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Vorermittlungen |
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Eingriffsrechte während der Vorermittlungen |
Tatsachen im Vorermittlungsverfahren |
Nicht jede Tatsache für sich alleine begründet einen
Verdacht,
sondern erst ihre fachliche und rechtliche Bewertung und das auch nur
beim Zusammenspiel von verschiedenen Tatsachen und gesicherten
Erfahrungssätzen. Die Rechtsprechung und die Literatur erkennen deshalb
eine dem Ermittlungsverfahren vorgelagerte Phase der
Vorermittlungen
an. Sie dient der Staatsanwaltschaft und der Polizei zur Sondierung, das
heißt zur Sammlung von Spuren, Beweismitteln und mündlichen Aussagen,
die ein vorläufiges Gesamtbild vom Geschehen, seinen Beteiligten (Täter,
Opfer, Zeugen) und zur rechtlichen Einordnung geben. Die Pflicht zum
Einschreiten gemäß
§
152 Abs. 2 StPO beginnt dann, wenn die Tatsachen dafür sprechen,
dass eine Straftat geschehen ist. Die Identität der Beteiligten und der
genaue Ablauf des Geschehens muss dazu noch längst nicht feststehen. |
Eine herrschende Linie gibt es in der Rechtsprechung und der Literatur dazu nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Strafprozessordnung keine klare Aussage dazu trifft, ob die Untersuchung, von der § 94 Abs. 1 StPO spricht, auch die Vorermittlungen umfasst oder nicht. Aus verschiedenen gesetzlichen Pflichten und dem Wortlaut besondere
Einzelfälle regelnder Paragraphen lässt sich jedoch ableiten, dass
bereits während der Vorermittlungen eine Beweissicherungspflicht
besteht, die von strafverfahrensrechtlichen Eingriffsrechten begleitet
werden. Sie lassen den Schluss zu, dass die Vorermittlungen ein Teil
der strafrechtlichen Untersuchung sind, in denen einzelne
Eingriffsmaßnahmen zulässig sind, wenn der Gesetzgeber keine weiteren
Handlungsschranken gesetzt hat. |
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Vorfeld- und Vorermittlungen | |||
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Vorermittlungen nach der StPO | Prävention und Vorfeld | ||
Wenn Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod bestehen oder wenn die Identität einer gefundenen Leiche unbekannt ist, muss die Staatsanwaltschaft unterrichtet werden ( § 159 Abs. 1 StPO). Nur sie darf die Leiche zur Bestattung freigeben ( § 159 Abs. 2 StPO).
Die StPO regelt das weitere Vorgehen: |
Solche Ursachenermittlungen sind der Strafprozessordnung nicht fremd, wie einige Kommentatoren zu Unrecht meinen (1). Im Zusammenhang mit Leichenfunden enthält die StPO detaillierte Regeln ( siehe links) und strukturiert damit diesen Sonderfall der Vorermittlungen. Daran schließt sich der BGH an, der die Auffassung vertritt, "Leichensachen" gemäß §§ 159, 87 StPO seien keine Ermittlungsverfahren (2). Das betrachtet er jedoch aus einer besonderen Sicht, nämlich nach dem Maßstab des § 22 Nr. 4. StPO, wonach der Richter dann sein Amt nicht ausüben kann, wenn er bereits in der Sache als Staatsanwalt tätig gewesen ist. "Ermittlungsverfahren" und "Untersuchung" im Sinne von § 94 Abs. 1 StPO sind hingegen keine deckungsgleichen Begriffe. Der Begriff des Ermittlungsverfahrens ist geprägt von § 152 Abs. 2 StPO und setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft davon überzeugt ist, dass eine Straftat begangen wurde. Genau das steht während der Vorermittlungen noch nicht fest. Um aus den Vorermittlungen zum Ermittlungsverfahren überzuleiten,
bedarf es nach herrschender Meinung eines Willensaktes der zuständigen
Strafverfolgungsbehörde, der erst möglich ist, wenn sie davon überzeugt
ist, dass eine Straftat begangen wurde. |
Der Erkennungsdienst wird von § 81b StPO nur knapp angesprochen und hat eine strafverfahrensrechtliche ("Durchführung des Strafverfahrens") und eine polizeiliche Ausrichtung ("Erkennungsdienst" im engeren Sinne), deren Einzelheiten in den Polizeigesetzen der Länder geregelt werden. Er umfasst vor allem Messungen am Körper (Größe, Armlänge usw.), die Erfassung von Merkmalen (Narben, fehlende Glieder), die Fertigung von Fotografien und die Abnahme von Fingerabdrücken (3). Eine große Bedeutung hat die molekulargenetische Untersuchung erlangt ( genetischer Fingerabdruck, § 81g StPO), die ausdrücklich zur Aufklärung künftiger Straftaten dient (4). Polizei und Staatsanwaltschaft sind darüber hinaus zum Abgleich von Dateien befugt ( § 98c StPO), um Straftaten aufzuklären. Die sehr allgemein gehaltene Formulierung umfasst auch die Erkundung von Tat- und Täterzusammenhängen sowie von organisierten Strukturen, die noch im Vorfeld angesiedelt sind. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen hierzu auch gemeinsame Datensammlungen erstellen ( §§ 483 ff. StPO).
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beobachtete Erscheinungsformen | Initiativermittlungen | ||
Ich rechne diese Prüfungsaufgaben den Vorermittlungen zu, weil sie
anlassbezogen sind und der Anlass die tatsächlichen Anhaltspunkte
für die Prüfung liefert. |
Die Ermächtigung zu Initiativermittlungen ist eine typische Ausformulierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ihm liegt eine Güterabwägung zugrunde, die das Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten trennt und der Ermittlungstiefe den vorübergehenden Vorzug gibt. Daraus ist kein Verzicht auf Strafverfolgung abzuleiten, sondern die Anweisung, die besonders gefährlichen Strukturen im Umfeld der schwersten Kriminalität aufzuklären. Dazu wird eine mildere Verfolgung der Nebentäter in Kauf genommen.
Die
ausdrückliche Benennung der Organisierten Kriminalität bedeutet hingegen
nicht, dass die Güterabwägung nicht auch für andere
Kriminalitätsbereiche gilt. Je nach der
Schwere
der Kriminalität greifen auch dort die gleichen Grundsätze. Der
populistische Merksatz, "die Kleinen bestraft man ...", gilt nach
verfassungs- und strafverfahrensrechtlichen Grundsätzen eben nicht. |
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Ermächtigung zu Vorermittlungen | |||
Diese Befugnisse richten sich nach dem Verdachtsgrad. Die Postbeschlagnahme darf sich nur gegen Beschuldigte richten ( § 99 StPO) und setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Dasselbe gilt für andere geheime Ermittlungen ( § 101 Abs. 1 StPO), nicht aber zum Beispiel für die Beschlagnahme ( § 94 Abs. 2 StPO) und die Durchsuchung beim unbeteiligten Dritten ( § 103 StPO).
Die
Strafprozessordnung stammt aus 1877 und ist jetzt mehr als 130
Jahre alt. Ihre Grundstruktur und Gliederung ist noch immer dieselbe,
wenn auch viele neue Bereiche eingeführt wurden, die der technischen und
gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet sind. Sie gehört zu den
klassischen Bollwerken des Rechts, zu denen auch das Strafgesetzbuch,
das Bürgerliche und Handelsgesetzbuch, die Zivilprozessordnung und nicht zuletzt das
Gerichtsverfassungsgesetz gehören. Alle übrigen Gesetzeswerke dürften
jünger sein (vielleicht abgesehen vom Höferecht und anderen kleineren
Exoten). |
Für das Verständnis von den staatsanwaltschaftlichen und (ihnen folgend: polizeilichen) Eingriffsmaßnahmen ist diese geschichtliche Dimension hingegen wichtig: Dem klassischen Gesetzgeber ging es um die Schaffung eines Rechts, das im Zusammenhang mit der Kriminalität Rechtssicherheit schafft. Sie ist jedoch nicht allein durch die Verfolgung von Straftätern zu schaffen, sondern muss auch in das Vorfeld greifen. Die meisten der links aufgeführten Vorschriften sind bereits in der Urfassung der StPO enthalten gewesen und spiegeln ihre Ausrichtung wider. Sie kennzeichnen noch eine Gemengelage von polizeilichen Erkundigungen und gradliniger Strafverfolgung. Diese Ausrichtung hat der aktuelle Gesetzgeber nicht ernsthaft in Frage gestellt. Er hat klarere Vorstellungen davon, was Polizei- und was Strafverfahrensrecht ist, und hat das Ermittlungsrecht mit Einzelregeln angereichert, die auf qualifizierte Verdachtsstufen aufbauen. Den arrondierenden Bereich zwischen beiden (man nennt das heute Schnittstelle) hat er jedoch unangetastet gelassen.
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Grenzen der Zurückhaltung | |||
Problematisch sind die Grenzfälle, in denen zum Beispiel nach Serientätern gefahndet wird und sich die Frage stellt, ob sie bei einer Tat festgenommen oder nur beobachtet werden sollen, um ihre Mittäter, Hehler oder Beutelager zu identifizieren. Dabei sind die Schwere der Tat und die zu befürchtenden Verletzungen von Freiheitsrechten zu berücksichtigen. Drohen Gefahr für Leib oder Leben oder für erhebliche Vermögenswerte,
dann kann sich das Ermessen auf "Null" reduzieren. |
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Merkwürdigkeit | Geltung der StPO | ||
Das begrenzende sachliche Kriterium ist das, was ich als
Merkwürdigkeit
bezeichne: "Merkwürdig" sind Vorgänge, die von der Alltagserfahrung
abweichen und naturgesetzlich eher unwahrscheinlich sind. Sie können sich durch eine Leiche, bäuchlings auf Flüssen
treibenden toten Fischen, dem plötzlichen Reichtum eines Armen, verheerenden
Bränden oder anderen Erscheinungen äußern, die ungewöhnlich sind, nicht
zwingend auf eine Straftat schließen lassen und sie jedoch nahe legen
(im Fall des "Armen" jedoch nur, wenn er bislang keine Anstrengungen
bekannt werden ließ, zu Vermögen oder gar Reichtum zu gelangen). |
Die Vorermittlungen finden im Übergangsbereich zwischen dem Polizei- und dem Strafverfahrensrecht statt. Sie rechtfertigen noch polizeirechtliche Maßnahmen, etwa zur Störerabwehr oder zur Eigentumssicherung, und schon strafprozessuale Maßnahmen, wenn sie zur Klärung einer möglichen Straftat dienen. Das gilt besonders für die Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln. Sie lässt der Gesetzgeber bereits zu, wenn sie eine auch nur mögliche Beweisbedeutung haben ( § 94 Abs. 1 StPO).
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Eingriffsrechte im Stadium der Vorermittlungen | |||
Eine einsame Entscheidung ist die des LG Offenburg von 1993 (5). Es hat die Ermittlungskompetenz der Staatsanwaltschaft im Stadium der Vorermittlungen anerkannt und eine richterliche Zeugenvernehmung angeordnet, bezieht sich jedoch nach meiner Auffassung zu sehr auf Meinungen in der Literatur, die prognostisch sein können, aber häufig wechselnden Moden unterliegen.
Ich bevorzuge deshalb eine dogmatische Argumentation, die sich am
Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes orientiert. |
Von den
Vorermittlungen abgegrenzt werden müssen die Vorfeldermittlungen. Auch sie gründen auf
einem ermittlerischen Bauchgefühl, das die Neugier beflügelt. In sie
dürfen jedoch nur solche Kenntnisse einfließen, die den
Ermittlungsbehörden aus legalen Quellen bekannt sind. Der
Spurenansatz führt jedoch dazu, dass sich die Vorfeldermittlungen
auch auf verdeckt gewonnene Erkenntnisse beziehen dürfen, weil sie die
Begründung von Eingriffsmaßnahmen auch dann rechtfertigen, wenn sie als
Vollbeweis nicht zugelassen sind. |
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Fazit | |||
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Die Zulässigkeit der Eingriffsmaßnahme richtet sich hingegen danach,
welchen Verdachtsgrad der Gesetzgeber als Schwelle bestimmt. Das kann
dazu führen, dass die Grenzen zwischen Vorfeld- und Vorermittlungen
sowie zu den Ermittlungen selber verschwimmen. Bestimmend sind jedoch
die klaren Anweisungen des Gesetzgebers, unter welchen sachlichen
Voraussetzungen er welche Eingriffsmaßnahmen zulässt. |
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Anmerkungen | |||
(2) BGH, Urteil vom 02.12.2003 - 1 StR 102/03, RN 20 (3) biometrische Erkennungsverfahren (4) BVerfG zur eingehenden Prognosebegründung
(5)
LG Offenburg, Beschluss vom 25.05.1993 - Qs 41/93, NStZ 1993, 506 |
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Cyberfahnder | |||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |