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Netzneutralität und Breitbandtechnik  
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  Wer verursacht den Drang nach immer leistungsfähigeren Netzen?
 

Netzkonvergenz
Das Lifestyle-Internet fordert Bandbreite
Forderung nach Übertragungsgebühren
fehlendes Lastbewusstsein
Fazit

Infokasten
Anmerkungen
 

 
08.12.2007: Der Kampf um Netzneutralität ist ein Verteilungskampf zwischen Content-Anbietern, Access-Provider, Backbone-Providern und auch Telekommunikationsfirmen. Da die Besitzer der Breitband-Netze hohe Investitionskosten zu finanzieren haben, gleichzeitig aber nur geringe Margen herausschlagen können, sehen sie sich nach neuen Einnahmequellen um, schreibt Torsten Kleinz in der (1).


Nur der Verband Breitbandkommunikation - Breko, in dem sich die Konkurrenten der Telekom organisiert haben, äußert sich manchmal über Zahlen. Er meldete im Mai 2007 (5), dass seine Mitglieder über 3,9 Millionen DSL-Anschlüsse verfügen (6). Für Investitionen hätten seine Mitglieder 2006 insgesamt 804 Mio. Euro ausgegeben und sie würden für 2007 915 Mio. Euro einplanen.

 

Backbone der DTAG
Handskizze nach DTAG-IPnet, Großansicht

 
Die Fortschritte in der Datenübertragungstechnik sind nicht zu leugnen. Die analoge Technik wurde seit Mitte der neunziger Jahre rasant von den digitalen ISDN- und DSL-Varianten abgelöst   (Tabelle) und die DSL-Versorgung ist jedenfalls in den westdeutschen Ballungsgebieten flächendeckend (Karte). Dennoch versprechen die Prognosen weitere Steigerungsraten im Zusammenhang mit der Breitbandtechnik (2) (Zitate aus der Breitbandstudie 2006).

Die Kosten für die Privatanwender sinken (3) und die Investitionskosten für neue Kabel- und Übertragungstechniken sind beachtlich. Im Geschäftsbericht 2005 berichtet die Deutsche Telekom AG - DTAG - davon, über ein Netz aus Kupferkabeln mit einer Länge von knapp 1,5 Millionen Kilometern zu verfügen. Hinzu komme das Glasfasernetz mit einer Länge von 206.000 km (4). Diese Größen zeigen ansatzweise die Dimensionen, in denen sich Erhaltungs- und Innovationsaufwände bewegen werden. Für alle Netzbetreiber gilt, dass sie umfassend über die Entwicklungsprognosen berichteten, nicht aber über die Investitionskosten im einzelnen.
 

 
Sicherlich ist es praktisch, ein PDF-Dokument per DSL binnen Sekunden statt mit einem MoDem binnen Stunden zu laden. Die Telekom baut seit 2006 ihr Netz auf die VDSL-Technik um und fordert dafür einen Investionsschutz gegenüber ihren Konkurrenten (gegen den diese und die EU Sturm laufen (7)).

Die Frage ist, wozu braucht man noch größere Übertragungsraten, wo doch die DSL-Technik eigentlich die Privathaushalte und die KMU (kleine und mittlere Unternehmen) mehr als ausreichend und fast fürstlich versorgt?


Abbildung links:
Backbone der
Deutschen Telekom AG - DTAG,
DTAG-IPnet.
Großansicht
 

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Das Lifestyle-Internet fordert die Bandbreite

 

 
Geschäftskorrespondenz, selbst im aufgeblähten PDF-Format, produziert selten Dateien, die größer als ein Megabyte sind. Selbst die unten angegebenen Deutschland Online Studien (2) mit ihrem aufwändigen Layout bewegen sich bei einer Größe von mehreren Megabytes, die vom DSL der ersten Generation selbst unter ungünstigen Bedingungen innerhalb einer halben Minute übertragen werden (8).

Reine Textnachrichten wie E-Mails oder Webseiten bleiben im Sekundenbereich selbst dann, wenn sie - nach etwas Überlegung - optimierte Grafiken enthalten. Ihre Größen bewegen sich zwischen einem und gut hundert Kilobyte.

Nach einer beschränkt aussagekräftigen Studie sollen hingegen die Tauschbörsen inzwischen 69 Prozent des Datenvolumens produzieren, das durch das Internet gepumpt wird (9). Das legt die Vermutung nahe, dass es die übermittelten Bilder, Videos, Musikstücke und Programmpakete sind, die den Bandbreitenhunger auslösen, der besonders im Privatbereich anfällt.

Das Datenvolumen einer handelsüblichen CD kann - jeweils unter optimalen Bedingungen - per ISDN binnen 25 Stunden  und per VDSL2 binnen einer halben Minute übertragen werden. Eine DVD braucht länger; knapp 4 Tage per ISDN und 1:45 Minuten per VDSL2.
 

 
Technisch hochwertige Musikdateien benötigen durchschnittlich etwas mehr als 1 Megabyte Speicherplatz pro Minute. Mit ausgeklügelten Kompressionsverfahren, die an die Hörfähigkeit des Menschen angepasst sind, lässt sich der Platzbedarf auf ein Drittel oder ein Viertel verringern. Dasselbe gilt für Videos (10).

Die "Spielereien" sind es, die den Bandbreitenhunger auslösen: Töne, Bilder und ihre laufenden Varianten.

Hinzu kommen die großen Softwarepakete, die legal (z.B. als Updates und der zunehmenden Softwareverteilung) oder illegal verteilt werden, und die innovativen Dienste, die neue Märkte versprechen: Telefonie ( Voice over IP), Videokonferenzen, Internetfernsehen und -radio. Als weitere Hungerleider könnten sich virtuelle Spiele ( Kasinos) und Welten ( Second Life) erweisen, wenn sie die grafische Qualität erstreben, die moderne Online- ( Baller-) Spiele bereits haben.

Mit bösen Worten: Es ist das Lifestyle-Internet des beginnenden "Web 2.0", das nach Bandbreiten fordert und hemmungslos in Anspruch nimmt.

  

 

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Forderung nach Übertragungsgebühren

fehlendes Lastbewusstsein

 

 
Die Betreiber der Infrastrukturtechnik verlangen deshalb immer heftiger danach, den Datenverkehr zu priorisieren, und versuchen deshalb verstärkt, die Verursacher der Datenmengen in die Pflicht zu nehmen. Sie sollen für eine bevorzugte Bedienung extra bezahlen (11).

Dagegen richtet sich der engagierte und entrüstete Widerstand, der sich gegen eine Ungleichbehandlung der Daten wendet. Seine Grundeinstellung ist mir äußerst sympathisch: Freiheit für den Datenverkehr!

Großveranstalter wie Google, eBay oder Heise werden mit Sicherheit - knurrend und lamentierend - in die Tasche greifen, um ihre Erreichbarkeit bei den Netz- und Verbindungsnetzbetreibern sicher zu stellen.

Der Effekt ist nicht neu und jeder Website-Betreiber kennt ihn. Auch der Cyberfahnder hat bei seinem Hostprovider eine Freigrenze für den Download, den seine Besucher verursachen. Wird sie überschritten, muss ich mehr Geld zahlen.

Wenn jede E-Mail 0,1 Cent kosten würde, kratzt das mich und die Internetgemeinde überhaupt nicht. Phishing, Spamming und das Ausspähen von E-Mail-Adressen kosten dann aber richtig Geld und lohnen sich wahrscheinlich nicht mehr - unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Betreiber der dazu korrumpierten Technik werden allein wegen der Kosten, die die Schmarotzer verursachen, die Penetration und Nutzung verhindern - weil es sich wirtschaftlich lohnt. Das würde auch die Privatleute wegen ihrer Zombies betreffen und wachrütteln. Dadurch könnte ein neuer Markt für Sicherheitstechnik und Schulungen entstehen.
 

 
Von Programmierern erwarte ich handwerkliches Geschick und Nachdenken darüber, welche Lasten ihre Programme bei der Hardware (Prozessor, Arbeits- und Cache-Speicher, Festplattenspeicher) und bei der Netzlast erzeugen, und eine entsprechende Optimierung. Diese Erwartungen werden nicht immer von den Betreffenden geteilt.

Auch von Privatleuten verlange ich ein Mindestmaß an Mitdenken. Nein, man verteilt keine unerklärten Anhänge per E-Mail und schon gar nicht mit den Worten "Bitte Anlage öffnen!". Große Bilddateien quetscht man nicht in Webseiten auf ein Briefmarkenformat zusammen. Auch wenn man das im Ergebnis nicht sieht: Die Datei mit mehreren Megabyte Größe muss übertragen werden!

Der Bandbreitenhunger ist ein allgemeines und ein Massenproblem, das offenbar die meisten Internetkonsumenten und Diensteanbieter zu der Annahme führt, im Zeitalter schneller Verbindungen und Flatrates müsse man sich über Netzlasten und technische Ansprüche keine Gedanken mehr machen ( Botnetze: Wirkung wie DDoS).

Diese Entwicklung kann nicht auf Dauer beibehalten werden, zumal sie unsinnig und auch nicht nötig ist. Durchdachte Informationstechnik ist im Hinblick auf ihre Funktionstüchtigkeit und Sicherheit optimiert. Die "Spielereien" darüber hinaus dürfen auch bitte gerne zu den Kosten führen, die sie verursachen.
 

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Fazit

 
Die Forderung nach der Einschränkung der Netzneutralität ist gefährlich, weil sie vom Ansatz her eine gewisse Berechtigung hat. Im Ergebnis kann sie fatale Folgen haben, wenn sich die marktmächtigsten Unternehmen die besten Konditionen sichern, und die verbleibende Masse mit den Kosten hadert. Zu fordern ist deshalb ein vernünftiger Interessenausgleich, an dessen Beginn eine eingehende Bestandsaufnahme stehen muss. Solange das nicht geleistet ist gilt: Freiheit den Daten!
 
