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Kleiner Lauschangriff
Onlinedurchsuchung light
TKÜ
Schutz des Berufsgeheimnisses
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Während beim Ersten Senat des BVerfG die Vorratsdatenhaltung (
§§ 100g StPO,
113a,
113b TKG) auf dem Prüfstand steht
(1),
befasst sich der Zweite Senat mit den Verfassungsbeschwerden gegen die
Neufassung der StPO seit dem 01.01.2008 in verschiedenen Punkten und hat
jetzt den Erlass einer Einstweiligen Anordnung gegen den Gesetzesvollzug
abgelehnt
(2).
Die Entscheidung setzt sich sehr tief gehend mit dem Fachrecht
auseinander und zeigt in diesem Zusammenhang Kompetenz und Verständnis.
Gleichzeitig zeigt es die Prüfungsmaßstäbe für die Entscheidung in der
Hauptsache auf und legt sie offen. Zu erwarten ist danach eine
umfassende Auseinandersetzung mit den Mitteilungs- und
Belehrungspflichten in
§
101 StPO im Zusammenhang mit heimlichen Ermittlungen.
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Es lohnt sich ein Blick auf die Einzelheiten.
Der Begriff "heimliche Ermittlungen", den das BVerfG verwendet, ist
im Internet wenig verbreitet
(2)
und wurde in der Rechtsprechung m.W. bislang nicht gebraucht. Ich habe
ihn bislang zur Abgrenzung zu den im Gesetz geregelten verdeckten
Ermittlungen (
§ 101 StPO) vor Allem für die Fälle der Vertraulichkeit,
Geheimhaltung und den Scheingeschäften sowie im Zusammenhang mit der
Onlinedurchsuchung verwendet (
geheime Ermittlungen).
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Kleiner Lauschangriff, Onlinedurchsuchung light |
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Da der
Inhaber des räumlich getrennten Speichermediums nicht notwendigerweise
die von der Durchsuchung betroffene Person ist, sondern ein Dritter sein
kann, könnte sich die Durchsuchung diesem gegenüber als heimliche
Maßnahme darstellen. Dem trägt der Verweis in
§ 110 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO n.F. auf
§ 98
Abs. 2 StPO Rechnung. Nach
§ 98
Abs. 2 Satz 1 StPO soll innerhalb von drei Tagen die gerichtliche
Bestätigung hinsichtlich der Sicherung der vom externen Speichermedium
gesicherten Daten beantragt werden. Das für die Bestätigung zuständige
Gericht hat gemäß
§ 33
Abs. 2 und Abs. 3 StPO vor der Bestätigung dem Betroffenen rechtliches
Gehör zu gewähren. Nach
§ 98
Abs. 2 Satz 6 StPO ist der Betroffene über seine Rechte zu belehren.
Dadurch wird sichergestellt, dass der Inhaber des externen
Speichermediums von der Maßnahme zeitnah Kenntnis erhält und seine
rechtlichen Interessen wahrnehmen kann. (Rn. 121)
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Soweit sich die Antragsteller gegen den Kleinen Lauschangriff (
§ 100f StPO) und die
Onlinedurchsuchung light wenden (
§ 110 Abs. 3 StPO), weil es die Verfassungsbeschwerden als
unzulässig ansieht (Rn. 90), allerdings aus verschiedenen Gründen.
Wegen des Kleinen Lauschangriffs handelt es sich um eine nur
redaktionelle Neufassung, die die alte Fassung abgelöst hat, ohne
wesentliche Änderungen einzuführen. Die Neufassung ist strenger in Bezug
auf die Anwendungsvoraussetzungen, der Durchführung und der
Mitteilungspflichten geworden (Rn. 112 ff.). Deshalb greife die
Ausschlussfrist des
§ 93
Abs. 3 BVerfGG von einem Jahr, die jedoch auf die alte Fassung
anzuwenden sei (Rn. 92, 93).
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Im Hinblick auf die
Onlinedurchsuchung light, also wegen der Erweiterung der offenen
Durchsuchung auch auf räumlich entfernte Datenträger, seien die
Antragsteller
nicht
unmittelbar betroffen und damit - jedenfalls derzeit - nicht
beschwerdebefugt (Rn. 116).
Wegen der erweiterten, aber offenen Durchsuchungsbefugnisse wird dem
Durchsuchungsbetroffenen der fachgerichtliche Rechtsschutz gewährt, so
dass Verweis auf
§ 98
StPO (gerichtliche Bestätigung). Das gelte auch für den Dritten,
wenn er der Inhaber des räumlich getrennten Speichermediums sei (siehe
links außen, Rn. 121).
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Überwachung der Telekommunikation |
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Die
Datenerhebung durch Überwachung der Telekommunikation nach
§ 100a StPO erfolgt heimlich. Der Betroffene erfährt weder
vor noch während der Durchführung von der Maßnahme, so dass während oder
zeitnah nach der Überwachung kein fachgerichtlicher Rechtsschutz in
Anspruch genommen werden kann. Der Umstand, dass
§ 101 Abs. 4 StPO eine Benachrichtigung der Betroffenen
vorsieht, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht
entgegen. Eine zeitnahe Kenntnis von der Maßnahme und eine daran
anknüpfende Möglichkeit zur Überprüfung im gerichtlichen Verfahren sind
dadurch nicht gewährleistet, weil
§ 101 Abs. 4 und Abs. 5 StPO umfangreiche
Ausnahmetatbestände enthält ... (Rn. 130)
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Die Verfassungsbeschwerden wegen der Überwachung der Telekommunikation
und dem damit verbundenen fachgerichtlichen Rechtsschutz (
§§ 100a,
101
StPO)
sind
weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet (Rn.
127) und
bedürfen
einer umfassenden Prüfung im Hauptsacheverfahren (Rn. 138). |
Ausschlag gebend dafür ist:
Die
Maßnahme kann nicht nur den möglichen Straftäter selbst oder dessen
Kontakt- und Begleitpersonen erfassen, sondern auch Personen, die mit
den Adressaten der Maßnahme über Telekommunikationseinrichtungen
lediglich in Verbindung stehen, ohne in die verfolgten Straftaten
verwickelt zu sein. (Rn. 132) |
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Schutz des Berufsgeheimnisses |
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§
160a StPO n.F. findet auch auf heimliche
Ermittlungsmaßnahmen Anwendung, von denen die Betroffenen gegebenenfalls
erst nach Ablauf geraumer Zeit unterrichtet werden (s.o.) - also etwa
auf die Überwachung der Telekommunikation nach
§
100a StPO n.F., das Abhören des nichtöffentlich
gesprochenen Worts außerhalb von Wohnungen nach
§
100f StPO n.F., die Erhebung von Verkehrsdaten nach
§
100g StPO n.F., den Einsatz weiterer technischer Mittel
nach
§
100h StPO n.F. oder die längerfristige Observation nach
§
163f StPO. (Rn. 136)
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§
160a StPO
enthält ein
abgestuftes System von Beweiserhebungs- und -verwertungsverboten bei
Berufsgeheimnisträgern, das für sämtliche Ermittlungsmaßnahmen - offene
und heimliche - gilt (mit Ausnahme der Maßnahmen nach
§ 97
und
§
100c StPO und soweit auf die
§§
97 und
100c
StPO verwiesen wird, vgl.
§
160a Abs. 5 StPO n.F.). (Rn. 134)
In Bezug auf die heimlichen Ermittlungen könnten die Antragsteller
jedenfalls als Mitbeteiligte betroffen werden, so dass auch diese Norm
einer umfassenden Prüfung im Hauptsacheverfahren bedarf.
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Ein so überwiegendes Interesse der Antragsteller gegenüber dem
gewichtige(n) rechtsstaatliche(n) Interesse an einer wirksamen
Strafverfolgung, insbesondere von schweren Straftaten (Rn. 148),
erkennt das BVerfG hingegen nicht, so dass es von einer einstweiligen
Anordnung abgesehen hat.
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Anmerkungen |
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(1)
auch
Einschränkungen für die Gefahrenabwehr
(2)
BVerfG, Beschluss vom 15.10.2008 - 2 BvR 236/08 -
- 2 BvR 237/08 (im Text zitiert nach Randnummern);
Bundesverfassungsgericht weist Eilantrag gegen Reform der
Telefonüberwachung ab, Heise online 07.11.2008
(3)
Google: 84 Treffer am 08.11.2008
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |