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Januar 2012 |
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Machbarkeitsstudie ohne zureichende Daten und Instrumente |
Untersuchung des MPI
über Schutzlücken bei fehlender Vorratsdatenspeicherung |
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Die Kritiker jubeln: Eine vom Bundesjustizministerium beim Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht in Auftrag gegebene Untersuchung kann keine Beweise für die These finden, dass eine verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren – wie sie von der CDU/CSU gefordert wird – von essenzieller Bedeutung für die Strafverfolgung sei. (1) Genau das steht nicht in der Studie. |
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Die
Studie des MPI widmet sich den
Problemen
der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei Fehlen gespeicherter
Telekommunikationsverkehrsdaten
(2)
und ist auf dem Stand vom September 2011 (Zeitstempel des PDF-Dokuments).
Die zugrunde liegenden Daten stammen aus einer Erhebung aus der Zeit von
Mai bis August 2010, also aus vier Monaten, die inzwischen 1 1/2 Jahre
zurück liegen.
Wichtigste Erkenntnisquelle Auf die methodischen Schwächen der Untersuchung weisen die Autoren mehrfach und insbesondere bei der Einleitung zu ihren Schlussfolgerungen hin <S. 218>: Es gibt keine belastbaren Zahlen, der 4-monatige Erhebungszeitraum war zu kurz, die Erhebung gibt keine Aussagen zum Fahndungserfolg, es fehlen flankierende und vor Allem längerfristige Untersuchungen <Nr. 1.1 bis 1.4>. Damit wäre das Ende jeder Ernst zu nehmenden Studie besiegelt. Die wichtigste Erkenntnisquelle waren jedoch nicht Zahlen, sondern die durchgeführten Interviews. Diese mögen ein subjektives Stimmungsbild, aber keine "belastbaren" Erkenntnisse über Schutzlücken und Ermittlungserfolge abgeben, sollte man meinen. Das hindert die Autoren jedoch nicht, gute 11 S. lang Schlüsse zu ziehen.
Bevor wir
dazu kommen gilt es, die
Grundlagen zu sichern. |
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Bestands-, Verkehrs- und Vorratsdaten | |||
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Verkehrsdaten sind die Daten, die im Zusammenhang mit der Telekommunikation entstehen. Sie geben Auskunft über die Art, die Teilnehmer und die Dauer des Telekommunikationsvorgangs sowie über den geographischen Standort des Endgeräts bei der Mobiltelefonie ( Geodaten). Für sie besteht ein zweckgebundenes Speicherrecht ( § 96 TKG) und in diesem Rahmen auch eine Auskunftspflicht nach Maßgabe von § 100g StPO in der heute noch geltenden Fassung. Verkehrsdaten sind keine Inhaltsdaten. Solche werden nicht gespeichert und können nur nach Maßgabe von § 100a StPO aufgezeichnet werden (5). Vorratsdaten sind Verkehrsdaten, für die eine vorübergehende Speicherpflicht besteht. Die Speicherpflicht wurde vom BVerfG suspendiert.
Bestandsdaten sind alle Daten, die zur Begründung und Abwicklung
eines Vertragsverhältnisses im Zusammenhang mit der Telekommunikation
benötigt werden Für Auskünfte über Bestandsdaten gibt es keine strafverfahrensrechtliche Erhebungsschwelle (6), mit anderen Worten: Für sie gibt es keinen Straftatenkatalog und sie sind wegen jeder Straftat zulässig. Auch wenn bei der Auskunft auf Verkehrsdaten zurückgegriffen werden muss, handelt es sich nur um einen mittelbaren und punktuellen Eingriff, der keinen messbaren Grundrechtseingriff befürchten lässt (7). Direkte Auskünfte über Verkehrsdaten lässt § 100g StPO unter strengen Einschränkungen zu. Die Ermittlungen müssen zur Aufklärung von Straftaten erheblicher Bedeutung dienen. Das ist eine geringere Schwelle als die, für die der Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO gilt. Und die Entscheidung über die Herausgabepflicht bedarf grundsätzlich eines gerichtlichen Beschlusses. Das Modewort Quick Freeze legt ein Verfahren zugrunde, bei dem - soweit vorhanden - die gespeicherten, die laufenden und künftigen Verkehrsdaten aufgezeichnet und gespeichert werden. Es ist kein Ersatz für die sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung, sagt das BVerfG (8).
