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Dezember 2011
26., 30.12.2011 Versuch und Rücktritt
     
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Gescheiterte Taten, Rücktritt vom Versuch und Straffreiheit
 

 
Aufsatz als PDF-Dokument:
Dieter Kochheim, Die goldene Brücke, 30.12.2011

Grundsätzlich ist erst die erfolgreiche Straftat strafbar. "Erfolg" in diesem Sinne ist die vollständige Erfüllung aller gesetzlichen Tatbestandsmerkmale. Mit anderen Worten: Die vollendete Tat.

Die Gefährlichkeit eines Vergehens unterstreicht der Gesetzgeber dadurch, dass er die Strafbarkeit des Versuchs einzeln anordnet ( §§ 12 Abs. 2, 23 Abs. 1 StGB). Dem Versuch geht die Vorbereitungshandlung voraus, die grundsätzlich straflos ist, wenn der Gesetzgeber nicht auch sie als Straftat definiert. Beispiele dafür sind der Umgang mit Fälschungswerkzeugen ( § 149 StGB), der Hackerparagraph ( § 202c StGB) oder, etwas versteckter, die Übermittlung von Schadcode ( § 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB).
 

Versuch
unbeendeter und beendeter Versuch
fehlgeschlagener Versuch
"Denkzettel"
mehraktiger Versuch
Anstiftung zu einem Verbrechen
Fazit
versuchte Cybercrime
 
Dieter Kochheim, Die goldene Brücke, 30.12.2011
 
Danach kann der Einzelne nur bei Vorliegen individueller Schuld strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Darüber hinaus erfordert er, dass Tatbestand und Rechtsfolge gemessen an der Idee der Gerechtigkeit sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen (...). Letzteres bedeutet, dass die einen Täter treffenden Folgen einer strafbaren Handlung zur Schwere der Rechtsgutsverletzung und des individuellen Verschuldens in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, dass also die im Einzelfall verhängte Sanktion schuldangemessen sein muss. (1)
 

Die besondere Gefährlichkeit von Verbrechen ergibt sich bereits daraus, dass sie mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind ( § 12 Abs. 1 StGB). Ihr Versuch ist immer strafbar ( § 23 Abs. 1 StGB) und ihre im Vorbereitungsstadium angesiedelte Verabredung auch ( § 30 StGB).

Damit reagiert der Gesetzgeber auf besonders gefährliche Tathandlungen. Die Grenzen dafür setzt das BVerfG beim verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz [siehe Kasten (links); (1)]. 

Mit den Regeln über den Rücktritt vom Versuch will der Gesetzgeber den zögernden oder reuigen Täter bei der Abkehr unterstützen, indem er straffrei bleibt, wenn er von der weiteren Tatausführung absieht oder durch "Zutun" die Tatvollendung verhindert oder das Opfer zu retten versucht ( §§ 24, 31 StGB).

Die Lehrmeinungen und Rechtsprechung dazu werden verständlich (2), wenn man sich vergegenwärtigt, dass es den Rücktrittsregeln um die Verhinderung besonders schwerwiegender Taten geht. Ihnen geht es um den Schutz des Opfers. Sie sind das Spiegelbild für die Hervorhebung der Strafbarkeit im Vorbereitungs- und Versuchsstadium und bauen dem Täter eine "goldene Brücke", um glimpflich davon zu kommen.
 

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Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt ( § 22 StGB). Das ist spätestens der Fall, wenn der Täter das erste zum Tatbestand gehörende Merkmal erfüllt und die Tat als Ganzes vollenden will.
 

Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „ jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Dabei ist im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen (3).
 

Mit seinen Ausführungen [Kasten (links)] spricht der BGH (3) auf die gemischt subjektiv-objektive Theorie an. Ihr geht es darum, nicht allein den Täterwillen wegen einzelner Tatbestandsmerkmale zu betrachten, sondern die objektiven Umstände einzubeziehen, um zu entscheiden, ob der Täter zur Angriffshandlung als Ganze ansetzt. "Jetzt geht es los" heißt, dass der Täter nicht mehr hadert, sondern die Tat ausführen will, auch wenn ihm dabei klar ist, dass er sie in mehreren Handlungsschritten ausführen muss.

Der Versuch wird einerseits durch die Vollendung abgeschlossen. Mit ihr sind alle Tatbestandsmerkmale des Gesetzes erfüllt, auch wenn die geplanten Tathandlungen andauern, zum Beispiel weil die gestohlene Beute erst noch in ein Versteck gebracht werden muss (Beendigung der Tat).

Andererseits kann der Täter auch von sich aus die Tatvollendung abbrechen oder sie aus anderen Gründen scheitern. Zu unterscheiden ist dabei nach den äußeren Umständen und den inneren Motiven des Täters.

Der böswillige Täter, der nur das untaugliche Mittel wählt, ist nur bedingt schutzwürdig. Deshalb ist er bereits nach § 23 Abs. 3 StGB bestrafbar, wobei das Gericht die Strafe mildern oder von ihr absehen kann (untauglicher Versuch).

Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Tatplan des Täters zwar tauglich, aber fehlgeschlagen ist. Insoweit kommt es darauf an, ob seine Tatmittel aufgebraucht sind, ihm alternative Handlungen zur Tatverwirklichung zur Verfügung stehen oder er seinen Tatplan reuig abbricht.
 

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§ 24 Abs. 1 S. 1 1. Alternative StGB ist anwendbar auf den unbeendeten Versuch. Der Täter könnte die Tat weiter ausführen und erlangt Straffreiheit allein dadurch, dass er die weitere Tatausführung unterlässt.
§ 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB betrifft den beendeten Versuch. Dem Täter stehen in diesem Stadium keine greifbaren Handlungsmöglichkeiten für die Tatvollendung zur Verfügung. Er erlangt dann Straffreiheit, wenn er durch “Zutun” die Tatvollendung (Erfolgseintritt) verhindert.
§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB spricht darauf an, dass Dritte oder Besonderheiten im Einzelfall die Tatvollendung verhindern. In diesem Fall wird der Täter straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

 
Auf das Stadium des Versuches spricht § 24 StGB mit den Regeln über den strafbefreienden Rücktritt an. Drei Stadien gilt es zu unterscheiden

unbeendeter Versuch: Straffreiheit durch Abbruch.

beendeter Versuch: Straffreiheit durch Zutun, also Verhinderung der Vollendung.

die Vollendung wird durch Umstände verhindert, die der Täter nicht beeinflussen kann: Straflosigkeit durch freiwilliges und ernsthaftes Bemühen.

  Ein Versuch ist dann als unbeendet anzusehen, wenn der Täter noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Erfolges erforderlich oder möglicherweise ausreichend ist (4). Der Täter kann hier allein durch das Unterlassen weiterer Handlungen (ohne Zutun) vom Versuch strafbefreiend zurücktreten ( § 24 Abs. 1 S. 1 1. Alt. StGB). Er hätte seine Böswilligkeit weiter ausleben können, hat davon abgesehen und dem Opfer die Folgen erspart. Er wird straffrei, weil er das Opfer verschont hat.

Beendet ist der Versuch, wenn der Täter nach seiner letzten Tathandlung mit der nach den Umständen nicht fernliegenden Möglichkeit rechnet, dass es zur Vollendung keiner weiteren Tathandlung mehr bedürfe (5). Er hat sozusagen seine Böswilligkeit ausgelebt und hält es nicht für nötig, weiter aktiv zu werden. Diese innere Haltung bedarf keiner Belohnung durch Straffreiheit.

Dabei reicht es, dass er die tatsächlichen Umstände erkennt, die diesen Erfolgseintritt nach der Lebenserfahrung nahelegen (...); er braucht weder die Gewissheit des Erfolgseintritts zu haben noch muss er den Erfolgseintritt jetzt noch wollen oder billigen (6).

Für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuchs und damit für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts <kommt es> darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; (7) ).

Nach gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, deren Wirkungen der Täter wahrgenommen hat, liege es auf der Hand, dass er die lebensgefährdende Wirkung und die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt (...). An die für die Annahme eines unbeendeten Versuchs erforderliche Voraussetzung, dass der Täter den Erfolgseintritt (noch) nicht für möglich hält, sind nach dieser Rechtsprechung daher strenge Anforderungen zu stellen (8).

Vereinfacht gesagt: Wer mit einer Pistole einem anderen in den Bauch schießt, mit einem Messer zur Beinschlagader hin oder mehrere Zentimeter tief in den Oberkörper sticht oder mit festem Schuhwerk mit voller Wucht gegen die Schläfe des am Boden liegenden Gegners tritt, geht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass der andere stirbt. Solche Rohheiten verdienen keine Straffreiheit, weil der Täter einfach nicht weiter macht.

Um die Wohltat der Straffreiheit zu erlangen, muss der Täter beim Rücktritt vom beendeten Versuch aktiv werden und den drohenden tatbestandlichen Erfolg abwenden. Das setzt ein inneres Umdenken voraus, Reue, um etwas zu tun, was vielleicht sein Handeln nicht ungeschehen werden lässt, aber mildert. Er muss dem von ihm ausgegangenen Geschehen entgegen wirken und eine neue Kausalkette in Gang setzen, die für die Nichtvollendung der Tat mindestens mitverantwortlich ist ( § 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB). Wenn er sich dazu entschlossen hat, ist es gleichgültig, zu welchen Mitteln des Zutuns sich der Täter ebtscheidet: Dass daneben andere, vom Willen des Täters unabhängige Umstände zur Verhinderung der Tatvollendung beigetragen haben, steht einem strafbefreienden Rücktritt ebenso wenig entgegen, wie die Möglichkeit, etwas anderes oder mehr zu tun, um die Vollendung mit größerer Sicherheit zu verhindern (9). Eines in Einzelheiten ausgefeilten Planes bedarf er dazu nicht (10).
 

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Ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch liegt dann vor, wenn der Erfolgseintritt - für den Täter erkanntermaßen - objektiv nicht mehr möglich ist oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält (11). Das ist dann der Fall, wenn nach anfänglichem Misslingen ein Weiterhandeln nicht mehr möglich ist, weil die eingesetzten Tatmittel erschöpft sind (...) oder andere Tatmittel zur unmittelbaren Fortführung des Versuchs entweder nicht zur Verfügung stehen oder vom Täter nicht erfolgversprechend eingesetzt werden können (12).

Der fehlgeschlagene Versuch ist nach den Grundsätzen des beendeten oder unbeendeten Versuchs zu behandeln. Er umfasst zunächst die Fälle, in denen der Täter unfreiwillig nicht zur Tatvollendung gelangt, weil er bei der Tatausführung überwältigt wird. Daran scheitert jeder Rücktritt.

Wenn der ursprüngliche Tatplan nicht gelingt und dem Täter keine Fortsetzungsalternative zur Verfügung steht, ist der Versuch beendet und bedarf es des aktiven Zutuns des Täters, um strafbefreiend zurückzutreten. Stellt sich ihm eine ernsthafte Alternative, kann er zum Beispiel das zu Boden gefallene Messer wieder aufheben oder an seiner Stelle das Opfer würgen, ist der Versuch noch unbeendet und kann er ohne Zutun strafbefreiend zurücktreten. Nicht jede andere Möglichkeit eröffnet tatsächlich eine Alternative (siehe unten zur Unfreiwilligkeit wegen psychischen Unvermögens)
 

Der Angeklagte stach seine Ehefrau mit einem Messer ins Herz. Als seine Stieftochter das Zimmer betrat, griff er diese ebenfalls mit Tötungsvorsatz an und verletzte sie lebensgefährlich. Er ließ dann von dem Mädchen ab, weil inzwischen der Stiefsohn gekommen war. Auf diesen stach er ebenfalls in Tötungsabsicht ein. Nachdem der Stiefsohn geflohen war, griff der Angeklagte wiederum seine Ehefrau und dann die Stieftochter an. Das Mädchen wehrte sich mit einem Sitzpolster. Der Angeklagte ließ von ihm ab und bestieg ein Auto, um sich umzubringen. (13)
 

Das soll auch dann der Fall sein, wenn der Täter seine Täterschaft nicht mehr geheim halten kann, weil er von Zeugen oder sogar Vertrauten beobachtet wird und auf diese mit Tötungsabsicht losgeht (13).

Sinn und Zweck der Strafbefreiung durch Rücktritt ist der Schutz des Opfers. Der Leitsatz zu (13) [Kasten (links)] greift deshalb etwas zu kurz. Ein bereits morchelnder Täter geht auf seine Zuschauer los, um seiner Entdeckung zu entkommen. Das geht nur, wenn er sie umbringt. Statt nur einen Mord müsste der Täter drei Morde ausführen. Er tut nichts, um den Erfolg seiner Angriffe zu verhindern oder abzumildern, sondern ergibt sich nach zwei weiteren Mordentscheidungen seinem Schicksal, weil der ursprüngliche Tatplan nicht funktioniert hat, und verschwindet. Dafür verdient er keine Straffreiheit. Er dürfte nur die Konsequenz aus der Übermacht der Realität gezogen, weil er nicht alle drei Angehörigen unbemerkt töten konnte. Das spricht nicht für einen bewussten, gewissensgesteuerten Rücktritt, sondern ist ein Glücksfall für die Opfer.
 

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Ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch ist <im Interesse des Opferschutzes> auch in den Fällen möglich, in denen der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat (14). Dabei ging es um einen Messerstecher, der sein Opfer in bedingter Tötungsabsicht stach. Der Stich hätte unbehandelt binnen 24 Stunden zum Tode geführt. Der Täter sah von weiteren Tathandlungen ab, weil ihm der verpasste "Denkzettel" nun genügte. Der wesentliche Begriff ist die "bedingte Tötungsabsicht", mit der der Täter die Tötung des Opfers billigend in Kauf nahm. Es war ihm sozusagen egal, ob das Opfer starb, weil ihm die zugefügte Verletzung genügte. Die gefährliche Körperverletzung ( § 224 StGB) hatte er vollendet, aber von der weiter gehenden Tötungsabsicht hat er abgelassen.

Käme es nur auf den "Denkzettel" an, wäre der Tötungsversuch objektiv beendet, weil der einmalige Stich zum Tode geführt hätte, und könnte der Täter nur durch "Zutun" strafbefreiend zurücktreten. Die Tötung war aber nicht sein finales Ziel, er nahm sie nur als nahe liegende Folge in Kauf. Unter diesen Umständen kann ein unbeendeter Versuch mit der Folge vorliegenden, dass der Täter ohne jedes eigene Zutun strafbefreiend  zurück tritt ( § 24 Abs. 1 S. 1 1. Alt. StGB).

Das Ergebnis passt auch zu dem Leitbild vom Opferschutz, das an weiteren Messerstichen möglicherweise unverzüglich gestorben wäre.

Ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch liegt aber dann nicht vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit dem bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln noch vollenden kann (15). So ist zu prüfen, ob er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgegeben hat. Das ist davon abhängig, ob der Angeklagte subjektiv (noch) in der Lage war, das zur Beendigung des Versuchs Notwendige zu unternehmen (...). Dabei ist von Unfreiwilligkeit wegen psychischen Unvermögens nur dann auszugehen, wenn beim Täter innere Hemmungen solcher Art auftreten, die für ihn einen zwingenden Grund darstellen, von der Vollendung der Tat abzusehen. Zweifel an der Freiwilligkeit sind zugunsten des Angeklagten zu lösen (16).
 

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Beim mehraktigen Versuch ist der Versuch insgesamt unbeendet (Gesamtbetrachtungslehre), wenn der Täter glaubt, dass zur Tatausführung weitere Tätigkeiten unerlässlich sind, und wenn die vorgenommenen Einzelakte in einem engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang stehen, so dass sie eine natürliche Hanlungseinheit bilden ( § 52 Abs. 1 StGB) (17). Die Rechtsprechung reagiert damit vorrangig auf Erpressungen, bei denen sich zum Beispiel die Geldübergabe über einen längeren Zeitraum erstrecken kann und der Täter womöglich mehrfach zur Übernahme ansetzt. Fließt dabei der Lebensvorgang von einem Ansetzen zum nächsten, bilden sie eine Handlungseinheit, von der der Täter ohne Zutun strafbefreiend zurücktreten kann.

Nach der Rechtsprechung liegt eine natürliche Handlungseinheit vor, wenn zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungsakte auch durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (18).

Eine Tat im Rechtssinne liegt vor, wenn die der Tatbestandsvollendung dienenden Teilakte einen einheitlichen Lebensvorgang bilden, wobei der Wechsel des Angriffsmittels nicht von entscheidender Bedeutung ist. Ein einheitlicher Lebensvorgang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die einzelnen Handlungen in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dieses Erfordernis besteht bei Erpressung auch dann, wenn durch die Einzelakte, die auf die Willensentschließung des Opfers einwirken sollen, letztlich nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird (...). Die tatbestandliche Einheit der Erpressung endet dort, wo der Täter nach den Regelungen über den Rücktritt nicht mehr strafbefreiend zurücktreten kann, d. h. entweder bei der vollständigen Zielerreichung oder beim fehlgeschlagenen Versuch. Ein Fehlschlag in diesem Sinne liegt vor, wenn der Täter nach dem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs zu der Annahme gelangt, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen bereit liegenden Mitteln vollenden (...), und deshalb ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zum gewünschten Ziel zu gelangen (19).

Ausschlaggebend ist der Tatplan des Täters und der enge zeitlich-räumliche Zusammenhang seiner Ausführungshandlungen. Bricht er die Vollendung wegen Erfolglosigkeit ab, um später neu Anzusetzen, handelt es sich um mehrere Taten.
 

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Wer einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, setzt damit in jedem Falle Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung, über die er nicht mehr die volle Herrschaft behält (BGHSt 1, 305, 309). Die Gefahr der Tatbegehung besteht erst recht, wenn der Bestimmungsversuch erfolgreich war. Will der Anstifter diesen Erfolg verhindern, muss er alle Kräfte anspannen, um die Tat abzuwenden (BayObLG JR 1961, 269, 270). Er muss das aus seiner Sicht Notwendige und Mögliche vollständig tun; es reicht nicht aus, dass er nur die Wirkung seiner Beeinflussung zeitweise unschädlich macht (BayObLG aaO; Roxin aaO § 31 Rdn. 26). Insbesondere liegt ein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu verhindern, nur vor, wenn der Anstifter alle Kräfte anspannt, um den Tatentschluss des Angestifteten rückgängig zu machen und er dadurch die Gefahr beseitigt, dass dieser die Tat begeht. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn ... der Anstifter nur glaubt, einen anderen erfolgreich zur Tatbegehung bestimmt zu haben, dieser aber nicht wirklich tatbereit ist. (20)
 

 
Besondere Anforderungen erhebt der BGH gegen den Anstifter wegen eines Verbrechens ( § 30 StGB) (20). Er kann nur unter aktivem Zutun strafbefreiend zurücktreten ( § 31 StGB), was ihm alle gebotenen Kräfte abverlangt. Das Zitat links bedarf keines weiteren Kommentars.
 

zurück zum Verweis Fazit

 

 
Die Rechtsprechung zu den verschiedenen Formen des abgebrochenen Versuchs musste sich in den meisten Fällen mit der Gewaltkriminalität auseinander setzen. Aus der Spruchpraxis der Tatsachengerichte entsteht dabei gelegentlich der Eindruck, dass den Tätern zu sehr entgegen gekommen wird, weil es scheint, dass jeder (behauptete) Gewissensbiss zum Anlass eines strafbefreienden Rücktritts genommen wird. Das Gericht muss aber nicht jeden Unsinn glauben, hat der BGH schon mehrfach betont (21).

Mit der Strafbarkeit des Versuchs reagiert der Gesetzgeber auf besonders gefährliche Formen der Kriminalität. Sie ist eine Ausnahme vom sonst geltenden Erfolgsunrecht. Deshalb ist es auch gerechtfertigt, den Täter, der freiwillig seinen böswilligen Plan aufgibt, im Interesse des Opferschutzes zu begünstigen. Beim unbeendeten Versuch geht das so weit, dass der Täter einfach nur von der weiteren Tatausführung Abstand nehmen muss, um wegen der noch nicht vollendeten Tat straffrei zu werden.

Hat der Täter keine ernsthafte Handlungsalternative, greift der beendete Versuch. Um von ihm strafbefreiend zurückzutreten, bedarf es des aktiven Zutuns des Täters, also einer tätigen Reue. Sie muss nicht optimal und kann eine von mehreren, möglicherweise sogar geeigneteren Möglichkeiten sein.

Der unbeendete Versuch privilegiert den Täter äußerst stark, so dass der BGH bei sehr rohen und gefährlichen, erkennbar tödlichen Gewalthandlungen zur Zurückhaltung mahnt. Das führt nicht etwa dazu, dass der unbeendete Versuch verstellt werde, sondern nur zu der Frage, ob der Täter tatsächlich eine Notwendigkeit gesehen hat, das Tatziel durch weitere Handlungen zu fördern. Das zieht sich hin bis zum "Denkzettel", wobei der BGH die Straffreiheit noch einmal um ein Stück erweitert hat.

Bei mehraktigen Vermögens- und Erpressungsdelikten stellen sich die Probleme beim Versuch in doppelter Hinsicht. Bewegt sich ein lügender Betrüger noch im straflosen Vorbereitungsstadium oder erstrebt er schon die Tatvollendung als Ganze (22)? Welchen Tatplan hat er und welche Vorstellungen davon, welche Tathandlungen er noch leisten muss und vor allem, wann und wo? Die Schwierigkeiten im Einzelfall sind vorprogrammiert.
 

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Die aufgezeigten Probleme betreffen auch die Cybercrime. Welchen Zweck verfolgt der Täter mit der Verbreitung von Malware? Sie arbeitet meistens automatisch und bedarf wahrscheinlich nicht mehr seines Zutuns.

Der Einsatz von Onlinebanking-Trojanern erfolgt inzwischen vollständig automatisch (23). Ihre Strafbarkeit wegen vollendeter Delikte tritt in drei Stufen ein. Mit der erfolgten Einspeisung in den angegriffenen Computer ist bereits die Computersabotage vollendet ( § 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB), mit dem erfolgreichen Einnisten und Tarnen der Malware folgt die Vorbereitung des Computerbetruges in Tateinheit mit Computersabotage ( §§ 303b Abs. 1 Nr. 1, 263a Abs. 3 StGB) und mit dem erfolgreichen Einsatz bei der Manipulation des Onlinebanking-Vorgangs wird in aller Regel ein besonders schwerer Computerbetrug in Tateinheit mit einer besonders schweren Fälschung beweiserheblicher Daten vollendet ( §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 1, 269 Abs. 3, 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB). Das Täterhandeln besteht allein darin, die Malware per Spamming zu verbreiten oder in Pharmen zur Injektion bereit zu halten und einen C & C-Server für die Steuerung zu betreiben. Damit ist der Versuch wegen aller 3 Tatvollendungsstufen beendet, weil es eines weiteren Zutuns des Täters nicht mehr bedarf.

