Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu
beschränken, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler
unterlaufen sind oder bei verschiedenen be- und entlastenden Indizien
der Tatrichter diese zwar jeweils im Einzelnen gewürdigt, jedoch keine
ausreichende Gesamtwürdigung vorgenommen hat; denn möglicherweise
können mehrere Indiztatsachen in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die
entsprechende Überzeugung vermitteln, selbst wenn diese jeweils für sich
allein zum Nachweis der Täterschaft eines Angeklagten nicht ausreichen
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Im
Revisionsverfahren werden Urteile darauf untersucht, ob sie Rechtsfehler
aufweisen, die so durchgreifend sind, dass der Strafausspruch auf dem
Fehler beruht (
§ 337 Abs. 1 StPO).
Dem Revisionsgericht ist eine eigene Beweiswürdigung verschlossen. Es
muss aber die Beweiswürdigung nachvollziehen und auf ihre Schlüssigkeit
prüfen
(1).
Der BGH hat jetzt noch einmal darauf hingewiesen, dass verschiedene
Anhaltspunkte, die für sich genommen einen geringen Aussagewert haben,
im Zusammenspiel miteinander eine stärkere Geltung
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erlangen können
(3).
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Andererseits wendet er sich dagegen, dass die Tatgerichte jede noch
so weit hergeholte Behauptung des Angeklagten akzeptieren oder sogar im
vorauseilenden Gehorsam zugrunde legen
(4).
In einem jungen Beispiel wendet er sich gegen "ungewöhnliche
Feststellungen", die mit der Lebenserfahrung nicht mehr in Einklang zu
bringen sind
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[Kasten
unten links]. Es leuchtet dem Gericht nicht recht ein, wie ein
Brandstifter innerlich von seinem Tatvorsatz abrücken kann und sich dann
plötzlich ganz ohne sein Zutun das von ihm in der Hand gehaltene
Streichholz von
selbst entzündet und damit auch den vom ihm ausgelegten
Brandbeschleuniger. Ups! |
Der Senat sieht sich mit Rücksicht auf die
ungewöhnlichen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende
Beweiswürdigung der Strafkammer veranlasst, darauf hinzuweisen, dass das
Tatgericht eine Einlassung des Angeklagten auch dann nicht ohne Weiteres
seiner Überzeugungsbildung
unterstellen muss, wenn es an weiteren Beweismitteln fehlt. Die
Einlassung ist auf ihre Plausibilität zu überprüfen und in die
Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen. Vor
diesem Hintergrund liegt das vom Angeklagten hier geschilderte Geschehen
zur Entzündung des Gemisches nicht nur weit außerhalb jeder
Lebenswahrscheinlichkeit. Gerade auch die mitgeteilte Art und Weise, wie
der Angeklagte das entflammte Zündholz gelöscht haben will, erscheint im
Hinblick auf die motorische Leistung und die damit einhergehende
Umständlichkeit – trotz festgestellter Brandwunden an den Fingern des
Angeklagten – kaum nachvollziehbar.
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Und
schließlich kann der BGH auch richtig böse werden [Kasten
rechts]. Eine solche Ohrfeige, wie die für das Landgericht Aachen, habe
ich noch nicht erlebt
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Wie vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt,
hätte der Angeklagte im Fall 4 der Urteilsgründe wegen versuchter
Nötigung und im Fall 10 der Urteilsgründe wegen gefährlicher
Körperverletzung verurteilt werden müssen. Die verhängten Strafen
sind
unvertretbar milde, die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß
§ 56 Abs. 2
StGB ist nicht nachvollziehbar und widerspricht dem Gebot der
Verteidigung der Rechtsordnung. All dies beschwert den Angeklagten
jedoch nicht.
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