 
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Infokasten

 

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DSL-Versorgung in Deutschland
Original-Grafik bei zukunft-breitband.de

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Aus der Studie Deutschland Online 4, S. 32 (2) :

Die Zahl der Breitbandzugänge soll demnach von 10,7 Mio. im Jahr 2005 auf 21 Mio. im Jahr 2010 anwachsen. Dies entspricht nahezu einer Verdoppelung der Anschlüsse. Auf Basis des Jahres 2010 soll dann noch einmal eine Steigerung um mehr als 30 % der Breitbandzugänge auf über 27 Mio. im Jahr 2015 erfolgen ... Damit wären nahezu 70 % aller deutschen Haushalte ans Breitband-Internet angeschlossen. ...

Verfügten im Jahr 2005 76 % der Breitbandnutzer über 1 MBit/s schnelle Internetanschlüsse, so wird sich ihr Anteil im Jahr 2010 auf nur noch 34% reduzieren. Hingegen sollen im Jahre 2010 schon über 40 % der Anschlüsse eine Bandbreite von 6 bis weit über 50 MBit/s aufweisen. Der Trend ist damit eindeutig: Der deutliche Rückgang von Internetanschlüssen mit geringerer Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig spürbarer Zunahme von Anschlüssen mit sehr hoher Bandbreite.
 

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Übertragungstechniken
MoDem max. 40 kbit/s 1966
ISDN 64 kbit/s 1987
Kabelbündelung 128 kbit/s 1987
DSL (HDSL) 2.048 kbit/s 1990
ADSL 8 Mbit/s 1995
ADSL2+ 25 Mbit/s 2003
TV-Kabel 160 MBit/s 1997
VDSL2 200 Mbit/s 2006
Glasfaser mind. 1 Gbit/s 1990
Rekord max. 107 Gbit/s 2006

(nur Näherungswerte)
 
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Anmerkungen

 

 
(1) Torsten Kleinz, Netzneutralität - ein amerikanisches Problem? c't 05.12.2007

(2) Deutschland Online, Studie 4, Januar 2007
Studie als PDF-Dokument
Sonderauswertung Social Web
zukunft-breitband.de
Breitbandatlas (BMWi)

(3)  Breitband-Internet in Deutschland immer günstiger, Heise online 14.06.2007

(4) Telekom, Geschäftsbericht 2005, Lininiennetz in Deutschland
Kupferkabel gegen Glasfaser

(5) Telekom-Konkurrenten machen DSL-Marktanteile gut, Heise online 07.05.2007

(6) Danach verbleibt für die Telekom ein Marktanteil von 7,1 Mio. DSL-Anschlüsse. Ein Blick in den Geschäftsbericht der DTAG für 2006 relativiert aber die Freude der Konkurrenten: Die DTAG hat danach im Inland 10,3 Mio. Breitbandanschlüsse im Betrieb, von denen 3,2 Mio. Anschlüsse an Reseller verkauft wurden.
Zahlen: DTAG, Geschäftsbericht 2006, Daten aus dem Konzern.
Damit trifft es zwar zu, dass der Eigenbetrieb der DTAG bei 7,1 Mio. Anschlüssen liegt und das sind 1 Mio. mehr als im Vorjahr. Außerdem betreibt die DTAG in aller Regel immer noch die letzte Meile und die zentrale Netzinfrastruktur (Grafik).
 

 
(7)  Neues Telekommunikationsgesetz erhält viele schlechte Noten, Nachrichtenübersicht bei Heise online 01.12.2006

(8) Eigene Berechnungen unter der Annahme optimaler Netzverbindungen. Irrtum vorbehalten.

(9)  Studie: Tauschbörsen erzeugen 69 Prozent des deutschen IP-Traffics, Heise online 30.11.2007

(10) Bei den Kompressionsverfahren ist danach zu unterscheiden, ob sie verlustfrei oder unter Inkaufnahme von Verlusten arbeiten.
Datenkompression
Bei Bildern kommt es in aller Regel nicht darauf an, ob sie leichte Fehlfarben enthalten.
Joint Photographic Experts Group - JPEG
Videokompression
Dasselbe gilt für Musikdateien, wenn sich die Verluste auf die Bereiche des menschlichen Gehörds beziehen, die er nicht wahrnehmen kann.
MPEG-1 Audio Layer 3

(11) Kleinz (1)
eco: "Ist das Internet noch zu retten?" Heise online 22.11.2007
  DE-CIX-Leitungskapazität überschreitet 1-TBit/s-Marke, Heise online 07.11.2007

US-Kabelnetzbetreiber bringt Volumentarife gegen P2P in Stellung, Heise online 18.01.2008

Erica Naone, Standleitung 2.0, Technology Review 27.02.2008

Umfrage: E-Mail-Verkehr treibt Investitionen in Speicherinfrastruktur an, Heise online 17.03.2008

Cisco: Internet-Traffic versechsfacht sich bis 2012, Heise online 16.06.2008
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018