Anders sieht es bei der Verbreitung von Malware aus, die Backdoors zur Industriespionage schaffen sollen [Night Dragon (24)]. Hier fehlt das Element des Betruges, so dass die Einspeisung der Malware und ihre Einnistung nur als Computersabotage zu behandeln ist ( § 303b StGB), wobei auch hier der Versuch der Computersabotage mit der Verbreitung der Malware und dem Betrieb eines C & C beendet ist. Die finale (weitere) Tat ist jedoch erst mit dem erfolgreichen Ausspähen von Daten vollendet ( § 202a Abs. 1 StGB), was eines eigenen Handelns des Täters bedarf. Diese Strafnorm kennt keine Strafbarkeit des Versuchs. Wenn es um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht, greift jedoch die Versuchsstrafbarkeit nach § 17 Abs. 3 UWG (25).

Die Auseinandersetzung mit den Fragen des Versuchs im Bereich der Cybercrime bedarf einer tiefen Auseinandersetzung mit den Tatabläufen, -zielen und den selbständigen Prozessen, die die Malware ausführt. Gewaltkriminalität ist in aller Regel einfacher zu begreifen.
  

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(1) Zum Skimming: BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 1350/08, Rn 6.

(2) Hilfreiche Einführung, u.a. zum hier nicht behandelten Wahndelikt:
Waltraud Nolden, Das Versuchsdelikt, go-jura.de 09.03.2001.

(3) BGH, Beschluss vom 07.11.2007 - 5 StR 371/07, Rn 17

(4) BGH, Beschluss vom 28.03.1995 - 4 StR 106/95, Rn 5

(5) 1) Ebenda (4).
2) BGH, Beschluss vom 19.05.1993 - GSSt 1/93, Rn 22.

(6) Ebenda (5.2), Rn 35.

(7) Ebenda (5.2), Rn 21.

(8) Ebenda (5.2), Rn 35.

(9) BGH, Urteil vom 07.11.1984 - 2 StR 521/84

(10) BGH, Beschluss vom 29.01.2002 - 4 StR 520/01, S. 34

(11) Ebenda (5.2), Rn 21.
Siehe auch: BGH, Urteil vom 10.04.1986 - 4 StR 89/86, Rn 6;
  BGH, Urteil vom 20.05.2009 - 2 StR 576/08.

(12) Ebenda (5.2), Rn 36.

(13) Unklar: BGH, Beschluss vom 11.05.1993 - 5 StR 242/93.

(14) Ebenda (5.2), Rn 39.

(15) BGH, Urteil vom 12.11.1987 - 4 StR 541/87, Rn 9

(16) Ebenda (15), Rn 10.
Zum Zweifelsatz: Im Zweifel für den Angeklagten, 21.11.2011.

(17) BGH, Urteil vom 10.04.1986 - 4 StR 89/86, Rn 6

(18) BGH, Urteil vom 30.11.1995 - 5 StR 465/95, Rn 28 (Dagobert)

(19) Ebenda (18), Rn 29.

(20) BGH, Urteil vom 14.06.2005 - 1 StR 503/04, S. 9

(21) BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, Rn 25

(22) Vorbereitung und Versuch beim Betrug, 08.02.2011;
BGH, Beschluss vom 12.01.2011 - 1 StR 540/10.

(23) Dieter Kochheim, IuK-Strafrecht, 29.10.2011, S. 55

(24) Ebenda (23), S. 33.

(25) Ebenda (23), S. 62.
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018