|  |  | Bestandsaufnahme und praktische Konsequenzen 
		aus dem Urteil des BVerfG 
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		 Das 
		Bundesverfassungsgericht hat am 02.03.2010 die geltenden 
		telekommunikationsrechtlichen Regeln zur Vorratsdatenspeicherung und den 
		strafverfahrensrechtlichen Zugriff auf sie für nichtig erklärt  (1). Damit stellen sich die Fragen danach, wie mit den "Altdaten" 
		umgegangen werden muss, die auch nach Maßgabe des BVerfG zulässig 
		erhoben wurden, und welche Daten künftig noch erhoben werden dürfen. 
		 Die 
		beanstandeten Regeln wurden mit Wirkung vom 01.01.2008  (2) 
		im Rahmen der StPO-Novelle 2007 eingeführt  (3). 
		Dazu gehörte eben auch die  Vorratsdatenspeicherung, für deren Beginn eine Übergangsfrist bis zum 
		01.01.2009 galt. Sie hat in Bezug auf das Strafverfahren 
		zwei Regelungsbereiche, die im Telekommunikationsgesetz und in der 
		Strafprozessordnung angesiedelt sind. 
		
		 § 113 TKG verpflichtet die Betreiber von geschäftsmäßigen 
		TK-Dienstleistungen (Zugangsprovider) unter Verweis auf die  §§ 95 bis 111 TKG zur Auskunft an die Strafverfolgungsbehörden im 
		Hinblick auf die Daten, die sie zu Zwecken ihres kaufmännischen und 
		technischen Betriebes benötigen (siehe  unten links). Dazu gehören die  Bestandsdaten (  § 95 TKG) und die nach Maßgabe von  § 96 Abs. 1 S. 1 TKG begrenzten  Verkehrsdaten. 
		Diese Vorschriften gelten fort und wurden vom BVerfG nicht aufgehoben.
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		 Die 
		Vorratsdatenspeicherung wurde von  § 113a TKG angeordnet. Der darin enthaltene Datenkatalog war 
		erheblich umfangreicher. Die Speicherdauer betrug 6 Monate, die Daten 
		mussten binnen eines weiteren Monats gelöscht werden.  § 113b TKG enthielt die Ermächtigung, dass die Zugangsprovider die 
		Vorratsdaten an die Strafverfolgungsbehörden herausgeben durften. Beide 
		Vorschriften sind vom BVerfG als verfassungswidrig und nichtig erklärt 
		worden. 
		 Die 
		einschlägige strafverfahrensrechtliche Eingriffsnorm ist  § 100g StPO. Sie ist nach der Entscheidung des BVerfG insoweit 
		nichtig, wie sie den Zugriff auf Vorratsdaten gemäß  § 113a TKG zuließ. Im übrigen gilt die Vorschrift fort und das gilt 
		vor allem auch wegen der (inhaltlich begrenzten) Verkehrsdaten, die von  § 96 Abs. 1 S. 1 TKG definiert werden. 
		 Daraus 
		folgt zunächst, dass künftig keine Vorratsdaten gemäß  § 113a TKG vorgehalten und schon deshalb nicht nach  § 100g StPO im Strafverfahren beigezogen werden können. 
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      |        | Wirkung der Nichtigkeit | 
    
