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StPO-Reform 2007, Teil 4
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Zweckbindung

 
allgemeine Änderungen (1)
   Ermittlungsgericht - Konzentration

allgemeine Änderungen (2)
   polizeiliche Beobachtung
   Zweckbindung von Akteninhalten

 Sichtung externer Speichermedien
   Onlinedurchsuchung light.
   Eine unscheinbare Gesetzesänderung
   bewirkt eine erhebliche Erleichterung
   der Strafverfolgungspraxis.

Zweckbindung
    Verwertung verdeckter Ermittlungsergebnisse
  


Verwertung gesonderter Erkenntnisse
Importbeschränkung
Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts

Fazit
 


Der vierte Teil der Auseinandersetzung mit der StPO-Reform 2007 betrifft die Frage der Verwertung verdeckt erlangter Erkenntnisse in den Fällen, in denen sich der anfängliche Verdacht einer Katalogtat nicht bestätigt, und in gesonderten Verfahren.
 

zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift nach oben Verwertung gesonderter Erkenntnisse


 
Die Neufassung des § 477 Abs. 2 StPO betrifft sozusagen den Export verdeckt erlangter Kenntnisse und der neue § 161 Abs. 2 StPO den Import. Auch wenn seine Wortwahl zunächst den Eindruck vermittelt, er würde auch ein Verwertungsverbot zulässig erlangter Erkenntnisse nach einer Änderung der rechtlichen Beurteilung in der selben Sache einführen, sind jedoch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nur die verdeckt erhobenen Erkenntnisse aus anderen Gesetzeswerken gemeint.

Verwirrend ist das Wort "Gesetz", das gelegentlich in dem Sinne verwendet wird, dass ein anderer Tatbestand in demselben Gesetz gemeint ist.

Die Begründung des Gesetzesentwurf stellt aber unmissverständlich klar ( siehe unten), dass vor Allem Gesetze der Gefahrenabwehr gemeint sind, die ihrerseits die Erhebung verdeckter Erkenntnisse zulassen, die dann im Strafverfahren nur verwertet werden dürfen, wenn sie dort auch verdeckt hätten erhoben werden dürfen.
 

 
Der neu eingefügte Absatz 2 Satz 1 regelt die Verwendung von Daten, die durch andere - nicht strafprozessuale - hoheitliche Maßnahmen erlangt wurden. Gedanklicher Anknüpfungspunkt der Vorschrift ist die Idee des so genannten hypothetischen Ersatzeingriffs. (E 64)

Die Begründung zum Gesetzentwurf stellt ferner klar, dass auch die gesondert erhobenen Erkenntnisse zum Anlass für alternative Beweiserhebungen genommen werden dürfen. Es besteht also nur ein Verwertungsverbot wegen der verdeckt gewonnenen Erkenntnis, also nicht etwa ein absolutes Verwertungsverbot nach Maßgabe der "Frucht vom verboteten Baum", das im US-amerikanischen Strafverfahrensrecht dazu führt, dass auch die alternative Beweisführung ausgeschlossen ist.

Schließlich dürfen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch die verdeckt gewonnenen, gesonderten Erkenntnisse zur Aufenthaltsermittlung und zur Ergreifung von Beschuldigten verwendet werden ( siehe unten).
 

zurück zum Verweis nach oben Importbeschränkung
 

 
§ 161 Abs. 2 StPO

1 Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. 2 § 100d Abs. 5 Nr. 3 bleibt unberührt.


 

 
Sofern die Erhebung von Daten durch strafprozessuale Maßnahmen nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist und personenbezogene Daten, die durch entsprechende Maßnahmen nach anderen Gesetzen erlangt wurden, in Strafverfahren verwendet werden sollen, ist diese Verwendung zu Beweiszwecken nur zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat dient, aufgrund derer eine solche Maßnahme nach der Strafprozessordnung angeordnet werden durfte. Die Vorschrift generalisiert im Sinne einer Gleichbehandlung aller vom Verdacht bestimmter Straftaten abhängiger Ermittlungsmaßnahmen, ... um dem datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Wird die Zulässigkeit einer Ermittlungshandlung durch eine gesetzgeberische Wertung vom Vorliegen des Verdachts bestimmter Straftaten abhängig gemacht, so erlauben solche Befugnisse regelmäßig schwerwiegende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen, insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die der Erlangung der Daten zugrunde liegende gesetzgeberische Wertung muss auch für die weitere, Beweiszwecken dienende Verwendung der Daten, durch die der ursprüngliche Eingriff noch vertieft werden kann, gelten (...). Werden Daten aus vergleichbaren Maßnahmen nach anderen Gesetzen (etwa den Polizeigesetzen oder den Gesetzen über die Nachrichtendienste) in das Strafverfahren eingeführt, so gilt das auch für deren Verwendung, um einer Umgehung der engen strafprozessualen Anordnungsvoraussetzungen vorzubeugen. (E 64)
 

