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März 2011
10.03.2011 Verwertungsverbot
     
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Telekommunikationsdaten, die vor dem 2. März 2010 auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 (... (1) ) rechtmäßig erhoben und an die ersuchenden Behörden übermittelt wurden, bleiben auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 zu §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO (...) in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken verwertbar. (3)
 

Eine - einfachrechtliche - nachträgliche Bemakelung rechtmäßig erhobener Daten kennt die Strafprozessordnung nicht (...). Ein Verwertungsverbot kann daher nur verfassungsrechtlicher Natur sein. <Rn 22>
Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass ein Beweiserhebungsverbot in jedem Fall ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht. Vielmehr wäre bei der nach gefestigter Rechtsprechung in einem solchen Fall gebotenen Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen und dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Strafrechtspflege und effektiven Strafverfolgung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2010 - 2 BvR 2101/09 – Rn. 43 ff. ...; BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 ...; BVerfG, Beschluss vom 27. April 2000 - 2 BvR 1990/96 ...; BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 ...) auch in den Blick zu nehmen, dass jedes Beweisverbot die Beweismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden zur Erhärtung oder Widerlegung des Verdachts strafbarer Handlungen einschränkt und so die Findung einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung beeinträchtigt; ein Beweisverwertungsverbot stellt von Verfassungs wegen mithin eine begründungsbedürftige Ausnahme dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 2 BvR 2438/08 ...; BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2009 - 2 BvR 2225/08 ...). <Rn 25>
 

11-03-10 
Nach dem 4. Strafsenat (2) hat sich auch der 1. Strafsenat des BGH zur Verwertung von Vorratsdaten geäußert, die noch vor dem 02.03.2010 nach Maßgabe der vorläufigen Regelungen des BVerfG erhoben worden sind (3). Auch er ist der Auffassung, dass sie weiterhin verwertbar sind und nimmt ausführlich zu den Rechtsfragen Stellung.

Noch wichtiger erscheinen mir die klaren Worte zum Beweisverwertungsverbot. Es kann nur eine begründungsbedürftige Ausnahme und muss verfassungsrechtlicher Natur sein. Insoweit hebt der BGH das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Strafrechtspflege und effektiven Strafverfolgung besonders hervor (4). Schlichte Rechtsanwendungsfehler reichen nicht.

Das ist eine deutliche Absage an die amerikanische Rechtsdoktrin von der "Frucht vom verbotenem Baum". Sie verlangt ein zwangsläufiges Verwertungsverbot, wenn die Beweiserhebung verfahrensrechtlich fehlerhaft war. Der gute Grund für die Absage ist die Hoffnung auf eine weitgehende materielle Gerechtigkeit.

Die materielle Gerechtigkeit ist ein hohes und im Ergebnis unerreichbares Ziel. Dessen ungeachtet ist es ein wichtiges Ziel, dem sich der BGH nicht durch förmelnde Zufälle verschließen will.

Das klingt vielleicht etwas unmodern und vergangen und ist dennoch wichtig und gut.

11-03-11 
Ein sehr spezielles Problem spricht der BGH in einem ganz anderen Beschluss an (5): Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe hatte jeweils zu entfallen, da hier materiellrechtlich der Erwerb der Waffe mit dem Führen der Waffe nicht in Tateinheit steht (...).

Waffenrecht ist eine schwierige Materie (6). Seine zentralen Strafvorschriften ( §§ 51 und 52 WaffG) werden von zwei Anlagen begleitet, deren Aussagen sich nicht immer auf dem ersten Blick erschließen.

Im Zusammenhang mit der jüngsten Entscheidung bleibt die Frage, ob der notwendige "Besitz" zwischen dem Erwerb und dem Führen eine Klammerwirkung entfaltet (7). Aber das ist eine andere Geschichte.
 

sanfte Kritik
11-03-12 
... am erkennenden Gericht formuliert der BGH so (8): Die rechtsirrigen Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung nötigen daher nicht zur Aufhebung der Verurteilung in diesem Fall. Da der Tenor des angefochtenen Urteils missverständlich formuliert ist, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend geändert.
 
Gefangenenbefreiung

11-03-13 
Brisanz für die Vollzugspraxis hat eine Art Nachbemerkung des BVerfG (9): Damit hat der Bundesgerichtshof nicht nur - in der Sache überzeugend - die Pflicht des Staates formuliert, im Falle menschenunwürdiger Haftbedingungen sofort auf die Durchsetzung des Strafanspruchs zu verzichten, sondern - weil dieser Pflicht das Recht des betroffenen Gefangenen korrespondieren dürfte, bei der Vollstreckungsbehörde die Unterbrechung beziehungsweise die Aufschiebung der Strafe zu beantragen (vgl. § 455 StPO) - auf diese Weise auch einen neuen Weg der Rechtsverteidigung offen gelegt.

Genau gesehen hat sich das BVerfG nur einer zivilrechtlichen Entscheidung des BGH angeschlossen (10). Der Verweis auf § 455 StPO ist jedoch etwas gewagt, weil er Umstände in der Person des Gefangenen und nicht aus seiner Umgebung anspricht. Seine übertragene Anwendung beißt sich etwas mit der Regel, dass die Auslegung ihre Grenzen beim Wortlaut des Gesetzes finden. Aber wenn das BVerfG das sagt, dann kuscht der Kandidat.
 

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(1) Einzelheiten: Vorratsdatenspeicherung ist unzulässig, 02.03.2010;
Umgang mit Verkehrsdaten, 07.03.2010.

(2) zulässig erhobene Vorratsdaten bleiben verwertbar, 12.01.2011;
Verwertung von Vorratsdaten nur wegen schwerer Kriminalität, 19.03.2008.

(3) BGH, Beschluss vom 18.01.2011 – 1 StR 663/10

(4) Siehe auch: Rechtsstaatsgewährung, 06.03.2011

 

 
(5) BGH, Beschluss vom 16.02.2011 - 2 StR 438/10

(6) selbstverständlich, 21.05.2009

(7) Klammerwirkung bei Dauerdelikten, 23.12.2010

(8) BGH, Urteil vom 10.02.2011 - 4 StR 566/10, Rn 5

(9) BVerfG, Beschluss vom 22.02.2011 - 1 BvR 409/09, Rn 49

(10) BGH, Urteil vom 11.03.2010 - III ZR 124/09
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018