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				| Verkehrsdaten gemäß  § 96 Abs. 1 S. 1 TKG: |  
				| 1. | die Nummer oder Kennung der beteiligten Anschlüsse oder der 
				Endeinrichtung, personenbezogene Berechtigungskennungen, bei 
				Verwendung von Kundenkarten auch die Kartennummer, bei mobilen 
				Anschlüssen auch die Standortdaten, |  
				| 2. | den Beginn und das Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und 
				Uhrzeit und, soweit die Entgelte davon abhängen, die 
				übermittelten Datenmengen, |  
				| 3. | den vom Nutzer in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienst, |  
				| 4. | die Endpunkte von festgeschalteten Verbindungen, ihren Beginn 
				und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit und, soweit die Entgelte 
				davon abhängen, die übermittelten Datenmengen, |  
				| 5. | sonstige zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der 
				Telekommunikation sowie zur Entgeltabrechnung notwendige 
				Verkehrsdaten. |  |  
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  Zur 
		Entscheidung über die Nichtigkeit ist das BVerfG durch  § 95 Abs. 3 in Verbindung mit  § 78 BVerfGG befugt. Daraus folgt jedenfalls, dass dieses Gesetz 
		künftig nicht mehr angewendet werden darf  (4). Die 
		Einzelheiten der Rechtsfolgen der Nichtigkeit werden von  § 79 BVerfGG angesprochen. Danach können rechtskräftige Strafurteile 
		durch  Wiederaufnahme des Verfahrens  nach den Vorschriften der 
		Strafprozessordnung angegriffen werden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist nach
		
		 § 359 StPO vor allem dann zulässig, wenn sich die Tatsachengrundlagen des 
		Strafurteils im Nachhinein als nachweislich falsch erwiesen haben. Eine 
		Besonderheit stellt  § 359 Nr. 6 StPO dar, der eine Wiederaufnahme auf der Grundlage 
		einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte 
		zulässt. In ähnlicher Weise lässt auch  § 79 Abs. 1 BVerfGG die Wiederaufnahme zu, soweit die Verurteilung 
		auf dem nichtigen Gesetz beruht. Das ist der Fall,
		wenn das Gericht bei richtiger 
		Rechtsanwendung möglicherweise anders (als im angefochtenen Urteil 
		geschehen) entschieden hätte. 
		   § 100g StPO ist aber kein materielles Strafgesetz, dessen Tatbestand 
		mit Strafe droht, sondern eine Regel des Strafverfahrensrechts. In 
		diesem Zusammenhang ist in der Literatur die Ansicht verbreitet, dass 
		die Nichtigkeit nicht auf Verfahrensregeln mit Bezug auf die 
		Vergangenheit wirkt. Die viel behauptete Klarheit lässt die 
		Rechtsprechung vermissen. 
		 Nach einhelliger Meinung stellt die Eröffnung des 
		Wiederaufnahmeverfahrens gemäß  § 79 Abs. 1 BVerfGG die Ausnahme dar  (5). Die Regel bildet danach  § 79 Abs. 2 BVerfGG, der rechtskräftige Entscheidungen 
		bestandskräftig erhält und nur ihre Vollstreckung hemmt. 
 
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  Dafür sind 
		zwei gegensätzliche Gründe ausschlaggebend, für die das BVerfGG einen 
		Kompromiss sucht. Wenn seine Nichtigkeit festgestellt wird, dann ist das Gesetz von 
		vornherein verfassungsrechtlich verboten gewesen und wird es rückwirkend 
		aufgehoben (ex tunc). Während seiner Geltung ist es jedoch - möglicherweise sogar lange 
		Jahre - auf eine Vielzahl von Sachverhalten angewendet worden. Die 
		konsequente Rückwirkung würde die Bestandskraft aller auf der Gesetzesanwendung 
		beruhender Entscheidungen in Frage stellen und damit eine 
		unverantwortliche Rechtsunsicherheit verursachen. Dieses Dilemma zwischen Verfassungswidrigkeit einerseits und 
		Gewährung von Rechtssicherheit andererseits beschäftigt die 
		Rechtswissenschaft seit Jahrzehnten 
		 (6). 
		Insoweit hat das BVerfG auch prozessuale Verfahren der Wiederaufnahme unterworfen  (7), 
		wenn sie die Gerichtsverfassung regeln. Das bedeutet, dass 
		Verfahrensregeln unwirksam werden, die den Gerichtsweg und besonders den 
		gesetzlichen Richter betreffen (  Art. 101 S.2 GG), nicht aber das Verfahrensrecht, das der berufene 
		Richter anwendet. 
		 Die von  § 79 Abs. 1 BVerfGG eröffnete Wiederaufnahme stellt, wie gesagt, die Ausnahme dar 
		und  § 79 Abs. 2 BVerfGG den Regelfall  (8). Das BVerfG spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich davon, dass 
		niemand gezwungen sein soll,
		   den Makel 
		einer Strafe auf sich lasten zu lassen, die auf einem 
		verfassungswidrigen Strafgesetz beruht  (28). 
		Der Begriff Strafgesetz bezeichnet aber 
		ausschließlich materielle Strafnormen, nicht auch formelle. | 
    
      |        | keine rückwirkende Nichtigkeit | wirksame unechte Rückwirkung | 
    
      |  |  
 
		
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    Im 
		Bereich von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren können dem Bürger durch 
		Änderungen der Verfahrensordnungen mit Wirkung für bereits anhängige 
		Verfahren wesentliche Positionen für die Wahrung seiner Rechte verkürzt 
		oder abgeschnitten werden. ... (Rn 18) 
 
    Die Regelung 
		bewirkt allerdings keine sogenannte echte Rückwirkung. Eine solche setzt 
		voraus, dass der Gesetzgeber nachträglich ändernd in abgewickelte, der 
		Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. ... (Rn 19) 
 
    Anders als 
		eine echte Rückwirkung, der das Rechtsstaatsprinzip enge Grenzen zieht 
		(...) und die deshalb verfassungsrechtlich in der Regel untersagt ist 
		(...), ist die unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig (...). Jedoch 
		ergeben sich für den Gesetzgeber auch hier aus dem rechtsstaatlichen 
		Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes Schranken. Im 
		näheren hängt die Beurteilung von dem Ergebnis einer Abwägung zwischen 
		dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des 
		gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit ab. (Rn 20)  (15) 
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  Danach 
		behalten alle Anordnungen gemäß  § 100g StPO Bestandskraft, wenn sie nicht nur beschlossen wurden, 
		sondern auch vollstreckt. Diese Einschränkung ergibt sich aus  § 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG, der die Vollstreckung aus auf 
		verfassungswidriger Grundlage ergangener Entscheidungen untersagt. Anordnungen gemäß
		
		 § 100g StPO richten sich gegen den Zugangsprovider. Er wird durch 
		sie zur Herausgabe der bei ihm gespeicherten Verkehrsdaten verpflichtet. 
		Sobald der Zugangsprovider die herausgegeben hat, ist die Vollstreckung 
		im Sinne von  § 100g StPO abgeschlossen. 
		 Keine 
		Vollstreckung in diesem Sinne ist der nachträgliche Rechtsschutz, den  § 
		101 Abs. 7 StPO bietet. Er ist kein Rechtsmittel, der gegen den 
		Vollzug einer Eingriffsentscheidung gerichtet ist, sondern ausdrücklich 
		(  § 101 Abs. 4 S. 2 StPO) eine nachträgliche Überprüfung der 
		Rechtmäßigkeit und des Vollzuges des Eingriffs, nachdem er beendet ist  (9). 
		Die gerichtliche Entscheidung dient vor allem der Nachholung des 
		rechtlichen Gehörs. Die gerichtliche Entscheidung ist sozusagen der 
		Ersatz der sonst gebotenen Anhörung, die nach  § 33 Abs. 4 StPO unterbleiben darf, wenn durch sie der 
		Untersuchungszweck gefährdet würde. 
		 Der Maßstab 
		für die Entscheidung nach  § 
		101 StPO ist das zum Zeitpunkt der Entscheidung und Vollstreckung 
		geltende Recht  (10). 
		Für die Zeit seit dem 11.03.2008 gilt deshalb der Maßstab, den das 
		BVerfG durch einstweilige Anordnungen gestaltet hat. 
 
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  Mit der 
		einstweiligen Anordnung vom 11.03.2008  (11) 
		hat das BVerfG den Vollzug des  § 100g StPO in Bezug auf Vorratsdaten weitgehend ausgesetzt  (12). 
		Danach durften die Zugangsprovider nur in den Fällen die Vorratsdaten 
		herausgeben, denen Ermittlungen wegen einer  Katalogstraftat gemäß  § 100a Abs. 2 StPO zugrunde lagen. In allen anderen Fällen mussten 
		die angeforderten Vorratsdaten bis zur abschließenden Entscheidung des 
		BVerfG gespeichert und durften nicht herausgegeben werden. Die 
		einstweilige Anordnung wurde mehrfach erweitert und verlängert  (13). 
		Im abschließenden Urteil hat das BVerfG die Löschung der eingefrorenen 
		Daten angeordnet. Zu den Vorratsdaten, die nach der einstweiligen 
		Verfahrensregelung herausgegeben werden durften, sagt es ausdrücklich 
		nichts  (14). 
		 Wegen 
		schwebender Entscheidungen ist es dem Gesetzgeber erlaubt, vorläufige 
		materielle und Verfahrensregeln zu treffen. In engen Grenzen darf er 
		dazu auch rückwirkend in Rechtsverhältnisse eingreifen ("echte 
		Rückwirkung"). Die "unechte Rückwirkung", die sich auf Verfahrensregeln 
		beschränkt, ist jedoch nach Maßgabe der Rechtssicherheit und des 
		Vertrauensschutzes grundsätzlich zulässig [siehe Kasten  links unten,  (15)]. 
		 Nichts 
		anderes hat das BVerfG mit seinen einstweiligen Anordnungen getan. Nach 
		den Grundsätzen der unechten Rückwirkung bleiben die zwischenzeitlichen 
		Anordnungen gemäß  § 100g StPO in Bezug auf Straftaten gemäß  § 100a Abs. 2 StPO wirksam und wegen ihrer Folgen vollziehbar. 
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      |        | Verwertung von Vorratsdaten | Verwertungsverbote | 
    
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    Eine 
		Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn 
		eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und 
		Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende 
		Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich 
		Unverzichtbares preisgegeben wurde (...). Im Rahmen dieser Gesamtschau 
		sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege 
		in den Blick zu nehmen (...). Insofern ist zu bedenken, dass jedes 
		Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot die Beweismöglichkeiten der 
		Strafverfolgungsbehörden zur Erhärtung oder Widerlegung des Verdachts 
		strafbarer Handlungen einschränkt und so die Findung einer materiell 
		richtigen und gerechten Entscheidung beeinträchtigt; von Verfassungs 
		wegen stellt ein Beweisverwertungsverbot mithin eine 
		begründungsbedürftige Ausnahme dar ...  (19) 
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  Die 
		Vorratsdaten, die seit dem 11.03.2008 nach Maßgabe der einstweiligen 
		Anordnung des BVerfG erhoben und von den Zugangsprovidern herausgegeben 
		wurden, bleiben gemäß  § 79 Abs. 2 BVerfGG und den Grundsätzen der  unechten Rückwirkung verwertbar. 
		 Dem stehen 
		auch nicht die inhaltlichen Schranken entgegen, die das BVerfG jetzt in 
		Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung gesetzt hat. Seit dem 11.03.2008 durften nur die Vorratsdaten an die 
		Strafverfolgungsbehörden herausgegeben werden, die die Fälle einer
		
		 Katalogstraftat gemäß  § 100a Abs. 2 StPO und damit die besonders schwere Kriminalität 
		betrafen  (16). 
		Wegen dieser Kriminalitätsformen betrachtet das BVerfG noch immer die 
		Verwertung von Vorratsdaten als zulässig  (17). 
		 Somit 
		stehen weder Gründe des Verfahrensrechts noch des sachlichen 
		Verfassungsrechts der Verwertung der in der Zwischenzeit erhobenen 
		Vorratsdaten entgegen. Für sie ist kein Verwertungsverbot 
		eingetreten!
 
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  Das BVerfG 
		unterscheidet zwischen absoluten und relativen Verwertungsverboten  (18), 
		wobei letztere    eine 
		Verwertung nur unter erhöhten Anforderungen zulassen. 
		 Von 
		Verfassungs wegen gebotene Verwertungsverbote haben immer einen 
		Ausnahmecharakter (siehe Kasten  links) und greifen nur dann, wenn bei einer Gesamtschau das 
		Rechtsstaatsprinzip durchbrochen wurde. Dadurch, dass das BVerfG im Rahmen seiner 
		 einstweiligen Anordnungen den Anwendungsbereich des  § 100g StPO auf  Katalogstraftaten beschränkt hat, steht in diesen Fällen der 
		Verwertung nichts entgegen. 
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      |        | Schwellengleichheit | Spurenansatz, Ergreifung | 
    
      |  |  
 |  
  Etwas 
		anderes gilt wegen der Zufallsfunde. Damit sind die Vorratsdaten 
		gemeint, die wirksam und verwertbar erhoben wurden und Auskunft über 
		andere Straftaten geben. Bis zum 02.03.2010 galten für sie die
		
		 §§ 
		161 Abs. 2 (Import) und  477 
		Abs. 2 S. 2 StPO (Export) nach Maßgabe der einstweiligen Anordnungen 
		des BVerfG. Mit anderen Worten: Verwertbare Vorratsdaten konnten bis 
		dahin auch in andere Verfahren eingebracht und als Vollbeweis verwertet werden, wenn 
		auch dort (wegen einer  Katalogstraftat) ihre Erhebung zulässig gewesen ist. Der 
		entscheidende Zeitpunkt, auf den dabei abzustellen ist, ist der des 
		erneuten Grundrechtseingriffs, also dann, sobald über die Verwertung der 
		Vorratsdaten entschieden wurde  (20). 
		 Seit dem 
		02.03.2010 ist  § 100g StPO insoweit nichtig, wie er den strafverfahrensrechtlichen 
		Zugriff auf Vorratsdaten zuließ. Seither ist ihre Erhebung in 
		Strafverfahren verboten und fehlt es an einer Norm, mit der sich die 
		Schwellengleichheit begründen ließe. 
 
 |  Der Grundsatz der Schwellengleichheit gilt nur für die Vorratsdaten, die 
		als Vollbeweis verwertet werden sollen.
 Etwas anderes gilt für den vom BVerfG anerkannten Spurenansatz 
		 (21). 
		Danach können auch nicht schwellengleiche Erkenntnisse zur Begründung 
		von Eingriffsmaßnahmen herangezogen werden. Bei der gerichtlichen 
		Urteilsbildung bleiben sie jedoch unverwertbar, nicht aber die neuen 
		Erkenntnisse, die aufgrund anderer Ermittlungsmaßnahmen gewonnen wurden. Daraus folgt, dass die wirksam erhobenen Vorratsdaten im Rahmen des 
		Spurenansatzes auch als Zufallsfunde mit der Beschränkung verwertet 
		werden dürfen, dass sie nur die Begründung neuer Ermittlungsmaßnahmen 
		erlauben. In der folgenden gerichtlichen Verhandlung besteht ein 
		Verwertungsverbot als Vollbeweis.  Ebenfalls erkennt das BVerfG die Verwertung nicht schwellengleicher Erkenntnisse zur 
		Aufenthaltsermittlung und Ergreifung von Tätern an  (22). 
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      |        | Fazit | 
    
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	| 
	
	|  Seit dem 02.03.2010 können keine Vorratsdaten erhoben werden. |  
	|  Die seit 
	dem 11.03.2008 unter den Einschränkungen der einstweiligen Anordnung des 
	BVerfG erhobenen Vorratsdaten sind weiterhin verwertbar. Das gilt auch dann, 
	wenn sich seither der rechtliche Gesichtspunkt der Strafbarkeit geändert hat. |  
	|  Die 
	Vorratsdaten, die bis zum 02.03.2010 als Zufallsfunde Eingang in andere 
	Verfahren gefunden haben, bleiben verwertbar, wenn sie schwellengleiche 
	Vorwürfe betreffen. |  
	|  Seit dem 
	02.03.2010 können Vorratsdaten nicht mehr als Zufallsfunde eingeführt 
	werden. Das gilt nicht im Zusammenhang mit dem Spurenansatz und zur 
	Ergreifung des Täters. |  
	|  Seit dem 
	02.03.2010 können nur noch zurückliegende Verkehrsdaten erhoben werden, die 
	die Zugangsprovider zu kaufmännischen oder technischen Zwecken speichern 
	dürfen. Die künftigen Verkehrsdaten können weiter erhoben werden. |  |  
 |  
  Durch die Nichtigkeitserklärung des BVerfG im Hinblick auf  § 100g StPO, soweit er den Zugriff auf Vorratsdaten zugelassen hat, 
	ist seit dem 02.03.2010 die Einführung von Vorratsdaten in 
	Strafverfahren ausgeschlossen. Das gilt wegen  § 
	161 Abs. 2 StPO auch für Vorratsdaten, die als Zufallsfunde in 
	anderen Verfahren verwendet werden sollen. Die Verwertung der seit dem 11.03.2008 erhobenen Vorratsdaten ist 
	zulässig. Sie konnten nur nach Maßgabe der  einstweiligen Anordnungen des 
	BVerfG erhoben werden und waren auf die Fälle der besonders schweren Kriminalität nach dem  Straftatenkatalog des  § 100a Abs. 2 StPO beschränkt. Sie trifft  keine rückwirkende Nichtigkeit und  kein Verwertungsverbot. Diese Vorratsdaten dürfen auch dann verwertet werden, wenn sich seit 
	ihrer Erhebung der rechtliche Gesichtspunkt geändert hat  (23) 
	und wenn sie im Rahmen des  Spurenansatzes oder  zur Ergreifung genutzt werden sollen.  Auf der Grundlage des  § 100g StPO können jetzt nur noch  Verkehrsdaten im Sinne von  § 96 Abs. 1 S. 1 TKG erhoben werden. Das sind solche, die 
	von den Zugangsprovidern aus kaufmännischen oder technischen Gründen 
	gespeichert werden müssen. Sie stehen höchstens für die Dauer von 3 
	Monaten zur Verfügung. 
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  Die 
		Nichtigkeitserklärungen des BVerfG in Bezug auf die Speicherung und 
		Erhebung von Vorratsdaten wird die Strafverfolgung belasten. War bislang 
		der Zugriff auf die Verkehrsdaten das mildere Mittel gegenüber der  Überwachung der Telekommunikation, wird sie wahrscheinlich häufiger 
		zum Einsatz kommen. Im Zusammenhang mit ihr können die künftigen 
		Verkehrsdaten weiterhin aufgezeichnet werden (  § 100g Abs. 1 S. 3 StPO).  Neben 
		dem Zugriff auf Vorratsdaten fehlt der Strafverfolgung auch das 
		Instrument der  Onlinedurchsuchung  (24). 
		Der Gesetzgeber lässt nicht erwarten, dass er zügig die Vorgaben des 
		BVerfG in beiden Fällen umsetzen wird  (25), 
		obwohl der politische Druck stark zu werden beginnt.
  Den 
		größten Druck wird die Urheber-Lobby ausüben. Sie ist in aller Regel bei 
		der Durchsetzung ihrer gewerblichen Schutzrechte auf Auskünfte über 
		dynamische IP-Adressen angewiesen, die ihrerseits nur anhand von 
		Verkehrsdaten aufgelöst werden können. Solche  Nutzungen im Einzelfall hat das BVerfG unabhängig von der Schwere 
		der Tat oder der Beeinträchtigung als zulässig angesehen.
 Weiterer Druck wird seitens der EU kommen, zumal sie die Vorgaben für 
		das gescheiterte Gesetz gegeben hat.  Die 
		jubelnden Gewinner müssen sich vor Augen halten, dass die 
		Vorratsdatenspeicherung nicht völlig unzulässig ist und auch die 
		Verwertung dieser Daten Berechtigung hat. Der Gesetzgeber ist in 
		Zugzwang und wird nicht ewig auf sich warten lassen können. 
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      |        | Aktualisierung | 
    
      |  |  | 
  28.03.2010: Eine aufmerksame Nutzerin hat mich auf die Kommentierung zu 
		§ 32 BVerfGG bei Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge hingewiesen, die 
		meine Argumentation abrundet  (26a). 
		Sie hat recht. 
 |  | 
    
      |        | Zitate | 
    
      |  |  
 
		
		| 
      § 79 BVerfGG regelt in seinen Absätzen 1 und 2 die Folgen von 
		Senatsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, durch die 
		eine Rechtsnorm für verfassungswidrig erklärt wird, auf deren Grundlage 
		Entscheidungen ergangen sind, die schon 
		rechtskräftig geworden oder auch sonst nicht mehr anfechtbar sind. Da 
		der Gesetzgeber bei Erlass des 
		Bundesverfassungsgerichtsgesetzes im Jahre 1951 (...) davon ausging, 
		dass die Rechtsfolge der 
		Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes dessen Nichtigkeit mit Wirkung ex 
		tunc sein würde (...), 
		sollten mit  § 79 BVerfGG die Rechtsfolgen der Nichtigkeit im Interesse des 
		Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit begrenzt 
		werden ...  (27) 
 |  
 |  
 
		
		| 
    Das geschah 
		vor allem durch die bis heute unverändert gebliebene Vorschrift des  § 79 Abs. 2 S. 1 BVerfGG, in der als 
		Grundsatz (...) bestimmt ist, dass - vorbehaltlich des  § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer 
		besonderen gesetzlichen Regelung - nicht mehr anfechtbare 
		Entscheidungen, die auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen,
		unberührt bleiben, also in ihrer Existenz nicht mehr in Frage gestellt 
		werden sollen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz 
		machte der Gesetzgeber nur für das Strafrecht (...). Niemand soll
		gezwungen sein, den Makel einer Strafe auf sich lasten zu lassen, die 
		auf einem verfassungswidrigen Strafgesetz beruht.
		Deshalb hat der Gesetzgeber in  § 79 Abs. 1 BVerfGG einen zusätzlichen 
		Wiederaufnahmegrund geschaffen (...), mit Hilfe dessen es dem Verurteilten möglich sein soll, diesen 
		Makel nach den Vorschriften der Strafprozessordnung
		durch Aufhebung oder Berichtigung des auf verfassungswidriger Grundlage 
		ergangenen Strafurteils zu beseitigen (...). Nur in diesem Fall soll deshalb die Rechtskraft der 
		Entscheidung durchbrochen werden können.  (28) 
 |  
 |  
 
		
		| 
    Insofern 
		fallen sowohl von Gerichten der Bundesrepublik Deutschland 
		ausgesprochene falsche Strafurteile als auch solche aus
		der Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft in den 
		Anwendungsbereich der  § 359 ff. StPO. Selbstverständlich ist grundsätzlich ein 
		Wiederaufnahmeverfahren auch dann zulässig, wenn das Strafurteil auf 
		einem nicht prozessordnungsgemäßen Verfahren beruht (...). Nach der auf 
		der Rechtslage vor Inkrafttreten des NS- 
		Aufhebungsgesetzes beruhenden Ansicht von Gössel (...) gilt dies 
		unabhängig davon, ob man derartige Urteile, etwa von Sondergerichten 
		oder des Volksgerichtshofes, für nichtig erachtet. Danach gebietet das 
		Rehabilitationsinteresse, wenn man die jeweiligen Entscheidungen als 
		nichtig ansieht, den förmlichen, deklaratorischen Nichtigkeitsausspruch 
		durch das Wiederaufnahmegericht wegen rechtsstaatswidriger 
		Verfahrensweise, allerdings ohne jede Entscheidung in der Sache. Anders 
		würde die zur Nichtigkeit des Urteils führende evident 
		rechtsstaatswidrige Verfahrensweise widersprüchlich insoweit mindestens 
		teilweise anerkannt werden, als eine konstitutiv wirkende formal 
		verfahrensbeendende Entscheidung für erforderlich gehalten wird, während 
		in Wahrheit die Entscheidung wie das dazu führende Verfahren 
		unbeachtlich sind, was nur deklaratorisch (in der Begründung des die 
		Nichtigkeit feststellenden Beschlusses) festgestellt werden kann (...).  (29) 
 
