Tatsachen im
Vorermittlungsverfahren
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§
152 Abs. 2 StPO enthält zwei das Ermittlungsverfahren bestimmende
Aussagen. Das ist zum Einen das
Legalitätsprinzip, das die Staatsanwaltschaft zum
Einschreiten gegen Straftaten verpflichtet, wenn nicht im Besonderen
Einschränkungen und Ausnahmen bestimmt sind. Die zweite wichtige Aussage
ist die, dass eine Straftat nur dann zu verfolgen ist, wenn
hinreichende
Tatsachen
vorliegen, die sie begründen.
Nicht jede Tatsache für sich alleine begründet einen
Verdacht,
sondern erst ihre fachliche und rechtliche Bewertung und das auch nur
beim Zusammenspiel von verschiedenen Tatsachen und gesicherten
Erfahrungssätzen. Die Rechtsprechung und die Literatur erkennen deshalb
eine dem Ermittlungsverfahren vorgelagerte Phase der
Vorermittlungen
an. Sie dient der Staatsanwaltschaft und der Polizei zur Sondierung, das
heißt zur Sammlung von Spuren, Beweismitteln und mündlichen Aussagen,
die ein vorläufiges Gesamtbild vom Geschehen, seinen Beteiligten (Täter,
Opfer, Zeugen) und zur rechtlichen Einordnung geben. Die Pflicht zum
Einschreiten gemäß
§
152 Abs. 2 StPO beginnt dann, wenn die Tatsachen dafür sprechen,
dass eine Straftat geschehen ist. Die Identität der Beteiligten und der
genaue Ablauf des Geschehens muss dazu noch längst nicht feststehen.
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Die wesentliche Frage, die sich bei den Vorermittlungen stellt, ist
die nach den Zwangsmaßnahmen, die während der Sondierung angeordnet
werden dürfen. Sie stellt sich besonders dann, wenn es die Tatsachen unklar
lassen, ob eine Straftat vorliegt oder einen in strafrechtlicher
Hinsicht harmlosen Grund haben. Das kann bei einem Verkehrsunfall ebenso
der Fall sein wie beim Fund einer Leiche oder bei den Ermittlungen über
Brandursachen. Immer stellt sich dabei die Frage, ob Personen oder
Sachen durchsucht, Gegenstände beschlagnahmt oder Personen auch
festgenommen werden dürfen.
Eine herrschende Linie gibt es in der Rechtsprechung und der Literatur
dazu nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Strafprozessordnung
keine klare Aussage dazu trifft, ob die
Untersuchung, von der
§ 94
Abs. 1 StPO spricht, auch die Vorermittlungen umfasst oder nicht.
Aus verschiedenen gesetzlichen Pflichten und dem Wortlaut besondere
Einzelfälle regelnder Paragraphen lässt sich jedoch ableiten, dass
bereits während der Vorermittlungen eine Beweissicherungspflicht
besteht, die von strafverfahrensrechtlichen Eingriffsrechten begleitet
werden. Sie lassen den Schluss zu, dass die Vorermittlungen ein Teil
der strafrechtlichen Untersuchung sind, in denen einzelne
Eingriffsmaßnahmen zulässig sind, wenn der Gesetzgeber keine weiteren
Handlungsschranken gesetzt hat.
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Vorfeld- und Vorermittlungen |
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Vorermittlungen nach der StPO |
Prävention und Vorfeld |
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Vorermittlungen bei Leichensachen
Wenn Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod bestehen oder wenn
die Identität einer gefundenen Leiche unbekannt ist, muss die
Staatsanwaltschaft unterrichtet werden (
§ 159 Abs. 1 StPO). Nur sie darf die Leiche zur Bestattung freigeben
(
§ 159 Abs. 2 StPO).
Die StPO regelt das weitere Vorgehen:
Leichenschau -
§ 87 Abs. 1 StPO
Ausgrabung -
§ 87 Abs. 3, 4 StPO
Identitätsfeststellung -
§ 88 Abs. 1 StPO
Entnahme von Körperzellen -
§ 88 Abs. 1 S. 2 StPO
Leichenöffnung -
§ 87 Abs. 2 StPO
... durch zwei Ärzte -
§ 87 Abs. 2 StPO
Kopf-, Brust- und Bauchhöhle -
§ 89 StPO
neugeborenes Kind -
§ 90 StPO
Verdacht einer Vergiftung -
§ 91 StPO
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Vorermittlungen sind davon geprägt, dass bereits "ungewöhnliche"
Tatsachen bekannt sind (
Merkwürdigkeit), die nach der kriminalistischen Erfahrung eine
Straftat vermuten lassen und deshalb zur Erforschung der Ursachen
zwingen.
Solche Ursachenermittlungen sind der Strafprozessordnung nicht fremd,
wie einige Kommentatoren zu Unrecht meinen
(1). Im Zusammenhang mit Leichenfunden enthält
die StPO detaillierte Regeln (
siehe links) und strukturiert damit diesen Sonderfall der
Vorermittlungen.
Daran schließt sich der BGH an, der die Auffassung vertritt,
"Leichensachen" gemäß
§§
159,
87
StPO seien keine Ermittlungsverfahren
(2).
Das betrachtet er jedoch aus einer besonderen Sicht, nämlich nach dem
Maßstab des
§ 22
Nr. 4. StPO, wonach der Richter dann sein Amt nicht ausüben kann,
wenn er bereits in der Sache als Staatsanwalt tätig gewesen ist.
"Ermittlungsverfahren" und "Untersuchung" im Sinne von
§ 94
Abs. 1 StPO sind hingegen keine deckungsgleichen Begriffe. Der
Begriff des Ermittlungsverfahrens ist geprägt von
§
152 Abs. 2 StPO und setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft davon
überzeugt ist, dass eine Straftat begangen wurde. Genau das steht
während der Vorermittlungen noch nicht fest.
Um aus den Vorermittlungen zum Ermittlungsverfahren überzuleiten,
bedarf es nach herrschender Meinung eines Willensaktes der zuständigen
Strafverfolgungsbehörde, der erst möglich ist, wenn sie davon überzeugt
ist, dass eine Straftat begangen wurde.
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Die Kriminalitätsvorbeugung (Prävention) ist eine polizeiliche Aufgabe.
Davon macht die StPO einige Ausnahmen.
Der
Erkennungsdienst wird von
§
81b StPO nur knapp angesprochen und hat eine strafverfahrensrechtliche ("Durchführung des
Strafverfahrens") und eine polizeiliche Ausrichtung ("Erkennungsdienst"
im engeren Sinne), deren Einzelheiten in den Polizeigesetzen der Länder
geregelt werden. Er umfasst vor allem Messungen am Körper (Größe, Armlänge
usw.), die Erfassung von Merkmalen (Narben, fehlende Glieder), die
Fertigung von Fotografien und die Abnahme von Fingerabdrücken
(3).
Eine große Bedeutung hat die molekulargenetische Untersuchung erlangt
(
genetischer Fingerabdruck,
§
81g StPO), die ausdrücklich zur Aufklärung künftiger Straftaten
dient
(4).
Polizei und Staatsanwaltschaft sind darüber hinaus zum Abgleich von
Dateien befugt (
§ 98c StPO), um Straftaten aufzuklären. Die sehr allgemein gehaltene
Formulierung umfasst auch die Erkundung von Tat- und Täterzusammenhängen
sowie von organisierten Strukturen, die noch im
Vorfeld angesiedelt sind. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen hierzu
auch gemeinsame Datensammlungen erstellen (
§§ 483 ff. StPO).
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beobachtete Erscheinungsformen |
Initiativermittlungen |
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Durch Verwaltungsvorschriften (
MiZi, MiStra) sind Gerichte, Verwaltungs- und
Strafverfolgungsbehörden zur gegenseitigen Unterrichtung in bestimmten
Fällen verpflichtet. Das gilt zum Beispiel wegen der Eidesstattlichen
Versicherungen über die Vermögenslosigkeit von Privatpersonen und Firmen
sowie über die Eröffnung von Insolvenzverfahren. In diesen Fällen prüft
die Staatsanwaltschaft, ob ein Anfangsverdacht wegen Betrug (
§ 263 StGB), Untreue (
§ 266 StGB), Bankrott (
§ 283 StGB) oder Verletzung der Insolvenzantragspflicht (
§ 15a InsO) besteht, indem sie die gerichtlichen Vorgänge einsieht
oder z.B. den Insolvenzverwalter wegen der Insolvenzgründe und den
Zeitpunkt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit befragt. Dabei prüft
sie auch, ob die Vorschriften über die Buchhaltung und die Termine für die Aufstellung von Jahresabschlüssen
eingehalten wurden (
§ 242 HGB,
§§
41,
42a
GmbHG).
Ich rechne diese Prüfungsaufgaben den Vorermittlungen zu, weil sie
anlassbezogen sind und der Anlass die tatsächlichen Anhaltspunkte
für die Prüfung liefert.
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Nr. 4.5 der
Anlage E
zur RiStBV ermächtigt die Staatsanwaltschaft und die Polizei wegen
der
Organisierten Kriminalität ausdrücklich zu Ermittlungen, um die
Frage zu klären, ob ein Anfangsverdacht besteht. Dazu darf die
Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Nebentäter zurückstellen, um
zunächst die Haupttäter zu identifizieren und ihre Beteiligung zu
klären. Dabei handelt es sich um
Vorfeldermittlungen.
Die Ermächtigung zu Initiativermittlungen ist eine typische
Ausformulierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ihm liegt eine
Güterabwägung zugrunde, die das Strafverfolgungsinteresse der
Allgemeinheit nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten trennt
und der Ermittlungstiefe den vorübergehenden Vorzug gibt. Daraus ist kein
Verzicht auf Strafverfolgung abzuleiten, sondern die Anweisung, die
besonders gefährlichen Strukturen im Umfeld der schwersten Kriminalität
aufzuklären. Dazu wird eine mildere Verfolgung der Nebentäter in Kauf
genommen.
Die
ausdrückliche Benennung der Organisierten Kriminalität bedeutet hingegen
nicht, dass die Güterabwägung nicht auch für andere
Kriminalitätsbereiche gilt. Je nach der
Schwere
der Kriminalität greifen auch dort die gleichen Grundsätze. Der
populistische Merksatz, "die Kleinen bestraft man ...", gilt nach
verfassungs- und strafverfahrensrechtlichen Grundsätzen eben nicht.
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Ermächtigung zu Vorermittlungen |
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§
160 Abs. 1 StPO verpflichtet die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen,
sobald sie Kenntnis von einer Straftat erhält. Das heißt aber noch
nicht, dass zu ihrer sicheren Überzeugung eine Straftat begangen wurde.
In dieselbe Richtung geht
§
160 Abs. 2, 2. Halbsatz StPO, der die Staatsanwaltschaft zur
Erhebung und Sicherung der Beweise verpflichtet, deren Verlust zu
besorgen ist. Beide Vorschriften verlangen nach staatsanwaltschaftlichen
Handlungen im Zusammenhang mit Vorermittlungen. Dem schließt sich mit
klaren Worten der
§
163 StPO an. Er verpflichtet die Polizei zum ersten Zugriff. Sie hat
Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden
Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.
§
163 Abs. 1 S. 2 StPO gibt den hier interessierenden Auftrag: Bei
Gefahr
in Verzug muss die Polizei alle Anordnungen treffen, zu denen sie
befugt ist.
Diese Befugnisse richten sich nach dem Verdachtsgrad. Die
Postbeschlagnahme darf sich nur gegen Beschuldigte richten (
§ 99 StPO) und setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine
Straftat bestehen. Dasselbe gilt für andere geheime Ermittlungen (
§ 101 Abs. 1 StPO), nicht aber zum Beispiel für die Beschlagnahme (
§ 94 Abs. 2 StPO) und die Durchsuchung beim unbeteiligten Dritten (
§ 103 StPO).
Die
Strafprozessordnung stammt aus 1877 und ist jetzt mehr als 130
Jahre alt. Ihre Grundstruktur und Gliederung ist noch immer dieselbe,
wenn auch viele neue Bereiche eingeführt wurden, die der technischen und
gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet sind. Sie gehört zu den
klassischen Bollwerken des Rechts, zu denen auch das Strafgesetzbuch,
das Bürgerliche und Handelsgesetzbuch, die Zivilprozessordnung und nicht zuletzt das
Gerichtsverfassungsgesetz gehören. Alle übrigen Gesetzeswerke dürften
jünger sein (vielleicht abgesehen vom Höferecht und anderen kleineren
Exoten).
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Sie ist kaiserlich und wilhelminisch geprägt. Sie weist den Polizeistaat
in Grenzen, indem sie mit der Staatsanwaltschaft eine quasi-gerichtliche
Behörde schafft, die eine Schimäre aus Verwaltungsbehörde und Gericht
und gleichzeitig Vollstreckungsbehörde ist. Andere Rechtsordnungen haben
diese Trennung nachhaltiger vollzogen, indem sie einen
Ermittlungsrichter eingeführt (Frankreich) oder die Ermittlungskompetenz
des Staatsanwalts begrenzt haben (Österreich). Ob sie damit mehr
Rechtsstaat geschaffen haben, wage ich zu bezweifeln.
Für das Verständnis von den staatsanwaltschaftlichen und (ihnen
folgend: polizeilichen) Eingriffsmaßnahmen ist diese geschichtliche
Dimension hingegen wichtig: Dem klassischen Gesetzgeber ging es um die
Schaffung eines Rechts, das im Zusammenhang mit der Kriminalität
Rechtssicherheit schafft. Sie ist jedoch nicht allein durch die
Verfolgung von Straftätern zu schaffen, sondern muss auch in das Vorfeld
greifen.
Die meisten der
links aufgeführten Vorschriften sind bereits in der Urfassung der StPO
enthalten gewesen und spiegeln ihre Ausrichtung wider. Sie kennzeichnen
noch eine Gemengelage von polizeilichen Erkundigungen und gradliniger
Strafverfolgung.
Diese Ausrichtung hat der aktuelle Gesetzgeber nicht ernsthaft in
Frage gestellt. Er hat klarere Vorstellungen davon, was Polizei- und was
Strafverfahrensrecht ist, und hat das Ermittlungsrecht mit Einzelregeln
angereichert, die auf qualifizierte Verdachtsstufen aufbauen. Den
arrondierenden Bereich zwischen beiden (man nennt das heute
Schnittstelle) hat er jedoch unangetastet gelassen.
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Grenzen der Zurückhaltung |
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Die Ermächtigung zu
Initiativermittlungen ist klaren Schranken unterworfen. Gegen
konkret bevorstehende Straftaten von Bedeutung muss die
Staatsanwaltschaft einschreiten, sobald sie von ihnen Kenntnis erlangt.
Das gilt besonders dann, wenn das Leben, die Gesundheit oder andere
wichtige Rechte der Betroffenen gefährdet sind.
Problematisch sind die Grenzfälle, in denen zum Beispiel nach
Serientätern gefahndet wird und sich die Frage stellt, ob sie bei einer
Tat festgenommen oder nur beobachtet werden sollen, um ihre Mittäter,
Hehler oder Beutelager zu identifizieren. Dabei sind die Schwere der Tat
und die zu befürchtenden Verletzungen von Freiheitsrechten zu
berücksichtigen.
Drohen Gefahr für Leib oder Leben oder für erhebliche Vermögenswerte,
dann kann sich das Ermessen auf "Null" reduzieren.
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Anders sieht das aus bei von der Polizei beobachteten Kurierfahrten im
Zusammenhang mit Betäubungsmitteln oder Waffen, bei der
("ungefährlichen") Schleusung von Ausländern oder bei dem kontrollierten
Abtransport von Diebstahlsbeute. Droht deren Verlust, zum Beispiel bei
einem Grenzübertritt, so ist in aller Regel der Zugriff erforderlich.
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Merkwürdigkeit |
Geltung der StPO |
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Um eine Ausuferung von Eingriffsrechten im Stadium der Vorermittlungen
zu vermeiden, bedarf es einer genauen Definition, die sich an
§
160 Abs. 1 StPO orientiert: Staatsanwaltschaft und Polizei sind zur
Handlung und Prüfung nach Maßgabe des Werkzeugs, das die StPO zur
Verfügung stellt, und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet,
sobald sie Kenntnis von der Möglichkeit einer Straftat erhalten. Die
Quelle ihrer Kenntnis ist dabei egal. Es kann sich gleichermaßen um die
Empörung eines Bürgers (Strafanzeige), die Beobachtungen von
Streifenpolizisten, öffentliche Anschläge (Presse, Internet) oder ihre
Kenntnisse aus anderen Vorgängen handeln.
Das begrenzende sachliche Kriterium ist das, was ich als
Merkwürdigkeit
bezeichne: "Merkwürdig" sind Vorgänge, die von der Alltagserfahrung
abweichen und naturgesetzlich eher unwahrscheinlich sind. Sie können sich durch eine Leiche, bäuchlings auf Flüssen
treibenden toten Fischen, dem plötzlichen Reichtum eines Armen, verheerenden
Bränden oder anderen Erscheinungen äußern, die ungewöhnlich sind, nicht
zwingend auf eine Straftat schließen lassen und sie jedoch nahe legen
(im Fall des "Armen" jedoch nur, wenn er bislang keine Anstrengungen
bekannt werden ließ, zu Vermögen oder gar Reichtum zu gelangen).
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Die Beispiele zeigen, dass die "Merkwürdigkeit" nur mit Tatsachen
begründet werden kann, die eine Straftat als wahrscheinlich erscheinen
lässt, ohne dass es sich um eine "überwiegende" Wahrscheinlichkeit
handeln müsste. Alle weiteren Ermittlungshandlungen unterliegen dem
Gebot der Verhältnismäßigkeit. Ein schwacher Verdacht rechtfertigt nur
flache Eingriffsmaßnahmen und ein stärkerer entsprechend tiefere.
Besonders tiefe Eingriffsmaßnahmen hat der Gesetzgeber im Einzelfall
bestimmt und damit aus den Vorermittlungen ausgeschlossen.
Die
Vorermittlungen finden im Übergangsbereich zwischen dem Polizei- und
dem Strafverfahrensrecht statt. Sie rechtfertigen noch polizeirechtliche
Maßnahmen, etwa zur Störerabwehr oder zur Eigentumssicherung, und schon
strafprozessuale Maßnahmen, wenn sie zur Klärung einer möglichen
Straftat dienen. Das gilt besonders für die Sicherstellung und
Beschlagnahme von Beweismitteln. Sie lässt der Gesetzgeber bereits zu,
wenn sie eine auch nur mögliche Beweisbedeutung haben (
§ 94 Abs. 1 StPO).
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Eingriffsrechte im Stadium der Vorermittlungen |
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Das Stadium
der Vorermittlungen wird sachlich von der Merkwürdigkeit geprägt. Dieser
von mir stammende und keineswegs Allgemeinüblichkeit beanspruchende
Begriff verlangt nach einem Sachverhalt, der eine Straftat
wahrscheinlich erscheinen lässt, ohne strafrechtlich harmlose Prozesse
ausschließen zu können. Die
§§
160 und
163
StPO bestimmen bereits in diesem Stadium eine flache
Handlungspflicht für die Staatsanwaltschaft und die Polizei, wobei der
Gesetzgeber nur wenige Eingriffsmaßnahmen für dieses Stadium der
Untersuchung eröffnet hat. Dazu gehören Anhörungen (
§ 163 Abs. 1 S. 2 StPO), förmliche Vernehmungen (
§ 161 Abs. 1 StPO), behördliche Auskünfte (
§ 161 Abs. 1 StPO), Beschlagnahmen (
§§ 94,
95
StPO) und Durchsuchungen (
§§ 102,
103
StPO).