Quick Freeze muss man nicht schaffen, weil es längst im Zuge der
Überwachung der Telekommunikation ( §
100a StPO) und der Auskünfte über Verkehrsdaten ( §
100g StPO) im Gesetz geregelt ist. Wer so tut, als würde die
künftige Einführung des Quick-Freeze-Verfahrens ein
Befreiungsschlag und ein tauglicher Ersatz für die
Vorratsdatenspeicherung sein, betreibt Augenwischerei
(9). |
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Einzelfälle ohne Aussagewert | |||
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Unter <Nr. 2.9 bis 2.11> werfen die Autoren einen Blick auf die Polizeiliche Kriminalstatistik - PKS - und stellen fest, dass sich weder während der Geltung der Vorratsdatenspeicherung noch danach erkennbare Änderungen bei der Aufklärungshäufigkeit ergeben hätten. Wie auch? Bei Schlägereien, Schwarzfahrten und Ladendiebstählen, also einem Großteil der statistisch erfassten Kriminalität, kommen Bestands- und Verkehrsdaten als Spuren nicht ernsthaft in Betracht. Das gelte jedoch auch für deliktsspezifische Aufklärungsquoten, namentlich bei der Computer- und Internetkriminalität (10). Die Fallzahlen steigen zwar Jahr für Jahr in auffallendem Maße, aber das bleibt unerwähnt. Immerhin nehmen die Autoren wahr: Die Interviews deuten übereinstimmend darauf hin, dass hier derzeit die wohl gravierendste Schutzlücke zu finden ist <S. 224, Nr. 4.28>. Im Hinblick auf die Wirksamkeit verschiedener Ermittlungsinstrumente gibt es zwar nur wenige systematische Untersuchungen <S. 221, Nr. 3.16>. Mit anderen Worten: Man hat keine verlässlichen Messinstrumente. Gleichwohl stellen die Autoren fest, dass das Fehlen von Verkehrsdaten weder bei der Verfolgung der schweren Krimnalität im allgemeinen <Nr. 3.17> noch in konkreten Deliktsfeldern erkennbare Auswirkungen gehabt hätte <Nr. 3.19>. Mit anderen Worten: Wir sind zwar blind, reden aber vom Sehen. Bei der Auseinandersetzung mit den Perspektiven der betroffenen Praktiker <S. 222, Nr. 4> heben die Autoren zunächst die subjektive Ausrichtungen und die stark voneinander abweichenden Beurteilungen hervor <Nr. 4.20>. Das ist jedoch der Methode (Interview) geschuldet und nicht dem Unvermögen der Interviewpartner, ist zu ergänzen. Die Erfahrungen der Praktiker werden umfassend und fast kommentarlos referiert: Die Verkehrsdaten eingehender Anrufe werden nicht mehr gespeichert <Nr. 4.22.1>, die Provider verweigern zunehmend Bestandsdatenauskünfte, wenn sie dazu auf Verkehrsdaten zurückgreifen müssen <Nr. 4.22.2>, Auskünfte über IMSI- und IMEI-Nummern blieben negativ <Nr. 4.22.3>, Funkzellenabfragen in Echtzeit seien ausgeschlossen <Nr. 4.22.4> und die Speicher- und Auskunftspraxis sei sehr unterschiedlich <Nr. 4.23>.
Der
drohende Datenverlust erzeugt einen Zeitdruck, der sich bei den
Ermittlern spürbar
Verloren
geht nach Angabe vieler Experten häufig auch die Filterfunktion der
Verkehrsdatenauswertung im Vorfeld von § 100a-Maßnahmen. Dies könnte in
verschiedenen ermittlungstaktischen Situationen zu einer größeren
Streubreite und damit einer erhöhten Zahl von Inhaltsüberwachungen
führen <S. 225, Nr. 4.30>.
Darüber
hinaus können, wenn auch nicht auf breiter Basis, die
eingriffsintensiveren Maßnahmen gem. § 100a StPO auch als Substitut für
die Verkehrsdatenabfrage eingesetzt werden <Nr. 4.31>. Auch das
habe ich vor einem Jahr gesagt
(11). |
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Machbarkeitsstudie | |||
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Die Feststellung potenzieller Schutzlücken kann nach alledem nicht abstrakt entlang einzelner Delikte oder Deliktsbereiche vorgenommen werden. Tatsächlich hängt dies maßgeblich von sechs Faktoren ab:
der Deliktsart, Jeder einzelne der genannten Faktoren wie auch das Zusammentreffen von mehreren kann im Einzelfall zur Unerreichbarkeit von Verkehrsdaten und in der Folge auch zur Unaufklärbarkeit des Falles führen. Besonders häufig ist diese Konstellation derzeit im Bereich der IuK-Kriminalität festzustellen. Eine belastbare Quantifizierung ist derzeit freilich noch nicht möglich. Nach übereinstimmernden Angaben ist der Anteil jedenfalls als hoch einzuschätzen. Die Untersuchung des MPI ist eine Machbarkeitsstudie mit den klaren Aussagen: Ja, es gibt Anlass dazu, Schutzlücken durch das Fehlen der Vorratsdatenspeicherung zu erwarten. Eine verlässliche Aussage lässt sich dazu aber nicht treffen, weil die Datenbasis und die Instrumente dazu fehlen. Das gilt besonders für die isolierte Betrachtung der Wirksamkeit einzelner Ermittlungsinstrumente. Belastbare Aussagen müssen späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Der bemühte Ausflug zur PKS und die Materialkritik am subjektiven Gehalt der Aussagen aus den Interviews ist auf diese Aspekte bezogen berechtigt, aber mangels anerkannter und bewährter Analyseinstrumente dann unlauter, wenn aus ihnen Folgerungen gezogen werden in der Art, dass keine Schutzlücken bestehen dürften.
Jedenfalls
eine Aussage kann man mit wissenschaftlichem Gewissen aus der Studie
nicht ziehen: Die Vorratsdatenspeicherung
ist nicht erforderlich, weil die Strafverfolgung sie nicht braucht. |
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schweigende Kritiker | |||
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Das sieht das Auftrag gebende BMJ anders (12). Twister regt sich schon 'mal vorsorglich über die Arroganz des Sprechers des BMI auf, wonach die Untersuchung für das "Bundesinnenministerium nicht von Relevanz ist" (13) und kündigt eine ausführliche Auseinandersetzung samt Links etc. an. Es drücken ja auch andere Themen wie die ausufernden Funkzellenerhebungen (14), die 30 neuen Planstellen beim BKA, um einen neuen Staatstrojaner zu bauen (15), oder Anonymous' jüngster DDoS-Angriff gegen das US-Justizministerium (16).
Vielleicht ist ja auch nur einfach Sonntag, Ruhe angesagt und die Zeit
für eine fiktive Geschichte
(17). |