 |  | 
    
      |        | Anmerkungen | 
    
      |  |  |  
  (1)    BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08  (2) 
		siehe auch  StPO-Reform 2007
  (3)    Gesetz 
		zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter 
		Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG
  (4) 
		Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit hat dieselbe Folge wie die 
		der Nichtigkeit:    Die Norm darf ab sofort, d. h. vom Zeitpunkt der Entscheidung des 
		Bundesverfassungsgerichts an, in dem sich aus dem Tenor ergebenden Ausmaß nicht mehr angewandt werden. 
		Siehe
    BVerfG, Beschluss vom 21.05.1974 - 1 BvL 22/71, 21/72, 
		Rn 134.
  (5) 
		siehe Kasten  links und Mitte
  (6) 
		Eine besondere Tiefe hat der Aufsatz von    Manfred Löwisch, Zu den Folgen der 
		Nichtigkeitsfeststellung eines
		Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht,
		insbesondere für private Rechtsverhältnisse, Juristenzeitung 1961, 
		S. 731 - 735.
  (7) 
		siehe Kasten  oben
		rechts
  (8) 
		siehe Kasten  oben Mitte
  (9)    BGH, Beschluss vom 08.10.2008 - StB 12-15/08, Rn 7.
  (10) 
		Schluss aus    BGH, Urteil vom 27.11.2008 - 3 StR 342/08, Rn 13, wonach 
		das zum Zeitpunkt der Eingriffsmaßnahme geltende Recht zugrunde gelegt 
		werden muss.
 
		 (11)    BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 BvR 256/08 
		 (12)  Verwertung von Vorratsdaten nur wegen schwerer Kriminalität 
 |  
  (13)  und noch 
		'ne Sondererhebung  (14)  (1)
  (15)    BVerfG, Beschluss vom 19.10.1999 - 1 BvR 1996/97
  (16) 
		Definition:    BVerfG, Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/97, 1084/99, 
		Rn 238, 241, 335; siehe auch  Klarstellung vom Bundesverfassungsgericht. 
  (17)  (1), Rn 228, 229.
  (18)    BVerfG, Beschluss vom 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08, 
		Rn 8 ff.
  (19)  (18), Rn 7.
  (20)    BGH, Urteil vom 27.11.2008 - 3 StR 342/08, Rn 11, 
		13; siehe auch  zulässige Verwertung verdeckter Zufallserkenntnisse.
  (21)    BVerfG, Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1084/99, 
		S. 64.
  (22)  (21)
  (23)  Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts
  (24)  Online-Zugriff an der Quelle
  (25)  Leutheusser-Schnarrenberger unter Druck, tagesschau.de 03.03.2010
  (26)    Vorratsdatenspeicherung: CDU-Politiker drängen auf schnelle 
		Nachfolgeregelung, Heise online 06.03.2010
  (26a) 
		Graßhof in Maunz, Schmidt-Bleibtreu, Klein, Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz,
 31. Ergänzungslieferung 2009
  (27)    BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 vR 1905/02, 
		Rn 31.
 
		 (28)
		ebenda  (27), Rn 32 
		 (29)    BVerfG, Beschluss vom 08.03.2006 - 2 BvR 486/05, Rn 
		93. 
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		11.03.2018 |