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Gelegentlich finden sie deutliche und harsche Worte, unsere obersten
Gerichte. Natürlich nicht beleidigend, das wäre unter ihrer Würde und
der Sache abträglich.
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Das Tatbestandsmerkmal "bestimmte Tatsachen" in
§
100a Satz 2 StPO erfordert, dass die Verdachtsgründe über
vage
Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen müssen.
Bloßes Gerede,
nicht überprüfte Gerüchte und Vermutungen reichen nicht. Erforderlich
ist, dass auf Grund der Lebenserfahrung oder der kriminalistischen
Erfahrung fallbezogen aus Zeugenaussagen, Observationen oder anderen
sachlichen Beweisanzeichen auf die Eigenschaft als Nachrichtenmittler
geschlossen werden kann.
(1) |
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Gerne zitiere ich das BVerfG mit seinen Worten aus 2007, mit denen es
sich mit inhaltsleeren Begründungen von Eingriffsentscheidungen
auseinander setzt
(1):
Bloßes Gerede, nicht überprüfte Gerüchte und Vermutungen ...
(2).
Später (2010) reichte dann ein kleines Selbstzitat:
Das Gewicht des Eingriffs verlangt dabei Verdachtsgründe, die über vage
Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen
(3).
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Eine Anordnung nach
§ 100a StPO erfordert zwar für sich betrachtet keinen
bestimmten Verdachtsgrad, sondern nur den „einfachen“ Tatverdacht einer
Katalogtat. Dieser Verdacht muss allerdings auf einer hinreichenden
Tatsachengrundlage beruhen. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in
Rede stehenden Eingriffs in das Grundrecht aus
Art. 10 Abs. 1 GG Verdachtsgründe notwendig, die
über vage
Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Es müssen Umstände
vorliegen, die nach der - auch kriminalistischen - Lebenserfahrung in
erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand eine Katalogtat begangen
hat. Der Verdacht muss auf Grundlage schlüssigen Tatsachenmaterials
bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht
haben. [Leitsatz]
(4) |
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Plagiat
oder Einklang?
Der BGH verwendet 2010 dieselben Worte
(4).
Allerdings
findet er auch klare Worte zur Bedeutung der kriminalistischen
Erfahrungswerte
(5).
Besonders im Zusammenhang mit dem
Anfangsverdacht kommt die Strafverfolgung nicht umhin, tatsächliche
Anhaltspunkte (
§ 152 Abs. 2 StPO) verstärkt nach Maßgabe der Lebenserfahrungen und der im
Berufsleben gewonnenen kriminalistischen Erfahrungen zu bewerten. Das
setzt aber voraus, dass es überhaupt Tatsachen gibt, die bewertet werden können.
Das fällt manchen engagierten Ermittlern schwer. |
Als
hilfreich hat sich mir erwiesen, die Tatsachen auf ihre Geltung
(6)
zu untersuchen: Was sagen sie für sich genommen aus und was hingegen
in einer Gesamtschau, die der BGH bei jeder Beweiswürdigung verlangt
(7)?
Die Fakten können sich dabei gegenseitig verstärken, aber auch
schwächen.
Die
Grundsätze dazu hat der BGH 2004 (erstes Motassadeq-Urteil) zusammen
gefasst und auf solche Umstände angewandt, die wegen Geheimnisschutz und
Sperrerklärungen nicht in eine Hauptverhandlung eingeführt werden können
(8).
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Belehrungen |
Die vorgenannten Vorschriften gestatten jedoch weder die Darstellung
eines unwahren Sachverhalts in den Ermittlungsakten
noch die aktive Täuschung des Beschuldigten über
die wahren Hintergründe seiner Festnahme.
(10) |
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Manchmal
fragt man sich, ob eine Zurechtweisung wirklich nötig war, wenn etwa der
BGH zu einer Nummerierung von Anklagevorwürfen mahnt
(9), die
Aktenwahrheit bedroht sieht [
links,
(10)]
oder die Kompetenz eines psychiatrischen Gutachters in Zweifel zieht.
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23.09.2010: Noch 'ne Belehrung:
Die Feststellungen des Landgerichts zu den Taten entsprechen nahezu
wortgleich dem konkreten Anklagesatz. Eine solche Verfahrensweise des
"Einrückens" birgt die Gefahr, auf die richterliche Prüfung zu
verzichten, ob die den objektiven und subjektiven Tatbestand erfüllenden
Tatsachen in der Hauptverhandlung vollständig festgestellt worden sind.
Sie gefährdet den Bestand des Urteils jedenfalls dann, wenn dem
Anklagesatz nicht alle diese Tatsachen zu entnehmen sind oder wenn wie
möglicherweise im vorliegenden Fall - die Anklage nicht vollständig
"eingerückt" wird.