Eine
einsame Entscheidung ist die des LG Offenburg von 1993
(5).
Es hat die Ermittlungskompetenz der Staatsanwaltschaft im Stadium der
Vorermittlungen anerkannt und eine richterliche Zeugenvernehmung
angeordnet, bezieht sich jedoch nach meiner Auffassung zu sehr auf
Meinungen in der Literatur, die prognostisch sein können, aber häufig
wechselnden Moden unterliegen.
Ich bevorzuge deshalb eine dogmatische Argumentation, die sich am
Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes orientiert.
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Wenn man
die Werkzeuge der StPO als Kriminalitätsbekämpfungswerkzeuge versteht,
die nur
grob zwischen Polizei- und Strafverfahrensrecht unterscheiden, dann
kommt dem Wortlaut der einzelnen Eingriffsnormen die bestimmende
Bedeutung zu. Das ermöglicht die
links aufgeführten Ermittlungshandlungen.
Von den
Vorermittlungen abgegrenzt werden müssen die Vorfeldermittlungen. Auch sie gründen auf
einem ermittlerischen Bauchgefühl, das die Neugier beflügelt. In sie
dürfen jedoch nur solche Kenntnisse einfließen, die den
Ermittlungsbehörden aus legalen Quellen bekannt sind. Der
Spurenansatz führt jedoch dazu, dass sich die Vorfeldermittlungen
auch auf verdeckt gewonnene Erkenntnisse beziehen dürfen, weil sie die
Begründung von Eingriffsmaßnahmen auch dann rechtfertigen, wenn sie als
Vollbeweis nicht zugelassen sind.
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Fazit |
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Das
Legalitätsprinzip greift erst dann, wenn feststeht, dass eine Straftat
begangen wurde. Die ersten, auch noch unsicheren sachlichen
Anhaltspunkte für eine Straftat lassen eine Prüfungspflicht der
Strafverfolgungsbehörden entstehen, die das Stadium der Vorermittlungen
einleitet. Es rechtfertigt Eingriffsmaßnahmen nur in dem Maße, wie sie
der Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen hat. Daraus folgt, dass die
Vorermittlungen zur Prüfung, ob eine Straftat vorliegt, ein
vorgelagerter Bestandteil der strafrechtlichen Untersuchung sind, auf
die
§ 94 Abs. 1 StPO Bezug nimmt.
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Darin unterscheiden sich die Vorermittlungen von den
Vorfeldermittlungen. Sie gründen auf Tatsachen und kriminalistischen
Erfahrungen, die noch keine konkrete Straftat erkennen lassen. Für sie
dürfen zwar alle Kenntnisse herangezogen werden, die die
Strafverfolgungsbehörden haben, aber nur zur Bewertung und Analyse
sozialer Prozesse. Daraus dürfen neue Verdächte abgeleitet und
Eingriffsmaßnahmen begründet werden, wenn die Fakten Straftaten erkennen
lassen.
Die Zulässigkeit der Eingriffsmaßnahme richtet sich hingegen danach,
welchen Verdachtsgrad der Gesetzgeber als Schwelle bestimmt. Das kann
dazu führen, dass die Grenzen zwischen Vorfeld- und Vorermittlungen
sowie zu den Ermittlungen selber verschwimmen. Bestimmend sind jedoch
die klaren Anweisungen des Gesetzgebers, unter welchen sachlichen
Voraussetzungen er welche Eingriffsmaßnahmen zulässt.
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Anmerkungen |
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(1)
z.B. Werner Beulke in LR, § 152 StPO, RN 33
(2)
BGH, Urteil vom 02.12.2003 - 1 StR 102/03, RN 20
(3)
biometrische Erkennungsverfahren
(4)
BVerfG zur eingehenden
Prognosebegründung
(5)
LG Offenburg, Beschluss vom 25.05.1993 - Qs 41/93, NStZ 1993, 506
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |