücklich:  Jedoch bedurfte es für die im Postfach beim E-Mail-Provider 
		abgespeicherten E-Mails, ob bereits gelesen oder noch ungelesen, auch 
		nicht der Voraussetzungen des  § 100a StPO, denn während der möglicherweise auch nur 
		Sekundenbruchteile andauernden Speicherung in der Datenbank des 
		Mail-Providers ist kein Telekommunikationsvorgang (mehr) gegeben ... 
		(S. 3) 
 |  Mythos 2: Die Durchsicht der E-Mails darf 
		nicht der Polizei übertragen werden.
 
		 Schon in 
		der genannten BGH-Entscheidung wird ein (richterliches) 
		Herausgabeersuchen nach  § 95 StPO verlangt, das sich gegen den Provider richtet. Nur wenig 
		später hat sich das BVerfG geäußert und die Durchsicht nach  § 110 StPO hervorgehoben  (2) 
		zur  Vermeidung einer übermäßigen und auf Dauer angelegten Datenerhebung und 
		damit <zur> Verminderung der Intensität des Eingriffs (Rn. 
		96). Die Durchsicht ist der Beschlagnahme vorgelagert und dient dazu, 
		beweisrelevante Nachrichten von solchen zu trennen, die keine Bedeutung 
		haben. Den sehr weiten Maßstab dafür liefert
		
		 § 94 Abs. 1 StPO und umfasst alle Nachrichten,  die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können (potenzielle Beweisbedeutung). Das BVerfG spricht durchgängig und undifferenziert von den 
		Strafverfolgungsbehörden und das sind der Richter, die 
		Staatsanwaltschaft und die Ermittlungspersonen ( § 152 Abs. 1 GVG), auf die die Durchsicht von der Staatsanwaltschaft 
		übertragen werden darf (  § 110 Abs. 1 StPO). 
		 Der zweite 
		Mythos wird aus  § 100 Abs. 3 StPO abgeleitet, wonach die Post nur vom Richter 
		gesichtet werden darf und diese Prozedur allenfalls auf die 
		Staatsanwaltschaft übertragen werden kann. Diese ganz besondere
		Ausführungsvorschrift für die 
		Postbeschlagnahme hat aber nichts mit den Anordnungsvoraussetzungen 
		und der -kompetenz zu tun, die der BGH im 
		Wege der Auslegung ins Feld geführt hat. Die E-Mail-Beschlagnahme ist 
		eben keine Postbeschlagnahme, sondern eine einfache Beschlagnahme, denen 
		die strengeren Voraussetzungen der Postbeschlagnahme zur Seite gestellt 
		sind. Die Ausführungsbeschränkungen wegen der Postbeschlagnahme gelten 
		deshalb nur für diese besondere Maßnahme. 
 |