 
Soweit die Verwendung der Daten im Strafverfahren nicht zu Beweiszwecken, sondern etwa als weiterer Ermittlungsansatz (Spurenansatz) oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten erfolgen soll, greifen diese Beschränkungen allerdings nicht. Rechtmäßig gewonnene Zufallserkenntnisse, die nicht Katalogtaten betreffen, dürfen nach der gefestigten und vom Bundesverfassungsgericht gebilligten fachgerichtlichen Rechtsprechung zwar nicht zu Beweiszwecken ... verwertet werden; sie können aber Anlass zu weiteren Ermittlungen zur Gewinnung neuer Beweismittel sein (...). Diese Rechtsprechung berücksichtigt einerseits den Schutz etwa des Grundrechts aus Artikel 10 Abs. 1 GG, indem weitergehende Ermittlungen nur in den Fallen fur zulässig gehalten werden, in denen die Maßnahme nach § 100a StPO rechtmäßig war; andererseits wird auch das Interesse an einer wirksamen Strafrechtspflege hierdurch berücksichtigt. ... (E 64)
 

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Es geschieht häufiger, dass sich der Anfangsverdacht in einem Ermittlungsverfahren noch auf eine Katalogtat für verdeckte Ermittlungen richtet, sich im Zuge der weiteren Ermittlungen jedoch herausstellt, dass nur noch ein weniger schwer wiegender Vorwurf aufrecht erhalten werden kann.

Die neuen Regelungen in der StPO führen in solchen Fällen nicht zu einem Verwertungsverbot. Die Begründung zum Gesetzentwurf hebt vielmehr ausdrücklich hervor, dass in diesen Fällen die ursprünglich rechtmäßig erworbenen Erkenntnisse weiterhin verwertbar bleiben (siehe rechts).
 

 
Die Verwendung von Erkenntnissen aus entsprechenden Maßnahmen im selben (Ausgangs-) Strafverfahren unterliegt hingegen nicht den – die Verwertung beschränkenden – Regelungen des § 477 Abs. 2 StPO ... Insbesondere steht einer Verwertung entsprechender Erkenntnisse im Ausgangsverfahren nicht entgegen, dass sich der Verdacht einer Katalogstraftat nicht bestätigt hat. In rechtmäßiger Weise erlangte Erkenntnisse sind im Ausgangsverfahren – sowohl als Spurenansatz als auch zu Beweiszwecken – sowohl hinsichtlich anderer Begehungsformen der zunächst angenommenen Katalogtat als auch hinsichtlich sonstiger Straftatbestände und anderer Tatbeteiligten insoweit verwertbar, als es sich noch um dieselbe Tat im prozessualen Sinn handelt (...). (E 66)
 

zurück zum Verweis nach oben Fazit
 

 
Auch wenn - besonders die Wortwahl des neuen § 161 Abs. 2 StPO - der Eindruck entsteht, die Novelle der StPO würde völlig neue Beweisvertungsverbote unter der Voraussetzung der Änderung der rechtlichen Beurteilung einführen, spricht die gesetzgeberische Begründung deutliche Worte und schließt ein Verwertungsverbot nach dem Vorbild des US-amerikanischen Strafverfahrensrechts aus (Frucht vom verbotenen Baum).
 

 
Im deutschen Strafverfahrensrecht gilt deshalb auch künftig ein von Rechtsprechung vorgezeichnetes Verwertungsverbot, das dem Beweiserhebungsverbot folgt. Bei der Änderung der Tatqualifikation wegen derselben prozessualen Tat tritt nachträglich kein Verwertungsverbot ein.
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018