(11a) |
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Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der
Regelstrafrahmen für das Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß
§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sechs Monate bis fünf
Jahre Freiheitsstrafe und nicht - wie das Landgericht an mehreren
Stellen des Urteils ausführt - sechs Monate bis 15 Jahre Freiheitsstrafe
beträgt.
(11) |
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Hier gibt
der BGH eine kollegiale Belehrung über den richtigen
Strafrahmen
(11).
Ob das immer nötig ist, ist die Frage. Das Waffenrecht ist bei seiner Anwendung etwas spröde, doch dieser
Fehler hätte jedenfalls nicht mehrfach passieren dürfen.
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Die Ermittlungen müssen zum einen prompt, umfassend,
unvoreingenommen und gründlich sein (...). Sie müssen darüber hinaus
geeignet sein, zur Identifizierung und Bestrafung der verantwortlichen
Person zu führen (...).
(12) |
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Den
Oberlehrer kann auch das BVerfG heraushängen lassen, wenn es etwa
lichtvolle Ausführungen zu Sinn und Zweck strafrechtlicher Ermittlungen
und dem Gebot ihrer Beschleunigung verbreitet
(12).
Forderungen kann man immer gut stellen, wenn sie sich nicht gegen einen
selber richten.
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Wie vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt,
hätte der Angeklagte im Fall 4 der Urteilsgründe wegen versuchter
Nötigung und im Fall 10 der Urteilsgründe wegen gefährlicher
Körperverletzung verurteilt werden müssen. Die verhängten
Strafen
sind unvertretbar milde, die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß
§ 56 Abs. 2
StGB ist nicht nachvollziehbar und
widerspricht dem Gebot der
Verteidigung der Rechtsordnung. All dies beschwert den Angeklagten
jedoch nicht. (13) |
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Die
heftigste Ohrfeige stammt jedoch vom BGH
(13).
Er war zwar nicht befugt, insoweit zu entscheiden - aber das musste 'mal
gesagt werden.
In anderen
Fällen sieht aber auch der BGH über falsch gesetzte Strafrahmen hinweg
(14).
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Missbrauchsgebühr |
Der Beschwerdeführer benutzt das
Bundesverfassungsgericht lediglich als weitere Rechtsmittelinstanz,
ohne sich mit Fragen von
verfassungsrechtlicher Relevanz zu befassen
... Das
Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, dass es in der Erfüllung
seiner Aufgaben, nämlich grundsätzliche Verfassungsfragen zu
entscheiden, die für das Staatsleben und die Allgemeinheit wichtig sind,
und - wo nötig - die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen, durch
substanzlose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch den
Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren
kann
(16). |
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Lustig wird
es, wenn sich das BVerfG ausgenutzt sieht
(15).
2001 waren seine Worte noch verhältnismäßig freundlich
(16). |
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erstens fasse Dich und zweitens kurz
(17) |
Den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird eine
Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 € auferlegt ... Die
völlig ausufernde
Verfassungsbeschwerde genügt in weiten Teilen offensichtlich
nicht den
Anforderungen an eine substantiierte Begründung. Den enormen Umfang der
Beschwerdeschrift - einschließlich ergänzender Schriftsätze von mehr als
330 Seiten - haben die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin unter
anderem durch umfangreiche, sachlich durch nichts gerechtfertigte
Wiederholungen mutwillig herbeigeführt. Das Bundesverfassungsgericht
muss es nicht hinnehmen, dass es durch eine derart
sinnentleerte
Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazität bei der Erfüllung seiner
Aufgaben behindert wird und dadurch anderen Rechtsuchenden den ihnen
zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann
(18). |
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2010 ist
der Ton rüder geworden
(18).
Strafen wegen Ungehorsam kennen wir im Strafverfahren zum Beispiel
wegen unentschuldigt ausgebliebenen Zeugen (
§ 51 Abs. 1 StPO), trödeligen Sachverständigen (
§ 77 Abs. 2 StPO) und zickigen Inhabern von Beweismitteln (
§ 95 Abs. 2 StPO). Das Ordnungsgeld, das ihnen aufgegeben werden
kann, ist auf 1.000 € begrenzt (
Art 6 Abs. 1 EGStGB).
Das BVerfG kann jedoch Missbrauchsgebühren bis zu 2.600 € aussprechen
(
§ 34 Abs. 2 BVerfGG). Insoweit sind 500 € richtig moderat.
Vorstellen kann ich mir jedoch, dass der Berichterstatter einen Moment
daran denkt, jedes neue "sinnentleerte" Konvulut als selbständige
Missbrauchshandlung anzusehen und die Gebühr mehrfach festzusetzen.
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(1)
Missbrauchsgebühr,
15.07.2010:
Bereits zitiert
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kürzer! |
Die einschließlich der vorab per Telefax
übermittelten Schriftstücke 1.182 Seiten umfassende
Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verhängung eines
Bußgeldes
in Höhe von 175 € sowie eines Fahrverbots für die Dauer von zwei Monaten
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit. ...
Es fehlt an einem geordneten, schlüssigen und nachvollziehbaren Vortrag,
der die gerügten Grundrechtsverletzungen belegen könnte. Die
Beschwerdeschrift ist vielmehr gekennzeichnet durch sachlich nicht
gerechtfertigte und mutwillig erscheinende
Wiederholungen, eine kaum
nachvollziehbare Aneinanderreihung der beigefügten Unterlagen sowie von
unbelegten Vorwürfen gegenüber den Fachgerichten. Diese reichen von
Rechtswidrigkeit und
Willkür über die Behauptung der „wahnähnlichen
Verkennung des Verfassungsrechts“ durch ein Fachgericht bis hin zu
teilweise direkt, teilweise indirekt erhobenen Verdächtigungen,
Richter
hätten sich einer Straftat schuldig gemacht, und das, obwohl gegen den
Beschwerdeführer bereits in dieser Sache ein Strafbefehl wegen
versuchter Nötigung des Amtsgerichts erlassen worden war. Das
Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, dass seine
Arbeitskapazität durch derart sinn- und substanzlose
Verfassungsbeschwerden behindert wird und dass es dadurch den Bürgern
den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann
(19). |
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Dem
Beschwerdeführer und seinem Bevollmächtigten wurden jetzt jedem 1.100 €
Missbrauchsgebühr aufgegeben. Dem Beschluss merkt man die deutliche
Verärgerung an
(19).
So etwas würde man sich auch für andere Verfahrensordnungen wünschen!
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Anmerkungen |
Der Senat sieht sich mit Rücksicht auf die
ungewöhnlichen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende
Beweiswürdigung der Strafkammer veranlasst, darauf hinzuweisen, dass das
Tatgericht eine Einlassung des Angeklagten auch dann
nicht ohne Weiteres
seiner Überzeugungsbildung
unterstellen muss, wenn es an weiteren Beweismitteln fehlt. Die
Einlassung ist auf ihre Plausibilität zu überprüfen und in die
Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen. Vor
diesem Hintergrund liegt das vom Angeklagten hier geschilderte Geschehen
zur Entzündung des Gemisches nicht nur weit außerhalb jeder
Lebenswahrscheinlichkeit. Gerade auch die mitgeteilte Art und Weise, wie
der Angeklagte das entflammte Zündholz gelöscht haben will, erscheint im
Hinblick auf die motorische Leistung und die damit einhergehende
Umständlichkeit – trotz festgestellter Brandwunden an den Fingern des
Angeklagten – kaum nachvollziehbar.
(7) |
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(1)
BVerfG, Beschluss vom 30.04.2007 - 2 BvR 2151/06
(2)
Verdacht und tatsächliche Anhaltspunkte, 15.07.2010
(3)
BVerfG, Beschluss vom 11.06.2010 - 2 BvR 3044/09
(4)
BGH, Beschluss vom 11.03.2010 - StB 16/09
(5)
untermauerter Anfangsverdacht, 05.07.2010
(6)
Geltung von Beweisen und Erfahrungen, 29.11.2009
(7)
Zum Beispiel bei der
Beweiswürdigung im Revisionsverfahren (14.05.2010), wobei der BGH
eine tatsächlich merkwürdig anmutende Feststellungen mit Wort filetiert:
BGH, Beschluss vom 15.04.2010 - 5 StR 75/10, Rn. 12
(siehe
links).
(8)
gehörtes Hörensagen und gesperrte Beweise, 08.08.2009:
BGH, Urteil vom 04.03.2004 - 3 StR 218/03.
(9)
Ruf nach Nummern, 29.07.2010
(10)
Aktenwahrheit, 03.03.2010;
BGH, Urteil vom 11.02.2010 - 4 StR 436/09, Rn. 11.
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(10)
Zaunpfahl, 29.08.2010
(11)
BGH, Beschluss vom 10.08.2010 - 3 StR 251/10, Rn. 8.
(11a)
BGH, Beschluss vom 12.08.2010 - 3 StR 227/10, Rn.
4.
(12)
BVerfG, Beschluss vom 04.02.2010 - 2 BvR 2307/06,
Rn. 21.
(13)
BGH, Beschluss vom 31.03.2010 - 2 StR 21/10
(14)
Mittäterhaftung bestätigt, 09.08.2010:
BGH, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 StR 555/09.
(15) Missbrauchsgebühr,
15.07.2010
(16)
BVerfG, Beschluss vom 08.10.2001 - 2 BvR 1004/01
(17)
Heinz Ehrhardt über das Telefonieren.
(18)
BVerfG, Beschluss vom 29.06.2010 - 1 BvR 2358/08
(19)
BVerfG, Beschluss vom 12.08.2010 - 2 BvR 1354/10
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |