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Juli 2011 |
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Forschungsforum Öffentliche Sicherheit. Cyberkriminalität |
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Näher an den Kernthemen des Cyberfahnders waren die Arbeiten: Daniel F. Lorenz, Kritische Infrastrukturen aus Sicht der Bevölkerung, FÖS 14.10.2010 Eine nähere Betrachtung verdienen schließlich:
Dominik Brodowski, Felix C. Freiling,
Cyberkriminalität. Computerstrafrecht und die
digitale Schattenwirtschaft, FÖS 02.03.2011 |
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Cyberkriminalität | ||
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Einen ersten Höhepunkt bilden die Ausführungen zum Verfassungsrecht und dem Computerstrafprozessrecht <S. 46>, die die wesentlichen Grundrechte skizzieren und zusammenfassen, die für die Ermittlungen wegen der Cybercrime bedeutsam sind. Danach folgt die Betrachtung der klassischer Kriminalität und der Cyberkriminalität <S. 53>, die recht oberflächlich bleibt. Schuld daran trägt die Quellenauswahl der Autoren, die sich auf juristische Beiträge und Autoren beschränken. Ihre Arbeit wird dadurch zu einer beachtlichen Materialsammlung ohne kriminalistische oder analytische Erkenntnisse. Die ausgewertete Literatur ist vielfach schon zehn Jahre alt. Das macht sie unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Problemlösung nicht unbrauchbar. Die jüngeren tatsächlichen Entwicklungen (1) bleiben dadurch ausgeblendet und können nicht als Maßstab und Kontrolle für die Bedeutung und den Aussagewert der Arbeiten herangezogen werden. Diese Einschränkung zeigt sich besonders deutlich im Zusammenhang mit der Erörterung der kriminellen Akteure und der Schattenwirtschaft. Die organisierten Formen der Cybercrime werden völlig ausgeblendet <S. 63, 64> (2) und die Autoren befassen sich im wesentlichen mit dem Phishing, der Malware und den Botnetzen <S. 67 bis 69>. Die Carding-Boards, den regen Handel mit kriminellen Waren, Diensten und vor allem mit persönlichen Daten und der Beutesicherung nehmen die Autoren deshalb nicht mit der tatsächlichen Brisanz wahr <S. 76>. Die anschließenden, strafrechtlich ausgerichteten Erwägungen <S. 86 bis 120> sind zeitlos, informativ und als Grundlagen empfehlenswert. Das an verschiedenen Stellen angesprochene Skimming (3) wird hauptsächlich wegen der Frage wahrgenommen, dass der BGH insoweit ein Ausspähen von Daten ablehnt, ohne dass die wirklichen Probleme im Zusammenhang mit dem Versuchsbeginn und den Handlungen im Vorbereitungsstadium angeschnitten werden. Besonders gelungen ist das Kapitel über die strafprozessualen Eingriffsbefugnisse <S. 128>. Die Probleme mit den personalen Recherchen im Internet, also mit nicht offen ermittelnden Polizeibeamten und verdeckten Ermittlern, schneidet die Studie nur oberflächlich und verknappt unter der Überschrift "Online-Streife" <S. 152> an. Das wird dem Thema bei weitem nicht gerecht (4).
Den
abschließenden Teil widmet die Studie der grenzüberschreitenden
Strafverfolgung und den Handlungsvorschlägen, um die Srafverfolgung zu
verbessern <S. 155, 187>. |
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Fazit: es macht nicht immer Spaß, Recht zu behalten | ||
Die Lücken in dem Lob kennzeichnen zugleich die Schwächen der Studie. Sie stellt die Cyberkriminalität als eine quasi statische Erscheinungsform mit verschiedenen Strängen dar und versteht sie nicht als ein Bündel explosiver Prozesse, die spätestens seit 2010 zu erkennen sind. Es hätte ihr aus meiner Sicht gut angestanden, wenn sie eine Bestandsaufnahme, wie ich sie skizziert habe (1, 2), zugrunde gelegt hätte, um den Aussagewert der juristischen Texte zu befragen, die sie heranzieht. Es schmerzt ein wenig, dass die Autoren zwar den Cyberfahnder wahrgenommen haben, sonst würde der Begriff "Koordinator" nicht in der Grafik auf S. 66 erscheinen, ansonsten aber mich und die journalistisch-analytischen Quellen, mit denen ich mich auseinander setze, völlig ignorieren. Das hat weniger mit meiner persönlichen Betroffenheit zu tun als mit meinem Bedauern über eine vertane Chance. Wenn sich die Studie stärker mit den Beobachtungen und Bewertungen der Sicherheitsunternehmen auseinander gesetzt hätte, dann hätte sie schärfer die Schattenwirtschaft und ihre organisierten Strukturen erkannt, um daran die juristischen Fragen und Aussagen zu messen. Nicht zuletzt die abschließenden Handlungsempfehlungen wären dadurch erheblich schärfer geworden. Benzmüller, Paget und der Cyberfahnder passen aber nicht in die etablierten Geschäftsmodelle des Wissenschaftsbetriebes und der Politik. Dabei argumentieren wir auf ganz verschiedenen Abstraktionsebenen. Während Benzmüller als Beispiel für einen soliden Marktbeobachter gelten kann, wagt sich Paget viel weiter hervor und versucht, kriminologische Strukturen zu erkennen und zu beschreiben. Meine Aufgabe sehe ich darin, ihre Erkenntnisse zusammen zu fassen und auf dem Hintergrund meines rechtlichen Wissens und meiner praktischen Erfahrungen zu bewerten. Benzmüller hält sich an dieser Stelle geschickt zurück und Pagets Schlüsse müssen mit gehörigem Abstand betrachtet werden. Im Endeffekt ist auch Paget bemerkenswert zielgenau und präzise, wobei die Schwächen in seiner Argumentation auch meinen mangelnden Sprachkenntnissen geschuldet sein dürften. Dass der Cyberfahnder vom Mainstream ignoriert wird, liegt daran, dass ich mich nicht wissenschaftskonform äußere. Es gibt von mir keine gedruckten juristischen Fachaufsätze oder -bücher, ich äußere mich sehr schnell zu neuen Erscheinungsformen und das wirkt unüberlegt und unausgereift. Außerdem agiere ich wie ein Sachbuchautor, also mehr populistisch als wissenschaftlich-versonnen. Ich zitiere fast ausschließlich Quellen aus dem Internet und scheine die juristische Fachliteratur in gedruckter Form zu ignorieren. Stimmt. Dieser Makel ist den Besonderheiten des Internets geschuldet und ich habe mir tatsächlich angewöhnt, nur Quellen zu verwenden, die jedenfalls zum Zeitpunkt meiner Äußerung im Internet verfügbar sind. Dank vieler starker Textsammlungen ist jedenfalls die Rechtsprechung inzwischen in großer Breite verfügbar, Fachbücher und -aufsätze hingegen nicht. Was mich hingegen beruhigt ist die Tatsache, dass ich mit meinen rechtlichen Bewertungen fast immer richtig gelegen oder mich jedenfalls in die richtige Richtung bewegt habe. Das trifft leider auch auf meine kriminalistischen und analytischen Aussagen zu.
Im
Ergebnis bin ich enttäuscht von der Studie von Brodowski und Freiling,
weil sie das Thema Cybercrime nur unvollständig betrachtet und deshalb
nur unvollständige oder jedenfalls fragwürdige Schlüsse liefert. In
ihren starken Passagen bündelt sie hervorragend den aktuellen
Meinungsstand, bleibt dann aber bei den Details oberflächlich und
überholt. Ich empfehle sie dennoch gerne, weil eine bessere und frei
verfügbare Alternative fehlt. |
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Anmerkungen | ||
(2)
Die Grafik auf S. 66 zeigt zwar den "Koordinator", aber ohne dass er im
Text wieder aufgenommen wird. Schon 2010 dürfte ich weiter gewesen sein: (3) Kochheim, Skimming, 22.04.2011
(4)
Kochheim, verdeckte Ermittlungen im Internet,
12.05.2011 |
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Cyberfahnder | ||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |